Porträt

laut.de-Biographie

K'Naan

"I'ma spit these verses because I feel annoyed / And I'm not going to quit until I fill the void / If I rhymed about home and got descriptive / I'd make 50 Cent look like Limp Bizkit."

K'Naan - Country, God Or The Girl
K'Naan Country, God Or The Girl
Life's a bitch - but I wanna meet her.
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Vermutlich stimmt das sogar. Die Frage "What's Hardcore?" kann K'Naan vermutlich ausführlicher beantworten als so mancher Rap-Kollege, der sein angebliches Gangstertum vor sich her trägt wie ein Demonstrant sein Transparent. Für harte Posen hat er, der seine Kindheit in einer der gefährlichsten Ecken dieses Planeten zugebracht hat, keine Verwendung. Für harte Worte dagegen wohl.

Kaynaan Warsame erblickt das Licht der Welt 1978 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Zu diesem Zeitpunkt erschüttern bereits seit über einem Jahr Unruhen das ostafrikanische Land. K'Naans Familie gehört zum Hawiye-Clan, der in Zentral- und Südsomalia und auch in Mogadischu die Mehrheit der Bevölkerung stellt. Vor den Schrecken des Bürgerkriegs bietet dieser Umstand jedoch keinen Schutz.

Wie viele Intellektuelle sieht sich K'Naans Vater genötigt, das Land zu verlassen. Er wandert nach New York City aus und findet Arbeit - als Taxifahrer. Immerhin ermöglicht ihm diese Tätigkeit, die zurückgelassene Frau und seine drei Kinder finanziell zu unterstützen. Da K'Naan das musikalische Talent der Familie geerbt zu haben scheint - seine Tante Magool zählt zu den bekanntesten Sängerinnen Ostafrikas - legt der Vater seinen Geld-Sendungen Platten für den jüngeren der beiden Söhne bei. Dieser kommt so in Kontakt mit Nas, Eric B. und Rakim.

Zwar sprechen weder K'Naan noch seine Freunde ein einziges Wort Englisch. Die Anziehungskraft, die Hip Hop ausübt, spürt man allerdings auch in dem Viertel von Mogadischu, dessen Name übersetzt in etwa "Fluss aus Blut" bedeutet. Im tobenden Irrsinn des Bürgerkriegs beginnt der inzwischen neunjährige K'Naan zu imitieren, was er auf den amerikanischen Rapplatten hört.

"Ich lernte ihren Rhythmus, ihre Ausdrucksweise, ihre Angewohnheiten, ihren Grimm", erinnert er sich. "Keins der Kids in meiner Nachbarschaft verstand Englisch, aber wir wussten, was Hip Hop war. Ich konnte einen Rakim-Vers, 'I came in the door, I said it before ...', rappen, wie er es tat. Bis ich herausfand, was 'door' bedeutet, vergingen sieben Jahre."

Zunächst lernt K'Naan einmal, was Gewalt bedeutet. Mit acht Jahren feuert er die erste Waffe ab, mit elf sprengt er mit einer gefundenen Granate versehentlich seine halbe Schule in die Luft. Im gleichen Jahr flieht er in den Straßen Mogadischus vor bewaffneten Kämpfern. Mit knapper Not kommt er davon, muss aber zusehen, wie seine drei besten Freunde erschossen werden.

"Gott hat mich bei so vielen Gelegenheiten beschützt. Als größte Gnade, die mir zuteil wurde, empfinde ich nicht, nicht erschossen worden zu sein, sondern, dass ich selbst niemanden erschossen habe. Das ist eine große Sache. Wenn du jemanden getötet hast, musst du diese Bürde tragen. Ich habe Glück gehabt. Ich habe Freunde, die töten mussten - und Familienmitglieder."

