Porträt

laut.de-Biographie

MC Rene

"Wenn ich freestyle, kreiere ich mir meine eigene Welt und alles, was ich mir wünsche, wird für einen Augenblick wahr", so MC Rene in seiner schier unendlichen MC Rene-Story. "Aber nur so lange, bis ein Reim den anderen ablöst, so symbolisiert Freestyle für mich die Vergänglichkeit des Lebens, und wenn der Reim nie aufhört, wird man für Sekunden unsterblich und kann seine Lebenszeit verlängern bis zum letzten Reim."

Fck Spotify: Carolin Kebekus rechnet mit Streamingdienst ab
Fck Spotify Carolin Kebekus rechnet mit Streamingdienst ab
"Die Carolin Kebekus Show" nimmt die Geschäftspraktiken der Plattform ins Visier.
Alle News anzeigen

Das klingt zum einen reichlich poetisch, zum anderen ordentlich besessen von dem, das er da tut: Rene lebt für Hip Hop. "Ein Emcee muss auf der Bühne das rüberbringen, was er auf Platte verzapft. Nur Leute, die auf der Bühne rocken können, sind für mich Masters Of Ceremony. Die Anderen sind nur Studiorapper", stellt er im Gespräch mit laut.de klar. Im eigentlichen Sinne steht "MC" nämlich für "Master Of Ceremony".

Rene erfüllt die Anforderungen an einen solchen Oldschool-MC zur Genüge. An ihm ist ein wahrer Zeremonienmeister verloren gegangen, der seine Schwerpunkte nicht im Studio, sondern live on stage in Form von Freestyle-Wahnsinn setzt. Kein anderer Rapper (noch nicht einmal unbestritten tighte Leute wie Samy Deluxe, David P. oder Spax) repräsentieren vergleichbar lange und konsequent deutsche Freistil-Zungenkultur.

"Nummer drei: Beim Freestyle muss man Üben und Bühne trennen / Lieber zehn Sätze, die brennen, als zehn Minuten verschwenden / Denn das Publikum ist mega abgetörnt / Wenn du nicht burnst, gib das Mic ab, sag' 'Peace' und mach sie platt wenn Du returnst." (Curse in die "Zehn Rap Gesetze") Rene El Khazraje, geboren am 11. September 1976 in Braunschweig, burnt seit Jahr und Tag, und das stundenlang. Zu viel des Guten, meinen seine Kritiker dazu. Er konzentriere sich zu sehr auf diesen einen Aspekt des Rap, so der häufigste Vorwurf. Sollte hier der Grund dafür zu suchen sein, dass Renes Name in Aufzählungen der MC-Elite fehlt?

Tatsache bleibt: Rene ist seit 1991 in der deutschen Hip Hop-Szene präsent. Anfangs auf zahlreichen Jams unterwegs, legt er 1992 mit den State Of Departmentz auf "That's Real Underground" sein Debüt vor. Auf dem Sampler "Alte Schule" von 1993 vertritt er "Die Neue Reimgeneration" und begibt sich anschließend mit Advanced Chemistry auf Tour. Mit der Maxi "Reimenergie" veröffentlicht MZEE 1993 Renes Debüt als Solo-MC.

Einer Tour mit der Klasse von '95 folgt die gleichnamige legendäre Compilation, auf der neben Rene der Tobi und das Bo, die Massiven Töne, die Absoluten Beginner, Spax, die Stieber Twins, Main Concept, Fettes Brot und F.A.B. vertreten sind. Ebenfalls 1995 erscheint Renes erstes Album "Renevolution", wieder auf MZEE.

Als Hip Hop Ende der 90er endlich boomt, sitzt Rene dank Knebelverträgen künstlerisch fest. Außer diversen Live-Shows, Auftritten bei Freestyle Cups und zwei Videos ist aus Renes Ecke in den nächsten Jahren nicht viel zu vernehmen. Zu einem MZEE-Sampler trägt er 1999 "Reneflektion" bei.

