Porträt

laut.de-Biographie

RZA

Anfang der Nullerjahre kürt ein amerikanisches Musikmagazin die vierzig einflussreichsten Männer im Musikgeschäft. Wenig überraschend, dass man unter ihnen auf den RZA trifft. Im Rap-Biz zählt der Strippenzieher des Wu-Tang-Imperiums sogar zu den Top Ten.

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ER gründet unter anderem die Labels Wu-Tang Records und Razor Sharp Records. Welches Clan-Mitglied wann ein Album droppen darf: Lange Zeit obliegt die Entscheidung darüber dem RZA.

Seine Beats gelten Anfang der 90er als das Deepste und Innovativste, das Hip Hop zu bieten hat. Unzählige Produzenten versuchen, seinen Sound zu kopieren. Sein Level jedoch erreicht lange Jahre keiner von ihnen.

Der Musikpresse erscheinen sogar Vergleiche mit Beethoven nicht zu hoch gegriffen: Wie Ludwig van sei RZA in der Lage, komplexe Arrangements einfach und straight klingen zu lassen. Zudem erarbeitet er sich den Ruf als "best producer on the mic". Über 20 Millionen verkaufter Tonträger sprechen obendrein die Sprache des kommerziellen Erfolgs.

Seinem bürgerlichen Namen Robert Diggs stellt das Multitalent diverse Pseudonyme zur Seite. Er operiert als The Rzarector, The Abbot, Bobby Steels, Prince Rakeem und Bobby Digital - oder eben kurz als RZA.

Geboren in Brooklyn, zieht Robert Diggs im Alter von drei Jahren mit seinem Onkel nach North Carolina um. Im Jahr darauf stirbt besagter Onkel jedoch. Bobby kehrt nach New York zurück, wo er wenig später schon mit seinen Cousins GZA und Ol' Dirty Bastard abhängt, sprüht, breakt, auflegt und rappt.

Die drei gründen die Crew All In Together Now. Method Man spricht von ihnen als dem "original Wu-Tang Clan". Nach seiner EP verlässt RZA (damals noch Prince Rakeem) das Label Tommy Boy und versammelt seine Homies im Studio. Jeder wirft ein paar Ersparnisse in den Hut. Für schlappe 36.000 Dollar nehmen sie das Wu-Tang Clan-Debüt "Enter The Wu-Tang (36 Chambers)" auf.

Ihre erste Promo-Single "Protect Ya Neck" schlägt ein wie eine Bombe. Eine Anklage wegen versuchten Mordes überschattet diese Zeit. RZA plädiert jedoch auf Notwehr, das Gericht folgt seiner Darstellung.

In die Kunst der Beat-Bastelei lässt sich RZA zwischen 1991 und 1993 von RNS einführen, dem Produzenten von G.P. Wu und Shyheim. Beim Wu-Tang Clan zieht er dann alle Register: Fast alle Beats gehen auf sein Konto, bei den übrigen ist er als Executive Producer gelistet. Die atmosphärischen, unverwechselbaren Produktionen bilden neben den Raps die Basis für den immensen Erfolg des Clans, der zwischen '93 und '95 die kopfnickende Welt fest im Griff hält.

Jedem seiner Clan-Rapper schneidert der RZA die passende Kulisse auf den Leib. So dominieren beim Debüt von Ol'Dirty Bastard groovend-verrückte Sounds, während der GZA für die "Liquid Swords" eher einen düsteren Unterbau bekommt. Die anderen Premieren von Method Man, Raekwon und Ghostface Killah haben ebenfalls ihren eigenen Style. Letzterer zum Beispiel harmoniert am besten mit souligen Beats, wie auch sein Album "Bullet Proof Wallets" beweist.

Seinen kreativen Höhepunkt erreicht RZA mit dem zweiten Clan-Album 1997 "Wu-Tang Forever", das als zeitloser Meilenstein in die Rapgeschichte eingeht. 140 Minuten perfekt produzierte Beats, die noch zwanzig Jahre später absolut fresh klingen. Bei der dritten Platte "The W" aus dem Jahr 2000 geht der RZA mit seiner rauen, lebendigen Produktion zwei Schritte zurück, um noch einmal drei Schritte vorwärts zu kommen.

