Porträt

laut.de-Biographie

Ferris MC

Wer mit dem Freak tanzen will, braucht einen langen Atem. Ferris MC hat Mitte der Nuller Jahre die zerknautschte Schnauze gediegen voll. "Ich war durch mit Rap", erklärt er später, warum er zusammen mit dem Best-Of-Paket "Düstere Legenden" seinen Abschiedsbrief auf den Tisch wirft.

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"... und morgen früh lacht die Sonne in dein Gesicht, als ob nix gewesen ist", heißt es da. Stimmt auffallend, auch wenn dieses "morgen früh" ziemlich auf sich warten lässt. Es dauert satte elf Jahre, bis Ferris seinem selbstbetitelten Album den nächsten Alleingang folgen lässt. Dessen Titel bezeichnet dafür aber auch gleich den angenehmen Zustand, den die einst doch ziemlich gebeutelte Existenz unterdessen erreicht hat: "Glück Ohne Scherben".

Die Reise dahin: lang, kurven- und ereignisreich. Ferris MC erarbeitet sich unterwegs den Ruf als "der fertigste der Mongos", der "lebende Elvis des Rap", das "Reimemonster", "Satans geklonter Roboter am Mikrofon", der "Ozzy des Rap".

Sascha Reimann fällt am 2. Oktober 1973 aus dem warmen Schoß seiner Mutter. Die ersten Lebensjahre gestalten sich gleich unruhig. Nach Neumünster und Kiel landet die kleine Familie in Bremen, wo Mutter und Sohn im sozialen Brennpunkt Tenever sesshaft werden. Dass diese Umgebung zu Problemen führt, scheint so gut wie vorprogrammiert.

Ferris, der sich seinen Künstlernamen beim Streifen "Ferris macht blau" borgt, kommt früh mit allerlei Drogen in Kontakt und hat ständig Stress mit seinen diversen alkoholkranken Stiefvätern. Schon im zarten Alter findet er sich deswegen in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche wieder. Dort kommt es zum ersten Kontakt mit Hip Hop. Ferris beginnt zu breaken.

Seine Schulkarriere lässt sich danach nur schwer mit seiner jugendlichen Kleinkriminalität und seinem steigenden Drogenkonsum vereinbaren. Er fliegt von mehreren Lehranstalten und gibt nach dem Hauptschulabschluss auf.

Trotz seiner Liebe zum Rap gibt er sich musikalisch rebellisch. Punk-Musik ist sein ständiger Begleiter. So favorisiert er neben den Beastie Boys und der 2 Live Crew die Musik der Ramones und der Ärzte.

Gegen den chronischen Geldmangel hilft Dealen im kleinen Stil. Außerdem beginnt er mit 18 eine Lehre als KFZ-Mechaniker. Die schließt er zwar ab, seine Noten lassen allerdings zu wünschen übrig. Das liegt neben seinem Desinteresse vorwiegend daran, dass er zur gleichen Zeit mit zwei Bremer Kollegen, einer davon FlowinImmo die erste Platte aufnimmt. Unter dem Namen Freak Association Bremen, kurz F.A.B., veröffentlichen sie 1994 das Album "Freaks".

Das Werk verschafft ihnen einen gewissen Bekanntheitsgrad, die Jungs dürfen einen Beitrag zum Sampler "Die Klasse Von '95" leisten. Mit der zugehörigen Tour wagt der deutsche Hip Hop erste vorsichtige Schritte in der Republik. Das gilt es ordentlich zu feiern, was in Ferris' Fall natürlich etwas heftiger ausfällt.

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Nach einigen LSD-Eskapaden und exzessiven Feierjahren, vorwiegend auf Goa-Partys, trennen sich F.A.B. 1997 endgültig. Drogenkonsum auf der einen, Psycho-Probleme auf der anderen Seite erschweren es ungemein, miteinander zurecht zu kommen. Einige Jahre lang steht immer wieder eine Reunion von FlowinImmo und Ferris im Raum, die aber nie zustande kommt.

1998 hat Ferris von Bremen die Schnauze voll und zieht nach Hamburg. Dort findet er eine Bleibe bei Tobi Tobsen von den Fünf Sternen Deluxe. Im Viertel Eimsbüttel geht Rap-technisch einiges, die Musik nimmt mehr und mehr Zeit in Anspruch. Gemeinsam mit den Fünf Sternen, Eins Zwo, den Beginnern und Doppelkopf entstehen das überaus fleißige Künstler-Kollektiv Mongo Clikke. Ferris zählt zu den festen Mitgliedern und leistet daneben allerlei andere Beiträge auf verschiedensten Platten.

