Porträt

laut.de-Biographie

New York Dolls

Ihr Name allein trägt schon New York und Puppen im Titel, steht aber genauso für dreckigen Rock'n'Roll im Popsong-Format, androgyne Anarchie, Revoluzzertum in Strumpfhosen, Bühnenekstase in High Heels, exzessive Groupiegelage und Drogenexzesse mit Todesfolge. Der legendären Glamrock-Band New York Dolls, obwohl zeitweise in der Obhut vom späteren Sex Pistols-Provokateur Malcom McLaren, sind zwar nur gute drei Jahre im Rampenlicht beschieden, sie sichert sich aber einige Zeit nach ihrer Auflösung ein unübersehbares Plätzchen in den Annalen des Rock, alleine schon des Einflusses wegen, den die Band auf die Jahre später stattfindende Punk-Bewegung ausübt. "Wir waren die Typen an der Spitze und ganz kurz vorm Ziel, doch dann fielen wir hin und brachen uns die Beine", erinnert sich Sänger David Johansen 30 Jahre später.

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"Also machten eben die anderen die Kohle, Kiss, Aerosmith, Blondie, Talking Heads, The Clash und die The Sex Pistols. Wir haben damals halt keine Platten, sondern Einfluss verkauft, was nunmal wenig Kohle einbringt", beschließt Johansen seine Erinnerungen. Heute gilt das Debütalbum "New York Dolls" mit dem berühmten, in rosa Lippenstift-Farbe verewigten Dolls-Schriftzug samt den darauf befindlichen Szenehits "Personality Crisis", "Jet Boy" und "Subway Train" ebenso als Klassiker wie "Fun House" von den Stooges oder "Kick Out The Jams" der MC5. "Die New York Dolls, das ist Halloween, 365 Tage im Jahr", hob Gitarrist Syl Sylvain, der im Februar 1972 Rick Rivets am Sechssaiter ablöst, treffend den Spaßfaktor seiner Truppe heraus.

Dass die Band dennoch über den Status einer Fußnote des Glamrock hinaus kommt, verdankt sie nicht ihren durchweg extravaganten Bühnenoutfits, sondern den Songs, die in ihren besten Momenten dem Bösewicht Rock'n'Roll den Dolch mit einer Wucht ins Herz rammten, dass dem Publikum der Atem stockte. Während die Stooges dem Drang zum ausufernden Krawall meist erlagen, platzieren die Dolls ihre Heavy Metal-Riffs in knackige 3-Minuten-Songs, die dabei aber keinerlei Berührungsängste mit harmonischen 60s Girl Pop-Anleihen zeitigen, was wiederum die Ramones nachhaltig beeindruckt haben dürfte.

Die Rasselbande trifft sich 1971 auf Geheiß von Arthur "Killer" Kane und Rick Rivets, nachdem alle Mitglieder ihre Skills bereits in anderen Bands antrainieren. Die Gitarren bedienen Rivets und Johnny Thunders (*15.07.52), Kane spielt Bass, Billy Murcia (*1951) sitzt am Schlagzeug und David Johansen (*09.01.50) ist Sänger, Harp-Spieler, Fixpunkt und Frauenschwarm in einer Person, was dank seiner jaggeresken Mimik kein allzu großes Problem darstellt. Doch erst als Sylvain für Rivets einsteigt, finden die New York Dolls ihren Konzert-Rhythmus in Lower Manhattan. Ihr CBGB's ist das Mercer Arts Center, ein Teil des Broadway Central Hotelgebäudes mit mehreren Räumen zur Abendgestaltung und einer gemeinsamen Bar, an der sich alle Besucher treffen. Auch Freakläden wie Max's Kansas City, durch Velvet Underground zu Ruhm gelangt, reißen sich bald um die neuen Paradiesvögel.

Es dauert nicht lange, bis das Publikum die Kunde der energetischen Dolls-Liveshows aus dem Mercer Arts Center in die Straßen des Big Apple hinaus trägt. Und auch die Kunde ihrer Outfits: So betritt Sänger Johansen gerne als Greta Garbo verkleidet die Bühne, hängt sich aber auch mal dicke Kreuzketten um wie der Dunkelfürst in spe, Ozzy Osbourne. Solcherlei bewusst gesetzte Tabubrüche sorgen für anbetungswürdige Faszination jenseits der Bühne. Parallel dazu werden erste Vergleiche mit den Rolling Stones und den Yardbirds laut.

Ähnlich den genannten 60s-Rockheroen integrieren auch die Dolls ein paar Coverversionen in ihr Liveset, etwa von Chuck Berry oder Muddy Waters' "(I'm Your) Hoochie Koochie Man", die aber nur das Sahnehäubchen auf dem Dolls-Kompositionskuchen darstellen. Dass die Plattenfirmen dieses gewinnversprechende Phänomen lieber aus sicherer Distanz betrachten, ist der komplett anarchischen Gesamtausstrahlung der Truppe geschuldet. Dennoch gelingt es den Dolls, nur knapp fünf Monate nach Bandgründung in einem New Yorker Studio erste Demos aufzunehmen, die später unter dem Titel "The Mercer Street Sessions" in Umlauf geraten. Mit dabei: "Frankenstein", "Jet Boy" und natürlich "Personality Crisis".