Nachdem der Wu-Tang Clan sein Debüt erfolgreich hinter sich gebracht hat, schließt sich RZA mit Too Poetic, Prince Paul und Frukwan zu einer der ersten Supergroups im Hip Hop zusammen. Nach zwei legendären Werken verlassen Prince Paul und der RZA die Reihen der Gravediggaz jedoch wieder. Too Poetic und Frukwan arbeiten als Duo am dritten Streich. Leider verliert Poetic den langen Kampf gegen den Krebs und stirbt im Frühjahr 2001. Das geplante Album landet auf Eis.

An seine erste EP aus dem Jahr 1991 lässt sich RZA nicht gerne erinnern. Sieben Jahre braucht er, um sich davon zu erholen und ein Konzept für einen neuerlichen Alleingang zu entwickeln. Mit der Kunstfigur Bobby Digital lässt er seine eigene Jugend und seine Entwicklung in einem zunehmend digitalen Zeitalter Revue passieren.

Als Bobby Digital benutzt RZA erstmals verstärkt seine 21 Keyboards, die Digi-Electronics. Ganz anders klingt im Jahr 2000 der Soundtrack zum Film "Ghost Dog" mit Forrest Whitaker in der Hauptrolle: Der baut wieder voll und ganz auf Soul-Samples. Musikgrößen von Brian Eno bis zu Roger Waters von Pink Floyd reagieren begeistert.

Solo-Aktivitäten hin oder her: Der RZA bleibt die Spinne im Netz des Wu-Tang Clans. Mehr als 500 Mitglieder umfasst die Sippe. RZAs Bruder Mitchell Diggs ist als Manager und Executive Producer involviert, seine Schwester Sophia betreibt den Maniküreladen "Wu-Nails" in Staten Island, und 9th Prince von der Killarmy ist des RZAs jüngerer Bruder. Über ein oder zwei Ecken scheinen alle irgendwie miteinander verwandt zu sein.

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Wo Dutzende Künstler unter dem Fledermaus-Logo miteinander arbeiten, bleiben Reibereien natürlich nicht aus. Die Sunz Of Man (außer Prodical Sunn), Blue Rasperry, Wu-Syndicate, AIG, Royal Fam (außer Timboking) und GP Wu verlassen die Wu-Familie im Herbst 2001 wegen geschäftlicher Diskrepanzen. Auch Killah Priest hat Gerüchten zufolge so siene Schwierigkeiten mit geschäftlichen Entscheidungen und dem Führungsstil RZAs.

Im Gegensatz zum Großteil seiner US-amerikanischen Kollegen interessiert sich RZA durchaus dafür, welche Entwicklung Hip Hop außerhalb der Vereinigten Staaten durchmacht. Er beteuert immer wieder, er empfinde Seelenverwandtschaft mit der französischen Rapcrew I AM. Mit Ärsenik nimmt er "Shaolin (6ème Chaudron)" auf.

Der holländische Emcee Cilvaringz gehört genau wie Freddy Kruga aus England zu Wu-International. Als bahnbrechend gilt das Projekt "The World According To RZA", das im Jahr 2003 erscheint. Hier rappen europäische Emcees wie Curse, Kool Savas, Afrob, Bektas, Sekou, Fuat, Pedder, Blade und die Saian Supa Crew, sowie die Soul-Barden und Sirenen Xavier Naidoo, Dido und Lauryn Hill.

Seine Gastauftritte außerhalb des Wu-Tang-Klüngels bleiben handverlesen, ob als Beat-Bastler für Big Pun ("Three Trenches"), Notorious BIG ("Long Kiss Goodnight") und Edo. G, als Rapper bei Tragedy Khadafi ("Enemy Of State") und DJ Muggs ("Third World") oder als produzierender Emcee bei Cypress Hill ("Killa Hill Niggaz2), Ras Kass ("The End") und AZ ("Whatever Happenend"). Doch der RZA kennt auch keine Genre-Grenzen. So kollaboriert er mit den Poprockern Texas, mit Islands Finest Björk, den Crossover-Pionieren Dog Eat Dog ("Step Right In") und mit der jamaikanischen Raggamuffin-Legende Bounty Killer.

