Porträt

laut.de-Biographie

Wayne Wonder

Als 2002 seine Single "No Letting Go" für den weltweiten Durchbruch sorgt, ist Wayne Wonder bereits sein halbes Leben im Geschäft. In seiner Heimat auf Jamaika erarbeitet er sich einen Ruf als Reggae- und Dancehall-Künstler, bevor er mehr und mehr auch Hip Hop, Rap und vor allem R'n'B in seine Musik einfließen lässt.

Wayne Wonder - No Holding Back Aktuelles Album
Wayne Wonder No Holding Back
Klingt wie die Dancehall-Version eines Sting/Craig David-Duos.

Von Wayne Charles erblickt am 26. Juli 1972 in Portland das Licht der Welt. Schon bald zieht die Familie allerdings um und lebt fortan im Osten der Hauptstadt Kingston. Den Spitznamen 'Wonder' fängt sich Von Wayne bereits in zartem Alter ein: Freunde fragen sich häufig, was wohl im Kopf des meist in sich gekehrten Knaben vor sich gehen mag.

Der Gesang begleitet Wayne Wonder von Kindesbeinen an. Seine Mutter singt im Chor der Galilee Gospel Church und nimmt ihren Sohn mit, kaum, dass er alt genug ist. Zudem beeindrucken ihn die wöchentlich stattfindenden Reggae- und R'n'B-Partys in seiner Nachbarschaft, bei denen vorwiegend älteres Material auf den Plattenteller kommt: Wayne eignet sich hier eine ausgesprochen soulige Herangehensweise an den Reggae an. Neben dem allgegenwärtigen Bob Marley nennt er unter anderem Mahalia Jackson sein Vorbild.

Er singt, wo er geht und steht: in Schule und Sonntagsschule, in der Kirche, zu Hause oder für Freunde. Überall stößt er auf positive Resonanz und Ermunterungen, sein Hobby zum Beruf zu machen. Mit 13 Jahren schreibt er erste Songs und tritt jede Woche bei einer Veranstaltung in Allman Town auf. Bei einem Vorsingen beim Label Sonic Sounds hinterlässt er bei Sly Dunbar zwar einen exzellenten Eindruck, ein Vertrag kommt dennoch nicht zustande.

Den ersten Wendepunkt in Waynes noch jungem Leben bildet das Zusammentreffen mit King Tubby, dem legendären Begründer des Dub. Der erfahrene Produzent erkennt das schlummernde Potenzial und nimmt 1985 Wayne Wonders erste Single "Long And Lasting Love" auf. Neben etlichen Original-Titeln singt Wayne unter Tubbys Regie mehrere Coverversionen populärer Songs, darunter Rick Astleys "Never Gonna Give You Up", ein.

Im Februar 1989 kommt King Tubby bei einer Schießerei ums Leben. Der gewaltsame Tod seines Mentors versetzt Wayne Wonder einen schweren Schlag. "Eines Morgens lag ich im Bett und hörte, dass sie ihn auf offener Straße erschossen haben", erinnert er sich. "Ich war außer mir. Er war der erste Produzent, der mir etwas zugetraut und beschlossen hat, mit mir zu arbeiten."

In der Folge entstehen in Kooperation mit verschiedenen Produzenten einige weitere Singles. Für sein Label Pickout nimmt Lloyd Dennis mit Wayne "It's Over Now" auf, die erste Nummer, die in den Dancehalls rauf und runter gespielt wird. Ebenfalls in dieser Phase entstehen zahlreiche Coverversionen.

Diese aus kommerziellen Erwägungen heraus entstandene Praxis geht Wayne mehr und mehr gegen den Strich: "Anfangs hat mich das ungeheuer frustriert. Du bringst deine eigenen Songs ins Studio, und dort wollen sie sie sich noch nicht einmal anhören. Sie verwenden keinerlei Zeit auf deine Kreativität oder darauf, was du zu erschaffen versuchst!"

Das Blatt wendet sich erneut, als Wayne Wonder seinem alten Schulfreund Dave Kelly über den Weg läuft. Der hat sich inzwischen einen Namen als Toningenieur bei Penthouse gemacht, dem Label, das den Löwenanteil der Dancehall-Hits der ausgehenden 80er und beginnenden 90er Jahre zu verantworten hat.

Gemeinsam produzieren Wayne und Dave eine Reihe erfolgreicher Tunes, darunter "I'm Only Human", "Baby, You And I", "The Saddest Day", "Live And Learn" oder "Talk About It". Auch die ungeliebten Cover-Songs bleiben nicht aus: Wayne Wonder interpretiert Tracy Chapmans "Fast Car", "Die Without You" von PM Dawn und En Vogues "Hold On". Die Nummer, die Wayne Wonder 1991 zu größerer Bekanntheit verhilft, stammt ebenfalls nicht von ihm selbst: Sein "Movie Star" basiert auf dem Hit "I Don't Know Why" von Delroy Wilson.

Gemeinsam mit Buju Banton, den Wayne Wonder zu Penthouse Records bringt, nimmt er "Movie Star" in Kombination mit "Bonafide Love" als Duett auf und landet einen Erfolg. Zahlreiche der frühen Hits von Buju Banton, darunter "Murderer", "Deportee" oder das später (2019) von Bujus Management selbst indizierte "Boom Bye Bye", entstammen der Feder Wayne Wonders. Gemeinsam gehen die beiden auf Tour.

