Porträt

laut.de-Biographie

Björk

Sie ist klein und stammt aus Island. Ihre Musik aber ist groß und von Welt. Björk Gudmundsdottir wird am 21. November 1965 in Reykjavik geboren und wächst in einer Kommune auf. Obwohl sie gerne betont, dass es sich dabei nicht um eine Hippie-Kommune handelte, hinterlassen diese Eindrücke tiefe Spuren in Björks Gedächtnis. "Musik wurde 24 Stunden am Tag gespielt. Ich erinnere mich, dass immer Leute am Plattenspieler standen. Die eine Platte war zu Ende, und sofort wurde die nächste aufgelegt."

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Im Alter von fünf tritt sie in die ortsansässige Musikschule ein und erhält Unterricht in Klavier und Blockflöte. Sechs Jahre später kann sie ihren musikalischen Ausdruckswillen nicht länger bändigen und veröffentlicht mit elf Jahren ihr erstes Album. Der Longplayer, schlicht "Björk" betitelt, avanciert in Island zum Hit und macht sie zum Kinderstar.

Zwei Jahre später gründet sie ihre erste Band und opfert sich der Punk-Bewegung. Exodus, Tappi Tikarras und K.U.K.L. nennt sie ihre Kapellen und spielt mit letztgenannter zwei Alben für das Label der britischen Punker Crass ein. "Es war eine grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen Instinkt und Verstand", beurteilt sie die Dinge aus späterer Sicht.

1987 gründet sie zusammen mit isländischen Kollegen die legendären The Sugarcubes. Schon ihre erste Single "Birthday" leitet mit Björks extrem speziellen Gesang und experimentellen Sounds den Kult um die eigenständigen Post-Punker ein.

Nach vier Alben lösen sich die Sugarcubes 1992 wieder auf. Björk widmet sich zunehmend der britischen Dance/Electro-Szene und nimmt mit 808 State zwei Titel für deren "Ex:El"-Album auf. Sie fasst in der Londoner Szene schnell Fuß und lernt Nellee Hooper, den Soul II Soul-Produzenten, kennen. Zusammen mit Talvin Singh, der für die Streicherarrangements an Bord kommt, arbeiten sie an Björks Album "Debut", das 1993 erscheint. 3,5 Millionen verkaufte Einheiten sprechen eine deutliche Sprache.

1995 folgt "Post", auf der Björk neben ihren Vertrauten Nellee Hooper und Graham Massey auch mit Howie B und Tricky zusammenarbeitet. Ende 1997 legt sie mit "Homogenic" ein ganz außergewöhnliches und sehr nachdenkliches Album vor. Zwischen schmeichelnden, fremdartig klingenden Keyboard- und Streicherflächen, grummelnden Basslinien und zögerlichen Grooves erzeugt Björks fragile Stimme ihr unverwechselbares Ambiente.

In der Folge wird es um die kleine Isländerin etwas ruhiger. Mehr und mehr zieht sie sich aus der Öffentlichkeit zurück, zumindest musikalisch. Vom Film erhofft sie sich mehr Anonymität und mehr Abstand zum Publikum. Björks Arbeit mit dem dänischen Regisseur Lars von Trier gestaltet sich aber auch nicht immer einfach. Die Presse munkelt von Nervenzusammenbrüchen und ständigem Streit.

In "Dancer In The Dark" spielt Björk eine junge Frau, die infolge einer Erbkrankheit erblindet und ihren Sohn vor dem gleichen Schicksal bewahren will. In ihrem Unglück begeht sie einen Mord und wird zum Tod durch Erhängen verurteilt. Sentimentales Thema.

"Sie ist keine Schauspielerin, sie hat das alles immer wirklich gefühlt", sagt von Trier über Björk, die auch die Filmmusik ("Selma Songs") komponiert. Beim Filmfestival in Cannes erntet der Film nicht nur Beifall. Die Reaktionen der Kritiker reichen von "Einfach schrecklich" bis hin zu "Große Kunst".

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Begeistert nimmt dagegen das Publikum in Cannes "Dancer In The Dark" auf. Dem schließt sich dann auch die Jury an, zeichnet den Film mit der begehrten Goldenen Palme und Björk als beste Hauptdarstellerin aus. Die hat trotzdem vom Film die Nase voll und freut sich wieder auf 'richtige' Musik.

Nach dem kontrovers diskutierten "Verspertine" startet Björk 2002 mit der Veröffentlichung einer 5-CD-Box wieder richtig durch. Neben zwei enthaltenen "Best Of" (eine stellen ihre Fans per Internet-Votum zusammen) enthält die "Family Tree Box" außergewöhnliche Perlen. Die Streichquartett-Interpretationen des Brodsky Quartet markieren den Grenzen sprengenden Höhepunkt. Zeitgenössische Klassik geht dabei mehr als einen Flirt mit Björks Pop-Kunst ein.

Mit "Medulla" veröffentlicht Björk im Jahr 2004 erstmals ein A capella-Album. Zur Seite stehen ihr renommierte Vocal-Artisten wie Rahzel, die 'human beatbox' von The Roots, die Kopfstimmenspezialistin Tanya Tagaq oder der Faith No More-Frontmann Mike Patton. Die weniger experimentierfreudigen Anhänger ihrer Musik begrüßen 2007 mit dem Folgealbum "Volta" ihre Kehrtwende zurück zu tanzbaren Sounds. Einmal mehr stellt Björk damit klar: Mit Erwartungshaltungen ist man bei ihr an der komplett falschen Adresse.

Es folgt eine groß angelegte Tour zum Album, die die Exzentrikerin rund um den Erdball führt. In hiesigen Gefilden macht sie sich allerdings rar und beglückt ihre Anhänger lediglich während eines exklusiven Auftritts beim Melt!-Festival im Jahr 2008.