RZAs politische Ansichten, seine Meinung zur Rolle der Frau, seine Gedanken über den Sinn des Lebens, seine islamistisch-buddhistisch geprägte Weltanschauung oder seine Liebe zur Hip Hop-Kultur, all das erschließt sich dem geneigten Hörer aus seinen Lyrics. Er betrachtet sich als eine universelle Person, die mehrere verschiedene Charakterzüge in sich vereint. Wer sich die Mühe macht, einen Blick in das Innerste von Robert Diggs zu werfen, kann auch für sich selbst Einiges lernen.

"Ghost Dog" soll nicht der letzte Ausflug ins Soundtrack-Geschäft gewesen sein: Nach diversen anderen Veröffentlichungen und einer Mammuttour rund um den Globus bastelt RZA zusammen mit Quentin Tarantino an der musikalischen Untermalung seines Martial Arts-Movies "Kill Bill". Der erste wie der zweite Teil zeigt: Hier hat jemand seine wahre Berufung gefunden.

In Hollywood hat man den Wu-Mastermind fortan auf dem Schirm. Die Folge: RZA verlässt sein Shaolin, den New Yorker Stadtteil Staten Island, und zieht in die Film-Metropole Los Angeles. Ein Schritt, der ihm spätestens 2007 große Probleme einbringt. Pünktlich zur Veröffentlichung des langersehnten neuen Wu-Tang Albums "8 Diagrams" beschweren sich Mitglieder der Truppe über RZAs musikalische Entwicklung. Raekwon etwa erklärt in einem Interview, er könne mittlerweile weder mit RZA, dem "Hip Hop Hippie", noch mit seinem neuartigen Gitarren-Sound etwas anfangen.

Der Chef selbst nimmt die Anschuldigungen gelassen auf, muss sich aber dennoch auch von Fans Kritik gefallen lassen, dass er mit der neuen musikalischen Richtung der Wu-Tang-Scheibe vielleicht ein wenig über das Ziel hinaus geschossen ist. Dem Imperium Wu-Tang kann das natürlich kaum etwas anhaben, seinem Kopf RZA noch weniger.

2008 taucht erneut ein RZA-Solowerk auf - "Digi Snacks" spinnt die Geschichte des RZA-Alter Egos Bobby Digital weiter. Musikalisch stützt sich RZA auf seinen neu entdeckten Hip Hop-Hippie-Sound und feiert sich mit Thea van Seijen, Dexter Wiggles, John Frusciante und Dhanni Harrison Genregrenzen-ignorant durch 18 Tracks.

Inzwischen hat sich RZA auch als Schauspieler einen Namen gemacht, spielt an der Seite von Denzel Washington und Russell Crowe. Mit letzterem steht er 2012 für "The Man With The Iron Fists" vor der Kamera, wo er außer für die Filmmusik auch erstmals für die Regie zuständig ist. Der Streifen erhält 2015 eine Fortsetzung.

In der Zwischenzeit schreibt RZA unentwegt weiter Filmmusik für die großen Hollywood-Studios. Seine Tätigkeit als Rapper und Produzent gibt er darüber allerdings nicht auf. RZA kooperiert über die Jahre mit zahlreichen Kollegen, von alten Weggefährten wie dem GZA zu Vertretern der nächsten Generation wie Earl Sweatshirt oder KiD CuDi. 2013 kooperiert er wieder mit einem deutschen Rap-Act: Er leistet einen Beitrag zu Genetikks Album "D.N.A.".

Im Jahr darauf erscheint, lange mussten die Fans darauf warten, wieder ein richtiges Album des Wu-Tang Clans. Trotz anhaltender Differenzen mit Raekwon kommt "A Better Tomorrow" natürlich nicht ohne die Beteiligung des RZAs aus. Zusammen mit Interpol-Sänger Paul Banks veröffentlicht er 2016 als Banks & Steelz das Kollabo-Album "Anything But Words".

RZA kann mit Gott und der Welt gemeinsame Sache machen und seine Aktivitäten auf noch so viele Felder ausweiten, er wird trotzdem in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf ewig eins bleiben: das Oberhaupt des Clans.

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