Die Zustände in Somalia spitzen sich zu. K'Naans Mutter bekommt es mit der Angst zu tun. Täglich pilgert sie zur US-Botschaft, um für sich und die Kinder Ausreise-Visa zu erhalten. Am Tag, bevor die diplomatische Vertretung wegen des 1991 in neuer Qualität ausbrechenden Krieges ihre Pforten schließt, hat ein Mitarbeiter ein Einsehen und stempelt ihre Papiere.

K'Naan besteigt mit seiner Mutter, seinem älteren Bruder und der kleinen Schwester die letzte zivile Maschine nach New York. Dort kommt die Familie für einige Monate bei Verwandten in Harlem unter. Später übersiedelt man mit Kind und Kegel nach Rexdale in der Nähe von Toronto, wo sich inzwischen eine große somalische Auswanderergemeinde angesiedelt hat.

Für K'Naan ändert sich Einiges. Nicht nur, dass er zum ersten Mal in seinem Leben Schuhe trägt; er lernt auch, die Worte, denen er seit Jahren verfallen ist, zu verstehen. Kaum, dass er ein paar Brocken Englisch gelernt hat, schreibt er die ersten eigenen Texte. Dabei kommt ihm ein anderes in der Familie vertretenes Talent zugute: Das Sprachgefühl hat er wohl vom Großvater, der in seiner Heimat ein gefeierter Dichter war.

"Wo ich herkomme, muss man seinem Namen gerecht werden. 'Warsame' bezeichnet jemanden, der die Worte des Friedens bringt. 'K'Naan' bedeutet 'Reisender'", erklärt K'Naan. Er hält die Zeit für reif, seinem Vornamen alle Ehre zu machen. In der zehnten Klasse bricht K'Naan die Schule ab und begibt sich auf Wanderschaft, wo er unterwegs die eine oder andere Open Mic-Session mitnimmt. Zwei Jahre lang zieht K'Naan durch die Welt und lebt in Washington, Minnesota und Ohio, in England und der Schweiz, bevor er nach Toronto zurückkehrt.

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Besonders seine Zeit in der Eidgenossenschaft hilft ihm, mit seinen Kriegserlebnissen fertig zu werden. "Jahre später ging ich durch so etwas wie posttraumatischen Stress", rekapituliert K'Naan im Gespräch mit der Berliner tageszeitung. "Ich hatte zwei Optionen: zu einem Arzt zu gehen und den Rest meines Lebens mit Medikamenten zu verbringen. Oder einen Weg zu finden, mit mir selbst wieder in Einklang zu kommen. Eine Freundin bot mir an, eine Zeit lang in ihrer Wohnung in Genf zu leben. Also ging ich nach Genf, wanderte um den See und ich heilte mich selbst, ohne Medikamente."

Beziehungen ermöglichen K'Naan 1999 erstmals einen Auftritt vor dem UN-Flüchtlingskommissar. Vor einer dessen Reden darf K'Naan zum Mikrofon greifen. In einer Spoken Word-Performance übt er harsche Kritik am Verhalten der Vereinten Nationen in der Somalia-Frage. Youssou N'Dour hört den wütenden jungen MC, zeigt sich von dessen Auftritt schwer beeindruckt und lädt ihn ein, an seinem Album "Building Bridges" (2001) mitzuwirken. Eine weltweite Tour schließt sich an.

In den Folgejahren tritt K'Naan noch mehrfach bei UN-Veranstaltungen auf, darunter 2001 beim 50. Geburtstag des Flüchtlingskommissars. Stets erhebt er dabei die Stimme, um auf die Zustände in seinem Heimatland hinzuweisen. Doch auch andere Großveranstaltungen zeigen Wirkung: beim Jazz-Festival in Montreal trifft er 2002 auf Jervis Church, der drei Jahre später K'Naans Debüt-Album "The Dusty Foot Philosopher" produzieren soll.

