Porträt

laut.de-Biographie

Suzi Quatro

Susan Kay Quatro - mit so einem Namen ist die Rock-Karriere schon fast vorgegeben. Dennoch ist im Jahr ihrer Geburt 1950 nicht im geringsten abzusehen, wie sehr die kleine Suzi später eine rein männlich dominierte Rockwelt auseinandernehmen wird. Das Mädchen wächst in einem musikbessessenen Umfeld auf. Vater Art Quatro steht mit seinem Trio auf der Bühne bis fast 90 Jahre.

Best of 1973: 50 Jahre, 50 Alben
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Doch die gesetztere Musik, in die ihr Vater die Kleine seit dem 8. Lebensjahr einbindet, kann Suzi nicht halten. Die große Rock n Roll-Revolution hat es ihr angetan. Vor allem der King und der Killer. Ihre Heimatstadt Detrot erweist sich dabei als totaler Glücksgriff. Die Motorcity ist eben auch Rockcity - und als solche US-Schmelztiegel unzähliger Sixties-Garagecombos - u.a. die Stooges und MC5.

Rockende Rotzigkeit und ihr ausgeprägtes Gefühl für den Groove polieren Suzis Gesang nach und nach zur ebenso raubtierhaften wie harmonischen Vorzeigestimme. Der kommerzielle Erfolg bleibt bis Anfang der 70er aus. Doch ab 72/73 geht alles Schlag auf Schlag.

Das neue und weitgehend unbekannte Songwritergespann Nicky Chinn/Mike Chapman machen das 'Wild Amerikan Girl' zum weiblichen Superstar der Rockmusik. Vor allem Chapman, der ab 1975 u. a. auch den poppigen Wavepunk von Blondie maßgeblich mitentwickelt, erweist sich als Schlüsselfigur für die Laufbahn Quatros. Mit "Can The Can" schneidern beide dem Rockchick einen solchen Hammer auf den Leder behäuteten Leib. Noch Jahrzehnte später holen die Massenmedien von Hollywood bis Köln-Kalk - wenn es um Siebziger geht - entweder Gary Glitters "Rock'n'Roll" oder eben das Kannenlied aus der Kiste.

Es folgen zahllose Singlehits. Dass Quatro musikalisch kein leichtgewichtiges Popsternchen, sondern eine sexy schwitzende Rockhexe mit hoher instrumentaler Kompetenz ist, spricht sich sogar bis nach Graceland herum. Als König Presley dann noch das gelungene Cover seines alten Kloppers "All Shook Up" hört, geschieht das schier Unfassbare. Der so unnahbar gewordene Rock'n'Roll-Gott läd die Göre mit der Gitarre kurzerhand zu sich ein.

Letztere gerät jedoch in Panik und sagt die Einladung vor lauter Lampenfieber recht brüsk ab. Ein Fauxpas, der die Sängerin bis heute verfolgt und quält. "Nur weil ich solche Angst davor hatte, mein Idol zu treffen, habe ich ihn abgefertig wie einen Idioten."

Ende der Siebziger sinkt ihr Stern jedoch. Große Teile der Welt wenden sich ab. In Deutschland hingegen ist ihr Erfolg zunächst weiterhin ungebrochen. Der schlagerhafte Ausrutscher "Stumblin' In" (Duett mit Chris Norman) räumt von der norddeutschen Tiefebene bis zum Alpenrand so richtig ab. Doch dieser Erfolg ist zweischneidig für die Frau aus Michigan.

Das Radiopublikum nimmt Quatro - spätestens nach Bernhard Brinks mauem Cover ihres Hits "She's in Love With You" - fast ausschließlich als Schlagertante wahr. Ein mehr als herber Rückschlag für die besonders live hochexplosive Sirene. Dank dieser germanischen Ausnahmesituation hat Quatro hierzulande jeglichen Coolnessfaktor eingebüßt. Im Gegensatz zu Ländern wie Australien oder GB kämpft sie seitdem gegen eine Wahrnehmung ihrer Musik als typisches Teenie-Bravo-Abfallprodukt einer kommerzialisierten Musikszene.

Ruhig ist es danach in den 80ern, 90ern und der ersten Milleniumsdekade. Ein paar erfolgreiche Ostblocktouren hier, ein wenig Musical, kleinere Filmrollen. Ein halbherziges Pseudocomeback mit zerfahrener Struktur lässt 2006 nichts Gutes für den Fortgang ihrer Karriere erahnen.

Doch 2011 besinnt sich die mittlerweile 61-Jährige gemeinsam mit dem alten Kumpel und künstlerischen Partner Chapman all ihrer verschütteten Stärken. Fetter und schnörkelloser Rock der Marke Iggy oder zuletzt Glenn Matlock straft alle Bedenkenträger Lügen, die die Quatro schon zum ganz alten Eisen abstempeln wollten. Ermüdungserscheinungen? No Way! "Natürlich will ich nicht aufhören. Mein Dad hatte seinen letzten Gig mit 89. Ich bin dagegen noch ein Baby."