Im gleichen Jahr packt Rene Freestyles, Skills und Texte auf ein Tape und gibt diesem den Namen Bernd. Die Verbindung von Rene und MZEE Records ist weder die glücklichste noch von Dauer: Die Verträge werden gelöst (sagen die einen), Rene wird von DJ Tomekk und No Limit-Records freigekauft (sagen die anderen). So oder so ist MC Rene ungebunden und darf in Tomekks "1, 2, 3... Rhymes Galore" inklusive zugehörigem Video mitmischen. Daneben übernimmt er auf Blumentopfs "Großes Kino" einen Featurepart. MZEE macht noch ein wenig Umsatz mit "Best Of MC Rene".

Im Jahr 2000 erscheint nach fünf Jahren veröffentlichungstechnischer Abwesenheit die Single "Zieh Dir Das Rein" und landet prompt in den Top Ten. Renes zweites Album ("Ein Album Namens Bernd") erweist sich dennoch als eher schwach. "Ich zog durch die Lande und nahm hier und da einen Track auf. Ohne Plan und Konzept", beurteilt Rene es selbst. "Drittklassige Beats von erstklassigen Produzenten (DJ Membrain, DJ Tomekk und Thomilla) machen halt noch keinen Sommer", merkt Manager Django zynisch an.

Allerdings nimmt hier ein sich über Jahre hinziehender Schwelbrand zwischen Rene und dem Frankfurter Azad mit dem Diss-Track "Gegen Den Strom" seinen Anfang. Immerhin ist Rene wieder im Gespräch, auch wenn nicht selten unverhohlene Kritik an seinen Projekten geäußert wird. Die Features auf Tomekks "Rhymes Galore" und "Return Of Hip Hop" bringen ihm manche Lorbeeren, aber mit dem Tatort "Fette Krieger", in dem er an Harris' Seite spielt, setzt er sich dann wieder ordentlich in die Nesseln, was er auch unumwunden zugibt. "Den 'Tatort' würde ich jetzt anders machen beziehungsweise andere Dinge einbringen und fordern. Ich habe ihn damals gesehen und fand ihn nicht so toll. Abgehakt."

Renes nächstes Projekt macht ihn zum Moderator von VIVAs Hip Hop-Format "Mixery Raw Deluxe". Obwohl er dabei selbst namhafte MCs wie Curse aussticht, bleiben die Kritiker auch hier aktiv und bemängeln die Städtebattles und die mitunter merkwürdige Songauswahl. "Die Zeit bei 'Mixery Raw Deluxe' ist für mich endgültig vorbei", beschließt Rene irgendwann. "Ich habe über 100 Sendungen gemacht, aber es wiederholt sich alles. Ich musste Leute interviewen, die mich eigentlich hätten interviewen sollen. Ich bin Emcee zu 100 Prozent. Es gibt jetzt keine Kräfteteilung mehr, das neue Album braucht meine ganze Power."

Rene wechselt 2001 zu Improversum, einem Netzwerk aus Musikern, Grafikern, Autoren, Filmemachern und anderen Künstlern, das Renes Jugendfreund und Ex-Breaker Django Fraundorf betreibt. Jener Django ist es dann auch, der MC Rene den Spaß am Rappen zurück bringt. Der inzwischen ausgeweitete Beef mit Azad wirft kostenlose Werbung ab. Folgerichtig steigt Renes nächstes Album "Scheiß Auf Euren Hip Hop", das in zwölfmonatiger Arbeit entstand, 2002 in die Top 50 der Media Control-Charts ein. Zudem verdient sich Rene Brötchen in der Olli Pocher-Show auf VIVA - auch das allerdings ein Karrieremove, der nicht überall gut ankommt.

Renes Werdegang lässt sich in der oben zitierten MC Rene-Story nachvollziehen, die problemlos als Zeitzeugenbericht in die deutsche Hip Hop-Historie eingeht. Er lädt zu einem Streifzug durch Deutschlands Rapszene ein und wirft mit Insiderwissen aus über zehn Jahren live am Mic um sich. Wen also interessiert, welcher Song Rene wann zum Rappen brachte oder warum er schon so früh mit Freestyles begann, dem sei diese Autobiographie wärmstens ans Herz gelegt.