Kurz darauf bricht die Band zu einer England-Tournee mit Rod Stewart auf, von der jedoch nicht alle Mitglieder heimkehren: der gerade erst 21-jährige Drummer Billy Murcia stirbt im November 1972 in London, als er nach Alkohol- und Drogengenuss kläglich in der Badewanne ertrinkt. Als Ersatz kommt Jerry Nolan zu den Dolls und nun sollte der Trubel erst richtig losgehen. Dolls-Liveshows besitzen zu dieser Zeit längst den Status von Freak Out-Happenings: Ihre männlichen Fans erscheinen in metro- bis transsexueller Garderobe und die Heerscharen weiblicher Verehrer schneiden sich ihre Röcke von Woche zu Woche kürzer.

Mercury Records zeigt sich schließlich interessiert am New Yorker Puppenrock und bietet der Band einen Vertrag an. Heraus kommt das epochale Debüt "New York Dolls", das Todd Rundgren, der auf Dolls-Konzerten gerne mal komplett in pink (plus Schminke!) einläuft, produziert. Doch als das Album im Sommer 1973 in die Läden kommt, bleibt es trotz überwiegend positiver Beurteilung der Musikkritik ein Ladenhüter. Mehr als Platz 116 der US-Charts ist nicht drin. Das Folgealbum "Too Much Too Soon" ereilt im Sommer 1974 ein ähnliches Schicksal, mit Platz 167 schneidet es sogar noch ganze 50 Plätze schlechter ab.

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Obwohl Dolls-Konzerte nach wie vor viele Zuschauer anlocken, will sich der Bühnenzauber nicht auf die Albumverkäufe niederschlagen. Mercury hat bald genug und kündigt dem Quintett noch im selben Jahr. Nun tritt Malcolm McLaren auf den Plan. Er kennt die Dolls, seit sie zwei Jahre zuvor in seinen Londoner Modeladen "Sex" einmarschierten, um absurde Bühnenoutfits abzugreifen. McLaren bietet der mittlerweile desillusionierten Band, die zudem ein handfestes Drogenproblem zu bewältigen hat, seine Dienste als Manager an. Die Dolls sagen zu.

McLaren setzt auf die Kraft der Provokation, steckt die Band in rote Lederkostüme und lässt sie vor überdimensionalen russischen Flaggen auftreten. Im kommunistenfeindlichen Amerika der kommerzielle Todesstoß. Doch besonders die Drogenexzesse der Herren Nolan und Thunders setzen der Bandchemie übel zu. Im Sommer 1975 verlassen beide die Band und gründen mit Richard Hell (später Television) The Heartbreakers, zu deren größten Hits "Born To Lose" und "Chinese Rocks" zählen.

Johansen und Sylvain feuern anschließend zwar auch ihren Manager, doch das Ende der New York Dolls ist nicht mehr aufzuhalten. Zwei Jahre spielen die beiden noch mit verschiedenen Musikern unter dem bekannten Banner, bevor die New York Dolls 1977 Geschichte sind. In den 80er Jahren singt Johansen zeitweise unter dem Pseudonym Buster Poindexter und tritt 1985 in einer Folge der TV-Serie "Miami Vice" als Sänger auf. Syl Sylvain beginnt eine ähnlich erfolglose Solokarriere wie Johansen. Von den Dolls spricht man erst wieder, als Heartbreakers-Gitarrist Johnny Thunders am 23. April 1991 wie zuvor sein Ex-Kollege Billy Murcia an einer Überdosis Heroin stirbt. Der 40-jährige Jerry Nolan, der noch an einem Tribute-Konzert für Thunders teilnimmt, stirbt Ende desselben Jahres an den Folgen eines Schlaganfalls.

2004 liegt es ausgerechnet am britischen Romancier Morrissey, den inzwischen hochangesehenen, noch lebenden Ur-Punks einen neuen Karriereschub zu versetzen. Morrissey, der stets behauptete, in seiner Jugend Präsident des englischen New York Dolls-Fanclubs gewesen zu sein, lädt Johansen, Sylvain und Kane auf das von ihm kuratierte Meltdown Festival in London ein, wo sie mit Hilfe von Libertines-Drummer Gary Powell, Gitarrist Steve Conte und Keyboarder Brian Koonin zwei engagierte Auftritte hinlegen. Izzy Stradlin hatte in letzter Minute abgesagt, die Dolls-Gitarre zu spielen. Die beiden Auftritte erscheinen in einem Zusammenschnitt auf der DVD "Morrissey Presents: The Return Of The New York Dolls. Live At The Royal Festival Hall".

Den New York Dolls-Mythos füttert die tragische Tatsache, dass Bassist Arthur "Killer" Kane wenige Wochen nach der umjubelten Reunion im Alter von 55 Jahren an Leukämie stirbt. Dennoch nimmt die Band ihre übrigen Live-Verpflichtungen in Japan, Europa und Amerika wahr. 2006 schließlich hört man, die Band plane tatsächlich ein neues Studioalbum bei Roadrunner Records, ihr erstes seit 1974. Für Kane steht nun Sami Yaffa (Hanoi Rocks) am Bass, an den Drums sitzt Brian Delaney. Als Produzent heuert Sänger Johansen wieder Jack Douglas an, der schon das Dolls-Debüt, aber auch alte Aerosmith- und John Lennon-Platten veredelt hat.

Außerdem ist schwere Starbesetzung im Anmarsch: Iggy Pop, Michael Stipe (R.E.M.) und Bo Diddley schauen im Dolls-Studio vorbei. Das Comeback-Werk namens "One Day It Will Please Us To Remember Even This" ist jedoch, ähnlich dem Stooges-Versöhnungsalbum "The Weirdness" von 2007, nur eine Fußnote der Musikgeschichte beschieden.

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