Eine englische Universität verleiht ihr im Jahr 2016 für ihre Verdienste rund um Musik und Kultur einen Ehrendoktortitel. Frau Dr. h.c. Quatro nimmt sich für ihr 70. Lebensjahr eine ausgedehnte Tour durch Australien, Osteuropa, England und Deutschland vor. Auch ein Open Air in der Schweiz ist dabei. Satte 53 Gigs stehen auf der Terminliste. Klar, dass sie dafür auch ein neues Album einspielt: "No Control". Darauf bestechen die bluesigen Untertöne. Die Songs sind schnell eingängig und mitsingfähig. Quatro hat alles unter Kontrolle.

2019 kommt auch eine Doku mit dem Titel "Suzi Q" ins Kino. Ein australischer Indie-Film-Producer befragt zig Frauen im Musikbiz nach dem Einfluss, den Suzi auf sie ausübte. Debbie Harry, Joan Jett, Donita Sparks (L7) und Heerscharen von Bassistinnen nehmen Stellung - zur "legacy", wie Suzi selbst das nennt, zu ihrem Vermächtnis. "Naja, wen hatte ich denn, zu dem ich aufschauen konnte? Um zu sagen, ich möchte gerne sein wie ... Da gab's ja niemanden. Es ist, wie's ist: Ich hab damals die Türen eingetreten, und darauf bin ich sehr stolz. Zugleich schüchtert es mich auch ein. Denn ich wusste gar nicht, was ich da getan hatte, bis ich diese Doku über mich vor Preview-Publikum in London gesehen habe. Da sollte ich am Ende was zu den Zuschauer*innen sagen und mit ihnen abhängen. Und dann kamen diese ganzen Mädchen auf mich zu, und machten mir klar, was ich ausgelöst hatte. Mir selbst war das nicht bewusst. Ich war halt einfach ich. Also kompromisslos. Und ich war 'anders'", erklärt sie uns im Gespräch.

Unter den jüngeren Artists in besagter History-Doku schildert KT Tunstall, wie beeindruckt sie von Quatro war. The Sweet und Alice Cooper vertreten in dem unterhaltsamen Film die Hardrock- und Metal-Fraktionen (und die Männerwelt). Cooper: "Viele Mädels versuchten Suzi Quatro zu sein. Aber was in der DNA steckt, kann man nicht faken!"

Lockdown und Brexit 2020/21 treffen Suzi: Sie hockt in einer ihrer Wahlheimaten, London, während ihr Partner, Konzertpromoter, in einem ihrer anderen Wahlwohnorte, Hamburg, wartet. Das Pendeln gestaltet sich viel komplizierter als sonst. Von ausfallenden Tourterminen lässt sie sich aber nicht unterkriegen: Das Problem treffe ja jede Band. Es wäre für sie allenfalls dann tragisch, wenn speziell sie nicht touren könne. Ganz passend zum Fall George Floyd und #BlackLivesMatter präsentiert die gebürtige Detroiterin auf ihrem Album "The Devil In Me" ein Stück über die Riots Ende der Sechziger in der 'Motor City'. Ähnlich den Londoner Brixton Riots immer wieder ein sinnfälliges Song-Thema. Die umtriebige Rockerin beweist: Sie hat noch viel zu erzählen.

Auch an der Seite von KT Tunstall, die im Film "Suzi Q" ihre Bewunderung ausdrückte. Eine höchst ungewöhnliche Duett-Konstellation für eine äußerst gewöhnliche Platte ergibt sich zwischen den beiden im Sommer 2023: "Face To Face". Von Suzi fließen vor allem gute Bassgitarren-Intros ein, die Harmonien folgen meist dem zweifelhaften Melodiegespür der 25 Jahre jüngeren Schottin, die Produktion zeigt sich lange nicht so klangsatt, wie man es von Quatro in den 50 Jahren ihres Schaffens sonst und zuletzt mit scharfkantigem Bluesrock gewohnt war.

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Friedrichstadtpalast, Berlin, 2019 Mit der aktuellen Scheibe "No Control" o tour.

Mit der aktuellen Scheibe "No Control" o tour., Friedrichstadtpalast, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Mit der aktuellen Scheibe "No Control" o tour., Friedrichstadtpalast, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Mit der aktuellen Scheibe "No Control" o tour., Friedrichstadtpalast, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof) Mit der aktuellen Scheibe "No Control" o tour., Friedrichstadtpalast, Berlin, 2019 | © laut.de (Fotograf: Rainer Keuenhof)

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