laut.de-Kritik

Ein Spenderherz für Deutschrap? Yes, Sir!

Review von

Genie und Wahnsinn liegen bekanntlich dicht beieinander. So dicht dann aber auch wieder nicht, dass sich dazwischen kein Seiltanz aufführen ließe. Haben Genetikk Da Neckbreaker Aliens erst einmal losgelassen, kann der Balanceakt leicht zum Amoklauf mutieren.

"Unsere Geschwader sind auf Kurs, also versteck' dich." Besser wärs. Sikk und Karuzo führen "doppelt nuklearen Angriffskrieg". Ihr Kreuzzug währt genau so lange, "bis der einzig wahre Glaube an den Hip Hop wieder aufersteht". Im Angesicht von "D.N.A." kann das nicht allzu lange dauern.

Man muss nicht gleich vorschnell das große Wort vom "modernen Klassiker" aufgreifen, das bereits munter die Runde macht. Als bisher beste Veröffentlichung der Genetikk-Historie geht "D.N.A." aber sicher durch.

Kürzlich trafen Karuzo und sein beatbastelnder "brother from another mother" Kollegen Simon Langemann zum Interview. Mit "D.N.A." lagen sie da gerade in den allerletzten Presswehen. Karuzo offenbarte: "Wir machen zum ersten Mal die Musik, die wir eigentlich machen wollen." Holla, das hört man. Im Gegensatz zu ihrem auch schon brachial unterhaltsamen "Voodoozirkus" wirkt die aktuelle Platte um Welten ausgefeilter, überlegter, wesentlich mehr aus einem Guss.

Mit seiner Geschichte einer auf diesem Planeten vorübergehend gestrandeten, ganz eigenen "Spezies" geht "D.N.A." schon fast als Konzeptalbum durch. Zwischen den körperlosen Stimmen und fetten Bässen, Scratches und akustischen Sternschnuppen, aus denen Produzent Sikk das "Intro" arrangiert, stürzt der Außenseiter zur Erde und hinterlässt einen tiefen Krater.

"Ich gehör' hier nicht her, ich bin was anderes." Ehe das "Outro" aber das Ticket für die Heimreise in eine ungewisse Unendlichkeit ausstellt, wird der Besucher von einem anderen Stern lieben und leiden, kämpfen und kriechen - und steht dabei meist mutterseelenalleine da. Die Außenseiterexistenz wächst sich zur Grundhaltung aus: "verloren, einsam - immer noch besser als verlogen, gemeinsam".

Wer unbedingt möchte, kann gerne versuchen, sich aus den Texten Lebensgeschichten, Werdegänge und private Details von und über Sikk und Karuzo zusammenzustoppeln. So lange der König der Lügner das Wort führt, wissen ohnehin nur die beiden Typen unter den Masken, welche Anekdote stimmt und was sich aus dem Reich der Legenden und dem Wunderland des Wunschdenkens darunter gemogelt hat. Dichtung? Wahrheit? Mythos? Re-ha-li-tät am Ende? In Karuzos Kosmos ist "Alles Möglich". Stimmungen und Gefühle allerdings treffen stets einen äußerst leibhaftigen Nerv.

"Trag' mein Herz nicht auf der Zunge, nein, ich kaus und spuck' es aus" - DAS nehme ich "Kappa Alpha Rho" ... "U-Z-Omega" jederzeit so vorbehaltlos ab wie die unbedingte Hingabe an den Hip Hop, die an tausend und einer Stelle durchscheint. "Deutscher Rap braucht eine Herztransplantation. Ich bin der Spender."

Karuzo reißt sich das Herz aus der Brust und lässt sich, wo wir gerade dabei sind, gleich ein Mic implantieren. Von den Füchsen der Beginner zu Wu-Tang'scher "C.R.E.A.M.", von King Louie aus dem Dschungelbuch über Ol' Dirty Bastard und Outkast zu Wiz Khalifa und 50 Cent pflügt er durch Hip Hop- und sonstige Landschaften. Wer alle Referenzen aufstöbert und listet, bekommt ein Fleißbildchen, ich schwöre. (In etwa zwei Jahren. Früher dürfte niemand damit fertig sein.)

Karuzos Stimme und sein zuweilen leiernder Vortrag mögen immer noch nicht jedem anstandlos reinlaufen. Mit seinen technischen Fähigkeiten, seiner blühenden Phantasie und (nicht zu vernachlässigen, im Spiel um die dickste Hose) gesundem Selbstbewusstsein reiht er sich aber mit Fug und Recht unter den "Champions" ein.

Ich hätte nichts vermisst, hätte der RZA nicht vorbei geschaut, um in "Packets In Den Boots" die "MC Karuzo DJ Sikk produce show" personell zu verstärken. MoTrip im "Outro": so unauffällig, dass er auch hätte daheim bleiben können. Bei "Liebs Oder Lass Es" mit Sido gewinnt die zweite Option: der mit Abstand schwächste Track auf "D.N.A.".

Einzig der Besuch des Bosses in "A La Muerte" erscheint wirklich sinnvoll - und sei es auch nur, um Kollegah wieder einmal über einen ordentlichen Beat schnüren zu hören. "Rapper haben 'ne schwere Zeit, nur die Selfmade-MCs, die haben 'ne tolle - wie Elvis Presley."

Das stimmt schon alleine deswegen, weil zumindest einer dieser Selfmade-MCs auf die Instrumentals seines begnadeten Kollegen Sikk zurück greifen darf. Vor dessen Tür sollte die rappende Welt eigentlich Schlange stehen und um seine Beats betteln. (Wenn auch vermutlich ziemlich vergebens: "Jeder fragt, keiner kriegt." Sagt der Mann.)

So bleiben die Galaxien, die Sikk zwischen wuchtigen Bässen, irrem Tastengeklimper, hymnischen Passagen, flirrenden Saiten und drückenden Synthies aufspannt, bis auf weiteres ein Genetikk-Monopol und Karuzo der einzige, der darin nach den "Strawberry Fields" sucht. "Ihr könnt mich verfolgen, doch folgen könnt ihr nicht."

Wenn er dann aus seiner Privat-Dimension herüber schnauzt, gibt es nur noch eine gültige Antwort. "Hört ihr mich?" Yes, Sir! "Seht ihr mich?" Yes, Sir!

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Spezies
  3. 3. Yes Sir
  4. 4. Packets In Den Boots feat. RZA
  5. 5. D.N.A.
  6. 6. Triumph
  7. 7. Champions
  8. 8. A La Muerte feat. Kollegah
  9. 9. Gift
  10. 10. Plastik
  11. 11. Represent
  12. 12. Liebs Oder Lass Es feat. Sido
  13. 13. Alles Möglich
  14. 14. Du Bist Weg
  15. 15. Strawberry Fields
  16. 16. Über Alles
  17. 17. Kappa Alpha Rho
  18. 18. Outro feat. MoTrip

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