Porträt

laut.de-Biographie

Dilated Peoples

Die Unkenrufe werden wohl niemals verstummen. Besonders Freunde der Old School werden nicht müde zu betonen: Um den amerikanischen Hip Hop steht es schlecht. Doch wo es Schatten gibt, muss auch ein Licht scheinen. Am Ende des Jahrtausends werden zwischen denen, die gemeinhin als die Retter des Genres gehandelt werden, neben den Jurassic 5, Tha Liks, Defari oder Ugly Duckling auch immer wieder die Dilated Peoples genannt.

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Produzent und MC Evidence, Rapper Rakaa Iriscience und DJ Babu aus dem sonnigen Kalifornien verzichten auf verstaubte G-Funk-Klischees. Statt dessen werfen sie frische Beats und Raps in die Runde und klingen dabei mehr nach East Coast als so mancher Act aus New York, obwohl das Trio dem Underground Los Angeles' entstammt. Abseits von Dr. Dre, Snoop Dogg und Konsorten bildete sich dort eine Hip Hop-Szene heraus, die die besten Eigenschaften beider Küsten in sich vereint: Das lockere Lebensgefühl des Westens trifft auf die typischerweise deepen Beats aus dem Osten.

Zu einer Zeit, als die verschiedenen Disziplinen der Hip Hop-Kultur noch enger verwoben waren, sammelt Iriscience als Mitglied der Graffiti-Crew C2D erste Szene-Erfahrungen. Auch Evidence stößt über das Writing zur Community. (Noch Jahre später beweisen Tags der beiden im Clip zu "Third Degree", dass alte Liebe niemals rostet.) Bei einer Freestyle-Session im Hip Hop-Shop trifft man 1992 auf Beat Junkies-DJ Babu. Mit ersten gemeinsamen Aufnahmen legen sie den Grundstein zu einer Fanbase, die die Grenzen ihrer Heimatstadt bald sprengen soll.

Zwei Jahre währen die Arbeiten an "Imagery, Battle Hymns & Political Poetry", veröffentlicht wird das Album nie. Der eigentliche Erstschlag der Crew ist lediglich als Download im Internet verfügbar. Dennoch lässt der Plattendeal nicht allzu lange auf sich warten: Immortal Records nimmt die drei unter Vertrag. Außer dem Song "End Of The Time", der auf der Immortal-Compilation "Next Chapter" erscheint, bleibt diese Partnerschaft jedoch fruchtlos.

Das Blatt wendet sich erst mit dem Wechsel zu Defaris ABB Records: Das Independent-Label mit Sitz in Oakland erweist sich für die Dilated Peoples als wahrer Glücksgriff: Plötzlich veröffentlichen sie Singles am laufenden Band. Mit "Work The Angles" landen sie 1998 einen Untergrund-Hit, der gerade in Europa massive Beachtung erfährt. Es folgen Gastauftritte bei den Swollen Members, High & Mighty, The Alchemist und zahlreichen anderen. Nur ein Jahr später dann der Wechsel zum Major.

Der Vertrag mit Capitol Records gestattet den Dilated Peoples, ihre Vinylsingles weiterhin über den lieb gewonnenen Partner ABB zu vertreiben. Mitte 2000, mehr als acht Jahre nach ihrer Gründung, steht mit "The Platform" endlich ein Longplayer in den Plattenläden. Die lange Reifezeit tönt aus jeder Note: Straighte Beats, gekonnt gewählte Soul-Samples, Funk-Grooves im Stil der 70er Jahre, Jazz-Bläser und Babus irre Scratches verleihen dem Album umgehend den Status eines Klassikers. Auch die Gäste sind nicht von schlechten Eltern: Am Mikrofon stehen Erick Sermon, The Alchemist, B-Real, Everlast, Tha Liks, Defari und Aceyalone ihren Mann.