Als Buju Banton einen Deal bei Mercury Records unterschreibt, bedeutet das für den zurück gelassenen Wayne Wonder einen neuerlichen herben Rückschlag. Wieder einmal bringt der alte Kumpel Dave Kelly die Rettung: Er hat mittlerweile seine eigenen Labels Xtra Large und Madhouse am Start. Für Madhouse produzieren die beiden von Mitte bis Ende der 90er zahlreiche Hits (u. a. "Joyride", "Keep Them Coming" und "Bashment Gal").

Gemeinsam gründen sie zudem die Band Alias, in der alle Musiker unter Pseudonymen aktiv sind. Wayne legt sich das Alter Ego Surprize zu, das ihm künftig gestattet, Dinge auf unterschiedliche Art und Weise anzupacken und verkündet öffentlich, ab sofort nur noch eigene Lieder zu singen. "Wie soll ich stolz auf meine Leistung sein, wenn ich auf der Bühne stehe und Songs anderer Künstler singe?"

Im Rahmen eines weiteren Bandprojekts, Entourage, betätigt sich Wayne Wonder neben seinen Aufgaben als Sänger und Songwriter erstmals auch als Live-Instrumentalist. Die Gründung des eigenen Labels Singso erfolgt 2000. Mit den beiden Alben "Da Vibe" und "Schizophrenic" (passend zum Titel tritt hier neben Wayne Wonder Surprize in Erscheinung) sichern ihm einen festen Platz im jamaikanischen Musikgeschehen und erfreuen sich quer durch die Karibik reichlich Aufmerksamkeit seitens der Radiostationen.

2001 legt er zusammen mit Foxy Brown für deren Album "Broken Silence" seine alte Nummer "The Saddest Day" frisch auf. Der Welterfolg kommt in Gestalt seines ersten Nummer-1-Hits allerdings erst ein Jahr später: "No Letting Go" auf Steven Lenky Marsdens überaus populärem Diwali-Riddim schlägt wie eine Bombe ein. Auch andere reiten auf demselben Riddim nach ganz oben, so Lumidee mit "Never Leave You".

Ein Vertrag mit Atlantic Records öffnet Wayne Wonder die Pforten zum amerikanischen Markt. Er zieht in die USA und beschäftigt sich dort intensiv mit der geschäftlichen Seite des Musik-Business'. Die Mühe zahlt sich aus. Sein Album "No Holding Back", das 2003 mit reichlich prominenter Schützenhilfe (darunter Tony Kelly, Sly Dunbar und Elephant Man) erscheint, erntet zwar keine überragend positiven Kritiken, verkauft sich jedoch bestens und kassiert neben etlichen anderen Preisen sogar eine Grammy-Nominierung für das beste Reggae-Album des Jahres.

Mit seiner Combo Entourage begibt sich Wayne Wonder in den Jahren 2004 und 2005 auf Welttournee. Sie bereisen die Karibik, Nordamerika, Europa, Asien und Afrika. Der nächste größere Hit "I Still Believe" von 2006 bedient sich Don Corleons Seasons-Riddim und findet sich auf dem Album "Foreva" wieder, das im September 2007 über VP Records erscheint.

Mehrere Tracks wie "Again", "The Way You Love Me", "God Bless You Baby" und "Take It Off" warten mit stimmungsvollem R'n'B-Dancehall auf, fusionieren digitalen Dancehall der 80er und R'n'B der 90er mit der Aufnahmetechnik der 2000er. "Ich möchte einfach gute Songs schreiben", bringt Wayne Wonder seine Intention auf den Punkt. "Ich behalte die Bedürfnisse des Mainstreams im Auge, reichere sie aber um meinen eigenen kreativen Flow an, weil ich will, dass die Leute wissen: Wayne Wonder kennt keine Grenzen. Wenn ich ein Album fertig habe, gehe ich auf Tour."

Die Idee ist gut, doch was, wenn er keine Alben mehr fertig hat? Tatsächlich taucht der Künstler nach und nach ab. Als letzter Hit lässt sich "Bounce Along" aus dem "Foreva"-Album verzeichnen. Ein (selbst-produziertes) Album erscheint zwar noch 2012, "My Way". Es enthält viele Verliebtheits-Lieder, einen mit Shaggy als Gast. Einen Vertrieb ringsherum gibt es jedoch nicht. Physisch ist es nach geringer Auflage rasch vergriffen, digital gelangt es in keinen einzigen Streaming-Service. Anstoß zu einer Tour im Sommer 2013 ist das Album aber; das Booking läuft direkt über den Warner-Konzern. Zuletzt sichtet man den Künstler am bayerischen Chiemsee und in Koblenz.

Wayne lässt insgesamt viel Zeit verstreichen, verpasst den Anschluss an die digitale Ära weitgehend und ist in den 2010er Jahren online fast unauffindbar. Seine Homepage lässt er abschalten, verzichtet auf die Domain waynewonder.com, über die sich jetzt andere freuen. Einen Soundcloud-Account richtet er sich nicht ein. Verlinkt er etwas via Twitter, landet man als User schnell auf '404 - Seite nicht gefunden'. Auf Facebook liefert er mit seltenen Handy-Videos ab und an Lebenszeichen. Ende 2019 listet ihn immerhin ein englisches Ein-Tages-Festival als Headliner.

Dass der Künstler noch einmal kämpfen will, dafür gibt es kaum Anzeichen. Seine einzige Single nach jahrelanger Pause heißt 2019 großspurig "I Am A King". Andererseits: So gut wie in diesem sehr klassisch gestalteten Rocksteady-Liebes-Tune hat schon jahrzehntelang kein Jamaikaner den Ursprungs-Flair des frühen Reggae getroffen. Und: Wonders Intonation übertrifft immer noch die allermeisten seines Fachs.

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