Porträt

laut.de-Biographie

The Herbaliser

Das Londoner Label Ninja Tune führt ein dezentes Nischendasein und versorgt die Welt mit außergewöhnlicher Musik. Dabei bewegt sich der Trademark-Sound (den es eigentlich gar nicht gibt - so innovativ sind die Briten) zwischen den Genregrenzen von Jazz, Hip Hop, Electro und/oder Trip Hop und steht im Großen und Ganzen für eins: Genre-Tellerränder ignorieren.

The Herbaliser - Herbal Tonic
The Herbaliser Herbal Tonic
Von der Couch bis zur Tanzfläche: Ninja Tune rechnet ab.
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Aus dem großen Künstlerpool des Labels von Matt Black und Jonathan More (Coldcut) sticht ein Duo heraus, das die Ninja Tune'sche Extravaganz den oft engstirnigen Hip Hop-Heads näher bringt: The Herbaliser.

Jake Wherry und Ollie Teeba lernen sich Anfang der Neunziger auf einem Londoner College kennen. Starkes Interesse an Musik bringen beide mit, jedoch unterscheiden sich ihre Herangehensweisen.

Ollie, seines Zeichens DJ und Vinyl-Junkie, hat sich auf Hip Hop eingeschossen, während sich Jake weitläufiger orientiert. Von alten Jazzplatten über Rare Grooves-Scheiben bis hin zu Old School-Klassikern findet bei ihm alles statt.

Zusätzlich versucht sich Jake als Gitarren- und Bassspieler in verschiedenen Bands - mal eher in die Jazz-, dann wieder in die Funk- oder sogar in die Rock-Richtung gehend.

Wherry, der musikalisch versiertere Part des Duos, legt sich bereits während seiner Collegezeit genügend Equipment zu, um sein eigenes Studio mit dem Namen Traintrax aus der Taufe zu heben. Was die zwei Musikbegeisterten und der Rest der Welt noch nicht wissen: In den folgenden Jahren werden bahnbrechende Werke diese Räume verlassen.

Ihren speziellen Produktionsstil eignen sich Teeba und Wherry aufgrund eines Mankos an: In ihrem Bekanntenkreis bewegen sich wenige bis gar keine Rapper. Deswegen legen die beiden von Beginn an ihren Fokus auf vielschichtige, aussagekräftige, vor allem musikalisch hochwertige Instrumentals, die auch ohne Rap funktionieren.

Über einen Bekannten erreicht ein Demotape schließlich Ninja Tune. Das Label ist schon seit 1990 für seine eigenständigen Künstler und deren Sound über die Stadtgrenzen Londons hinaus bekannt. Teeba und Wherry zögern keine Sekunde, als ihnen Ninja Tune eine Zusammenarbeit anbietet.

1995 debütieren The Herbaliser mit "Remedies" und schustern ein Album aus den verschiedensten Zutaten zusammen: Jazz, Electro, Easy Listening, Funk ... Das alles hält ein frisches Hip Hop-Gerüst zusammen. Des Duos Liebe zur Verwurstung von Samples ist nicht zu überhören. Kritiker erkennen einen unverkennbaren Stil und zeigen sich davon überzeugt: Derartiges kann nur aus England kommen.

Mit dem Erfolg des ersten Albums geht vor allem ein Mangelzustand verloren: Plötzlich tummeln sich die Rapper im Umfeld der beiden Produzenten. Die New Yorkerin Jean Grae avanciert zum Lieblingsgast auf den folgenden Platten, Roots Manuva gibt bereits vor seinem Durchbruch ein Gastspiel. Und auch MF Doom, Rakaa Iriscience von den Dilated Peoples, Blade und Wildflower lassen sich später für die Aufnahmen zu "Something Wicked This Way Comes" (2002) nicht lumpen.

Bereits zuvor stellen sie The Herbaliser Band zusammen, mit der sie ab Ende der 1990er regelmäßig um die Welt touren: Mickey Moody sitzt an den Drums, Kaidi Tatham haut in die Keyboardtasten, Oliver Parfitt bedient Hammondorgel und Wurlitzer, Andrew Ross und Chris Bowden sind als Bläser für Saxofon und Flöte zuständig, Ralph Lamb bläst in Flügelhorn und Trompete, Matt Coleman in die Posaune.

Schließlich steht DJ Ollie Teeba hinter den Plattenspielern, Jake Wherry zupft die Bassgitarre. Die unkonventionelle Art des "Instrumental Hip Hops" gefällt und macht The Herbaliser weit über die Rapgrenzen hinaus als exzellente Liveband bekannt.

Doch das Studio bleibt das Lieblingsplätzchen der beiden Arbeitstiere. Dort entstehen schließlich zahlreiche außergewöhnliche Projekte, wie die Vertonung eines englischen Handywerbespots für Motorola, die Filmmusik zu Guy Ritchies Gaunerkomödie "Snatch" und ein Track für das Computerspiel "Tony Hawks Underground".

Zusätzlich beauftragt sie gar der amerikanische Fernsehsender ESPN für die Eröffnungsmelodie der überaus erfolgreichen Footballshow "Sunday Night Football" - nicht schlecht für ein englisches Hip Hop-Produzentenduo.

Ihrem musikalischen Stil bleiben sie treu, der Produktionsstil indes ändert sich mit der Zeit. Die überwältigende Ressonanz auf ihre Konzerte überzeugt Teeba und Wherry, fortan live eingespielte Platten zu produzieren. "Session One" ist noch eine neu eingespielte Zusammenstellung vergangener Titel, "Take London" hingegen ist ihr erstes eigenständiges Studioalbum mit Live-Instrumentierung.

Kurzweilig beschäftigt "Take London" sogar die Feuilletonisten der englischen Presse. Der Grund: Sie stoßen sich angesichts der aktuellen Terroranschläge auf die Londoner U-Bahn an den Einführungsworten: "We take London next."

Es ist die letzte Scheibe für die Plattenschmiede aus London, mit "Same As It Never Was" wechseln die Engländer nach Berlin zu !K7. Fünf Jahre später verneigen sich die Ninjas und veröffentlichen mit "Herbal Tonic" eine erste Best Of.

Bis auf die Plattenfirma hat sich jedoch nicht viel geändert. Tief graben sich die Wurzeln der Instrumentals, die die Bezeichnung "Beats" nur unzureichend charakterisiert, auch in Berlin in den fruchtbaren Boden von Soul und Funk, ehe sie schillernde Blüten aktuellen Hip Hops treiben.

Vielschichtige, clever komponierte und arrangierte Instrumental-Tracks gehören mittlerweile zur guten alten Herbaliser-Tradtion. Gerne mit Band statt Sampler, doch immer die Club-Tanzfläche im Sinn, wie sie anlässlich der "Session Two" erklären: "Wir wollten das Ganze nicht nach einer hundertprozentigen Live-Band klingen lassen ... Wir behielten immer einen Hintergrund, der sehr clubbig und basslastig kling. Wie bei einem DJ, der einen Track auflegt."

Alben

The Herbaliser - Herbal Tonic: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2010 Herbal Tonic

Kritik von David Hilzendegen

Von der Couch bis zur Tanzfläche: Ninja Tune rechnet ab. (0 Kommentare)

The Herbaliser Band - Session 2: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2009 Session 2

Kritik von Dani Fromm

Für Absehbarkeit kennt das Duo noch nicht einmal eine Vokabel. (0 Kommentare)

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