1999 kollaboriert er mit dem Stuttgarter Rapper Afrob. "Reimemonster" mausert sich zu einem riesigen Erfolg, landauf-landab gehen die Heads zu dem Party-Track ab. Ferris gibt sich weiterhin als Asi, kommt aber sowohl mit seinem Erstlingswerk "Asimetrie" als auch auf der ersten eigenen Tour gut an.

Leider bringt sein Umzug nach Hamburg auch negative Folgen mit sich. Ferris rutscht wieder tiefer in die Drogensucht, landet für einige Tage im Knast und hat irgendwann mit schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Dazu kommen heftige Differenzen mit seinem Buddy und Tour-DJ Stylewarz, die die vorläufige Trennung nach sich ziehen. So steht die Arbeit am neuen Album natürlich nicht unter dem besten Stern.

Unter dem Druck, einen gleichwertigen Nachfolger zu produzieren, enttäuscht die zweite Platte "Fertich". Als erste Single koppelt Ferris "Flash For Ferris MC" aus, mit dem die Heads wenig anfangen können. Den Urheber juckt das wenig. Der Track basiert auf dem Billy Idol-Klassiker "Flash For Fantasy". Das Konzept passt: Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Mit Billy Idol kann sich Ferris deswegen sehr gut identifizieren. Für ihn ist Billy ein Punk, der in die Pop-Richtung tendiert. Er selbst sieht sich als Hip Hop-Gegenstück. Ein neuer Alias also: der Billy Idol des Rap.

Nach der Enttäuschung von "Fertich" besinnt sich Ferris ganz auf sich selbst und arbeitet an seinen Memoiren. Im knackigen Alter von 30 Jahren veröffentlicht er im Herbst 2003 seine "Audiobiographie".

Derselben lässt Ferris 2004 mit "Ferris MC" ein Album folgen, das seine Plattenfirma Yo Mama wie üblich als "bestes Ferris-Album aller Zeiten" ankündigt. Weniger üblich: Die blumigen Werbeversprechungen sind nicht gelogen. In der Tat präsentiert sich Ferris um Welten weniger gehetzt und anstrengend als bisher. "Ferris MC" entpuppt sich bis dato tatsächlich als Ferris' Karrierehöhepunkt.

Wenns am schönsten ist, soll man aufhören: ein Grundsatz, den sich offenbar auch Sascha Reimann zu Herzen nimmt. Anfang 2006 geistern erste Rückzugsgerüchte durch die Schlagzeilen. Im März macht er es offiziell: Ferris MC rotzt mit "Düstere Legenden", einem fetten Best-Of-Album inklusive umfassender Video-Kollektion auf DVD-Beilage, seinen Abschiedsbrief auf den Tresen. "Düstere Legende" soll die letzte Single von Ferris MC sein, heißt es.

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Zu Tränen gibt es allerdings keinen Anlass. Ferris bleibt der Öffentlichkeit erhalten. In der Vergangenheit gelegentlich bereits als Schauspieler tätig gewesen, wendet er sich wieder vermehrt dieser Facette seines Schaffens zu.

Wirkte er lange zuvor bereits in der Serie "Nicht von schlechten Eltern" mit, übernimmt er nach diversen kleineren Engagements in "Für den unbekannten Hund" seine erste größere Rolle, die ihm prompt einen Darstellerpreis einbringt. In der Folge ist er in diversen Produktionen, darunter auch eine Episode des Krimi-Flaggschiffs "Tatort", zu sehen.

Mit dem Hip Hop scheint Ferris zwar fertich, nicht jedoch mit der Musik. Zusammen mit Partner Marc Deal bildet er das DJ-Duo Maniax und wendet sich dem Elektro- und House-Sektor zu. 2008 steigt er, nachdem er zuvor als deren Support die Tour begleitete, als festes Mitglied bei Deichkind ein: zweifellos ein Karriereschritt in Richtung Erfolg und Wahnsinn in bisher ungeahnten Dimensionen.

Als Teil einer Crew kann man sich aber trotzdem einfach nicht so frei entfalten, wie man das manchmal gerne würde. Über die Jahre staut sich in Ferris ein musikalisches Mitteilungsbedürfnis, das er nur alleine stillen kann. Anfang 2015 passiert, was lange noch nicht einmal die eingeschworensten Fans für möglich gehalten hätten: Ferris MC gräbt sich aus dem Scherbenhaufen wieder aus und verspricht für Ende Mai ein brandneues Solo-Album.

"Glück Ohne Scherben" bleibt nicht allein: Zwischen Deichkind, Touren, TV-Produktionen und Werbeaufträgen findet Ferris irgendwo Zeit genug, um seiner Diskografie im Frühjahr 2017 "Asilant" hinzuzufügen.

Die Wahrheit zumindest einer seiner Zeilen hat Sascha Reimann alias Ferris MC zu diesem Zeitpunkt längst unter Beweis gestellt: "Ich kann alles - bloß nicht mehr namenlos sterben."

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