"The Platform" zieht weite Kreise. Evidence produziert plötzlich für Rasco, Aceyalone, Defari, Xzibit sowie Redman, Iri kommt auf der "Troubleshooter"-LP der Funkdoobiest zu Wort. Die Dilated Peoples steuern jeweils einen Song zu "DJ Muggs Presents Soul Assassins II" und "Lyricist Lounge II" bei. Danach begeben sie sich auf eine längst fällige und entsprechend umjubelte Europatour.

Das Jahr 2001 beginnt mit ordentlich Ärger. Evidence stellt sich im Kampf der weißen Rap-Gockel hinter Everlast und produziert für den ehemaligen Frontmann von House Of Pain sogar einen Diss-Track. Dafür bekommt er von Eminem verbal ordentlich eine eingeschenkt. Evidence revanchiert sich mit seinem Solo-Track "Searching For Bobby Fisher", in dem er Mr. Mathers auch nicht gerade zimperlich anfasst. Beide Parteien erweisen sich letztlich aber als doch dem Sandkastenalter entwachsen, zeigen Größe und schließen Waffenstillstand.

Die Dilated Peoples haben schließlich anderes zu tun. Das zweite Album "Expansion Team" liegt bereits fertig vor, als die Terroranschläge vom 11. September die Welt erschüttern. Album-Cover und Video-Clip zu "Worst Comes To Worst" (der Singleauskopplung, die sich eines zauberhaften Samples aus William Bells nicht weniger zauberhaften "I Forgot To Be Your Lover" bedient) werden zurückgezogen. Abbildungen von Zielscheiben im Zusammenhang mit dem World Trade Center erscheinen in Zeiten wie diesen wenig angebracht.

Capitol Records veröffentlicht den Longplayer, der die Position der Dilated Peoples maßgeblich festigen soll, trotz aller Widrigkeiten noch im Oktober. Beteiligt sind neben den alten Weggefährten The Alchemist und Tha Liks The Roots' ?uestlove und Black Thought, Da Beatminerz, Guru und DJ Premier sowie Beat Junkie Rhettmatic. "Expansion Team" steigt auf Platz 36 in die Billboard Charts ein, in den Hip Hop- und R'n'B-Charts klettert es bis auf Platz 8. Im Herbst 2001 stellen die Dilated Peoples ihre Live-Qualitäten unter anderem als Special Guests von Linkin Park unter Beweis.

Danach herrscht einige Jahre relative Stille um die Crew. Mit Ausnahme DJ Babus, der mit seinem Alleingang "Duck Seazon" in Erscheinung tritt, bleibt es weitgehend ruhig. Es wird April 2004, bis sie mit "Neighborhood Watch" ein weiteres Album vorlegen. "I don't train for sprints / I train for marathon", heißt es da, und wie beim Marathon gewinnt der, der den lägsten Atem beweist. Der landet mit "This Way" unter Beteiligung Kanye Wests eine echte Mitklatsch-Hymne. Insgesamt erweisen sich die Reaktionen auf das lange erwartete Werk aber als eher zurückhaltend.

Erst mit Album Nummer vier knüpfen die Dilated Peoples an alte Zeiten an, auch wenn "20/20" die selbst mit "The Platform" und "Expansion Team" extrem hoch gelegte Latte nicht mehr überspringt. "Back Again" wird als Vorab-Single ausgekoppelt, den Beat lieferte mit The Alchemist ein alter Bekannter. Unter den Gästen findet sich neben Defari und Talib Kweli auch Capleton, der mit "Firepower" zum Höhepunkt des Albums beiträgt. Was die Freude über ein qualitativ hochwertiges Album überwiegt, ist der Fakt, dass die Dilated Peoples mit "20/20" ihren Vertrag bei Capitol Records erfüllt haben und endlich die durchwachsene Beziehung zum Majorlabel beenden.

Ihre neu gewonnene Freiheit feiern sie mit der Veröffentlichung ihrer DVD "The Release Party", die die Geschichte des Trios detailreich erzählt. Den musikalischen Befreiungsschlag macht Evidence bereits einige Monate zuvor auf seinem Solo-Album "The Weatherman", das wie zum Karrierebeginn auf dem Indielabel ABB Records erscheint.

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