Porträt

laut.de-Biographie

The Jesus Lizard

Chicago, Illinois gilt seit den ausgehenden Achtziger Jahren als die unangefochtene Underground Noise-Rock Bastion Nordmamerikas. Die drei maßgeblichen Gründe dafür heißen Touch & Go, Steve Albini und The Jesus Lizard. Das Independentlabel Touch & Go Records hat seit Mitte der 80er seinen Hauptsitz in der drittgrößten Metropole der USA, von wo aus es seine überwiegend sperrigen Postrock-Platten von Bands wie den Butthole Surfers, Big Black oder Shellac unters Volk bringt.

Steve Albini ist seit jeher der Mann fürs Grobe, der in seinem "Electrical Audio"-Aufnahmestudio eine ganz eigene Klangphilosophie vertritt. Mit seinem rohen, wuchtigen und vom Schlagzeug dominierten Sound macht er sich bei der ersten Garde des Alternative-Rock von PJ Harvey, Pixies, The Breeders, Neurosis bis zu Nirvana sehr beliebt und genießt unter Hi-Fi-Puristen Kultstatus.

The Jesus Lizard stehen wie kaum eine andere Band – außer Albinis Zweithobby Shellac - Pate für seine bevorzugte Klangästhetik und zählen berechtigterweise zu den einflussreichsten Post-Punk-Bands der Neunziger. Nach dem Ende von Scratch Acid, einer der erklärten Lieblingsbands von Kurt Cobain, gründen deren Sänger David Yow und Bassist David Sims zusammen mit dem Gitarristen Duane Denison und einem Drumcomputer 1987 The Jesus Lizard. Der Bandname ist eine Referenz an den Basilisken, eine Eidechsenart, die über Wasser laufen kann.

Nachdem mit Albini 1989 die erste EP "Pure" aufgenommen wird, beschließt die Band, zukünftig lieber auf humane Beats zu setzten und verstärkt sich mit dem menschlichen Uhrwerk Mac McNeilly. Mit seinem stoisch groovendem und repetitiven Drumming avanciert McNeilly rasch zum unverzichtbaren Rückgrat der Band. So wird der Rhythmus auch zu einem hervorstechenden Markenzeichen von The Jesus Lizard.

Mac selbst beschreibt das Rezept wie folgt: "Erst komponieren wir die Rhythmen, dann drehen wir sie komplett um und machen sie somit etwas unbehaglicher." Das Quartett vereint den vertrackten Noise-Rock im Stile Big Blacks mit Industrial-Elementen der Marke Ministry. Denisons stechende und sägende Gitarren treffen auf eine grundsolide und tonnenschwere Rhythmussektion, die mit der Präzision eines Neurochirurgen zu Werke geht.

Diese Lärmwalze peitscht unter der Begleitung von Stakkatosalven und der kreischenden Stimmbandkriminalität David Yows unerbittlich nach vorne. "Yows Gesang klingt wie ein Entführungsopfer bei dem Versuch, durch den mit Klebeband verbundenen Mund hindurch um Hilfe zu flehen", umschreibt Rockjournalist Michael Azerrad den einzigartigen Gesangsstil treffend.

Der Frontmann legt auf Platte wie auch bei den Live-Darbietungen stimmlich und körperlich ein Gebaren an den Tag, das man landläufig als psychopatisch charakterisert. Meist im Adamskostüm performend, malträtiert er neben seinem oralen Organ bevorzugt diverse andere Körperteile in den tiefer gelegenen Niederungen seines nicht gerade grazilen Bodys. Passend dazu kreist die Lyrik Yows vorwiegend um den Topos des Absurden. Er seziert die Abgründe der menschlichen Seele und erzählt auf abstrakte Art Geschichten über degenerierte Sexualität.

Zusammen mit Stamm-Tonmeister Albini entsteht 1990 das Debütalbum "Head", das wie schon die '89er EP und die nachfolgenden drei Longplayer "Goat" (1991), "Liar" (1992) und "Down" (1994) via Touch & Go veröffentlicht wird. Ihre Vorliebe für Four Letter Words bringt die Band auch bei der Wahl ihrer Albumtitel zum Ausdruck – bis auf die selbstbenannte EP bestehen alle aus vier Buchstaben.

1993 beschließt Nirvana-Sänger Kurt Cobain, dem Bekanntheitsgrad von The Jesus Lizard und seiner Glaubwürdigkeit als Undergroundkünstler etwas auf die Sprünge zu helfen. So erscheint der Lizard-Song "Puss" vom 92er Werk "Liar" zusammen mit dem raren Nirvana-Track "Oh, The Guilt" auf einer streng limitierten Splitsingle. Weltweit werden nur 100.000 Exemplare davon als CD und 7" in Umlauf gebracht.

1995 wechseln The Jesus Lizard zum Majorlabel Capitol Records und satteln im gleichen Jahr auch studiotechnisch um. Für den "Mainstream"- Erstling "Shot" kehren sie Albini den Rücken und setzen statt dessen auf die Fähigkeiten von Rage Against The Machine-Produzent "GGGarth" Richardson. Der Plattendeal macht sich kurz darauf bezahlt: neben der Platzierung des Songs "Panic In Cicero" auf dem Filmsoundtrack des Independent-Streifens "Clerks" folgen erste Festivalauftritte in Europa sowie ein Engagement bei der erfolgreichen Lollapalooza-Open Air-Tournee in den USA.

Der Ausstieg von Schlagzeuger Mac markiert 1997 den Anfang vom Ende der Band. Nachdem The Jesus Lizard 1998 zusammen mit Andy Gill von Gang Of Four an den Reglern ihr vorerst letztes Studioalbum "Blue" aufnehmen, spielen sie am 25. März 1999 auf einem Festival im schwedischen Umea auch ihr vorläufig letztes Konzert. Zum 1. Juli 1999 geben sie schließlich ihre Auflösung bekannt.

Während sich David Yow in der Folgezeit als Regisseur für Musikvideos (The Offspring) durchschlägt und die Band Qui ins Leben ruft, ist Gitarrist Duane Denison neben dem Denison/Kimball Trio in der Band Tomahawk aktiv. Zusammen mit Mike Patton (Ex-Faith No More), Buzz Osbourne (Melvins) und Drumtier John Stanier (Ex-Helmet) ist hier eine Formation am Start, die man ohne Übertreibung als Allstar-Bollwerk des Alternative-Rock bezeichnen kann.

Ende November 2008 verkündet Touch & Go die ebenso frohe wie unerwartete Botschaft, dass sich The Jesus Lizard 2009 für einige Konzerte im Original-Line-Up wieder vereinen. Am 9. und 10. Mai spielen sie auf Einladung der Kuratoren The Breeders auf dem renommierten All Tomorrow's Parties-Festival im englischen Minehead. Parallel dazu erscheinen im Mai 2009 die Alben "Head", "Goat", "Liar" und "Down" im CD- und LP-Format auf dem alten Heimatlabel. Steve Albini ist auch wieder mit an Bord und kümmert sich ums Remastering.

Alben

Surftipps

  • Fanpage

    Aktuelle News, Bilder, Videos & Interviews.

    http://www.thejesuslizard.net/
  • MySpace

    News und Songs.

    http://profile.myspace.com/index.cfm?fuseaction=user.viewprofile&friendid=40082984

Noch keine Kommentare