Bereits im Herbst des selben Jahres beschäftigt sich Björk mit neuen Visionen und Ideen. Zusammen mit Damian Taylor, der nicht nur als Band-Mitglied fungiert, sondern auch die musikalische Leitung der vergangenen Tour übernahm, macht sich die Sängerin an die Arbeit.

Der "Volta"-Nachfolger soll alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. In den nächsten zweieinhalb Jahren konzipiert das Gespann Taylor/Björk das Projekt "Biophilia". Den beiden Visionären geht es dabei nicht nur um ein bloßes neues Album. "Biophilia" soll ein multimediales Gesamtkunstwerk werden.

Zu jedem einzelnen Song entstehen Apps, die den Fan mit Hintergrundmaterial, Texten und Animationen versorgen. Zudem gesellen sich eine eigene Webseite, bahnbrechende Live-Visionen und ein Dokumentationsfilm hinzu und machen aus einem neuen Lebenszeichen ein musikalisches Revolutions-Paket.

Nach diesem aufwändigen Leckerbissen dauert es vier Jahre bis zu nächsten Studioalbum. Auf "Vulnicura" arbeitet Björk mit Dark Ambient-Koryphäe Haxan Cloak und dem Produzenten und IDM-Musiker Arca zusammen. Die Platte fällt nicht so spröde aus wie ihr Vorgänger. Besonders Fans der frühen Björk goutieren Lieder wie das ungewohnt zugängliche "Stonemilker".

Die Begleitumstände zur CD geraten weniger angenehm. Thematisch verarbeitet die Isländerin die schmerzvolle Trennung von ihrem Lebenspartner Matthew Barney. Ihr Label versucht zeitweise, Björk an der Ausübung der vollen künstlerfischen Kontrolle zu hindern. Am Ende muss sie die Veröffentlichung wegen eines Leaks sogar um zwei Monate vorverlegen.

Die weiteren Ereignisse dieses für sie wichtigen Jahres erweisen sich als weit erfreulicher. Drei Monate lang widmet das Museum Of Modern Art ihr eine retrospektive Ausstellung, die die gesamte Zeitspanne von "Debut" bis "Biophilia" abdeckt. Gegen Ende 2015 schiebt sie als Schwester-Platte und Ergänzung zu "Vulnicura" das rein akustisch gehaltene "Vulnicura Strings" nach. Als besonderes Schmankerl serviert sie hier die musikhistorisch exotische und selten genutzte Viola Organista.

Für ihr nächstes Album "Utopia", das 2017 erscheint, holt sie sich wieder Arca mit ins Boot, der fast alle Tracks produziert. Die Platte handelt von der wiedergefundenen Liebe im spirituellen Sinne. Im von Andrew Thomas Huang gedrehten Video zur Single "The Gate" trägt sie eine offene Vulva in der Brust, die einen leuchtenden Orgasmus beherbergt. Damit symbolisiert sie, dass sie ihre innere Leere überwunden und ihre Lebensfreude zurückerlangt hat. Die Platte markiert einen Neubeginn für Björk, die sich im Laufe der Jahre immer und immer wieder häutet.

2020 hört man sie auf Arcas "Kick i" in dem Song "Afterwards" singen. Im selben Jahr wird bekannt, dass Björk in die Rolle der "Slav Witch" im Film "The Northman" von Robert Eggers schlüpft. Der Film kommt zwei Jahre später in die Kinos. 2022 erscheint mit "Fossora" auch ein neues Album von ihr. Darauf verarbeitet sie die Eindrücke ihres Lockdowns in Island sowie den Tod ihrer Mutter, die 2018 verstarb.

Dabei nimmt sie in ihren Texten Bezug auf Dinge, die im Erdreich leben und dort ihre Wurzeln ausbreiten. Die Natur verknüpft sie gleichzeitig mit Mensch und Technologie. Bei dem Begriff "Fossora" handelt es sich um eine von der Isländerin erfundene weibliche Form des Wortes "fossore" (Gräber, Buddler), die sich mit "Frau, die mit Füßen in der Erde gräbt" übersetzen lässt.

Klanglich geht es laut Björk "um Bass, um schwere Tiefen". Neben dem Klarinettensextett Murmuri sind weitere Gäste wie der isländische Hamrahlid Chor, das Siggi Streicherquartett, Kasimyn vom indonesischen Duo Gabber Modus Operandi oder serpentwithfeet dabei. Auch Björks Sohn und Tochter Sindri und Isadóra steuern Gesangsspuren bei. Konstant bleibt bei der Isländerin nur eins: Wenn du glaubst, du weißt, was sie als nächstes tut ... dann macht diese Frau unter Garantie etwas ganz anderes.

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Alben

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Kritik von Toni Hennig

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Berlin, Waldbühne, 2022 Björk mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dirigiert von Bjarni Frímann Bjarnason.

Björk mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dirigiert von Bjarni Frímann Bjarnason., Berlin, Waldbühne, 2022 | © Santiago Felipe (Fotograf: Santiago Felipe) Björk mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dirigiert von Bjarni Frímann Bjarnason., Berlin, Waldbühne, 2022 | © Santiago Felipe (Fotograf: Santiago Felipe) Björk mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dirigiert von Bjarni Frímann Bjarnason., Berlin, Waldbühne, 2022 | © Santiago Felipe (Fotograf: Santiago Felipe) Björk mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, dirigiert von Bjarni Frímann Bjarnason., Berlin, Waldbühne, 2022 | © Santiago Felipe (Fotograf: Santiago Felipe)

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