2005 überschlagen sich die Ereignisse. Gemeinsam mit Mos Def und Talib Kweli begibt sich K'Naan auf "BreedLove Odyssey"-Tour. Er nutzt die Gelegenheit, sein eigenes Album zu bewerben, das 2006 mit einem Juno-Award für die Rap-Aufnahme des Jahres ausgezeichnet wird. Daneben greift er diverse weitere Preise ab und teilt sich die Bühne mit den Dead Prez, Jean Grae, den Roots und Pharoahe Monch. Bei Bob Geldofs "Live 8"-Spektakel tritt er in Barrie/Ontario vor 35.000 Zuschauern auf.

2006 tingelt K'Naan zusammen mit Damian Marley im Rahmen dessen "Welcome To Jamrock"-Tournee durch Europa. Seit mehreren Jahren begleitet bereits sein Bongos spielender Partner Salan seine Live-Auftritte.

K'Naan, der sich selbst als Straßenpoet betrachtet, bezeichnet seinen Output unkompliziert als "urgent music with a message". "Im Zentrum stehen immer wieder seine Erfahrungen in Somalia, die selbst gewählte Aufgabe, aufmerksam zu machen auf die verzweifelte Situation seiner Heimat", schreibt die taz. "Als politisch sieht er seine Musik trotzdem nicht: 'Wenn jemand auf deinem Hals steht und du keine Luft mehr bekommst und dann verzweifelt schreist, dann ist das keine Politik sondern nur ein Hilferuf.'" Zudem erfüllt Musik für K'Naan einen therapeutischen Zweck: "Darüber zu schreiben und zu singen hilft mir, meine Vergangenheit zu verarbeiten."

Bei den ausgedehnten Touren entstehen diverse Live-Aufnahmen. Diese werden im Sommer 2007 auf dem Album "The Dusty Foot On The Road" zusammengestellt, das bei Wrasse Records erscheint. Mentor Mos Def hat hier in "My God" einen kurzen Feature-Auftritt. Trommeln und Gitarre, mehr Unterstützung benötigt K'Naans Stimme nicht. Zuweilen kommt er ganz ohne Begleitung aus. Von London über Amsterdam nach New York und Djibouti reichen die dokumentierten Stationen.

Somalischen Boden hat K'Naan seit seiner Flucht allerdings nicht mehr betreten. "Ich würde gern, aber ich darf nicht. Meine Mutter will das nicht. Niemand, der noch ganz bei Trost ist, sollte das momentan versuchen", so seine Einschätzung der Lage im Juli 2007.

Zwei Jahre später legt K'Naan "Troubadour" nach. Auch hier sind wieder alte Bekannte wie Mos Def, Damian Marley und Chali 2na mit von der Partie. Kollegen aus poppigeren (Adam Levine von Maroon 5) oder noch härteren (Metallicas Kirk Hammett) Gefilden erweitern das musikalische Spektrum von "Africa's Rap Bruce Lee" noch weiter.

Kritiker feiern K'Naans Musik als "gelungene Kombination aus den Werken Bob Marleys, zeitgenössischem amerikanischen Conscious-Hip Hop und kraftvoller Protest-Poesie". Seine Vorliebe für Fela Kuti und Bob Dylan bleibt nicht verborgen. Afrikanische treffen auf amerikanische Klänge, Reggae auf Rap: "Das ist wohl so, wenn man sein halbes Leben in Afrika verbringt und die andere Hälfte im Westen."

Interviews

Alben

K'Naan - Troubadour: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2009 Troubadour

Kritik von Dani Fromm

Mama Afrika grüßt aus wuchtigen Drums und Percussion. (0 Kommentare)

Surftipps

  • Offizielle Homepage

    Sehr ansprechend gestaltet, bietet neben Hörproben und Videos Geschichte, Philosophie und Dichtung.

    http://www.thedustyfoot.com
  • Wrassse Records

    Labelhomepage mit Infos zum Künstler-Katalog.

    http://www.wrasserecords.com
  • K'Naan bei MySpace

    Hören, anfreunden und kontaktieren, wie gewohnt.

    http://www.myspace.com/knaanmusic

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