Dort erfährt man beispielsweise über Renes Verbindung zu Such A Surge oder, dass er beinahe bei Moses Pelham und seiner 3P-Posse gelandet wäre. Mitte der 90er dient Afrob als sein Backup-MC. In den mageren Jahren steht Rene bei Gilden Kölsch am Fließband und schaut in den frühen Neunzigern den 36 Boyz aus Kreuzberg beim Stürmen einer Hip Hop-Jam zu.

Einen großen Part nimmt die Tortur mit MZEE Records ein. Kritiker, die stets das Lied von der Abzocke seitens der Labels singen, finden hier reichlich Nahrung. Doch diese Zeiten gehören scheinbar der Vergangenheit an. Im Jahre 2002 befindet sich MC Rene auf der Gewinnerseite, was ihm nach zahlreichen Rückschlägen von Herzen vergönnt sei.

Dennoch folgt wieder für einige Jahre Funkstille, bis ein simpler Buchstabendreher lässt dem biederen MC Rene ein weit stylisheres Reen entstehen. Auf verschiedenen Samplern taucht Reen kurzzeitig aus dem Meer der Vergessenheit auf, um danach sofort wieder zu verschwinden. In der Verborgenheit ist Reen allerdings nicht untätig: Er gründet sein eigenes Label Marraca$h Music.

2005 meldet sich Reen mit der Single "Reens Welt / Die Enthüllung" zurück. Das Ende des Jahres in Zusammenarbeit mit Streettape nachgelegte Album "Der Letzte Marokkaner" liefert ein mehr als ordentliches Stück Deutschrap ab, das selbst üblicherweise scharfzüngigen Kritikern Respekt abringt: "Reen tut, was er immer getan hat. Er versucht, das Flair der goldenen Vergangenheit in die Neuzeit hinüber zu retten. Solange er dabei auf Bäder in Selbstmitleid und peinliche Sido-Shout Outs verzichtet, darf er das gerne noch weitere zwölf Jahre lang machen."

Statt dessen kündigt Reen ein Album mit dem schönen Titel "Smells Like Reen Spirit" an - das nie erscheint. Statt dessen dreht er die Buchstaben seines Vornamens wieder zurück und verlegt seinen Schwerpunkt Richtung Comedy. In seinem Blog zeichnet er diese Entwicklung nach - bis zu dem Tag im Mai 2012, an dem sein Buch "Alles Auf Eine Karte - Wir Sehen Uns Im Zug" erscheint. Darin, der Untertitel lässt es ahnen, erzählt er von einem ganz besonderen Lebensjahr:

Um seine Komiker-Karriere voranzutreiben (und wohl auch, um spezielle Erfahrungen und Inspiration zu sammeln), gibt Rene seine Wohnung auf, befreit sich von fast allem Hab und Gut, besorgt sich eine Bahncard 100 und lebt ein Jahr lang quasi auf der Schiene. Das Geschriebene veröffentlicht er später zusammen mit einigen Tracks auch in einer Hörbuch-Fassung. Als Rapper zurück auf den Schirm katapultiert er sich mit seinem Beitrag in Carolin Kebekus' kirchenkritischen Track "Dunk Dem Herrn", der für einigen Wirbel beim WDR sorgt.

Zwei Jahre später dreht sich das meiste bei Rene wieder um die Musik. Er veröffentlicht das Album "Renessance" und zieht wieder auf Tour durchs Land. Bei "Khazraje" von 2016 arbeitet er bereits mit Figub Brazlevic zusammen, bei dessen Label Anfang 2021 sein Album "Irgendwas Stimmt" erscheint.

Davor erschien allerdings noch ein Longplayer, dessen Titel wieder einmal auf Renes Kernkompetenz verweist. Egal, was seine Kritiker auch an ihm auszusetzen haben: An seinem Status als "Master Of Ceremony" können sie alle nicht rütteln.

News

Alben

Surftipps

3 Kommentare