"Eine Goa-Party ist nicht einfach eine Disco unter Kokospalmen, sie ist eine Initiation" (aus dem Film "Liquid Crystal Vision").

Wie der Name schon vermuten lässt, liegen die Wurzeln von Goa an der westlichen Küste des indischen Subkontinents im gleichnamigen Bundesstaat. In der ehemaligen portugiesischen Kolonie haben seit den späten 70ern immer mehr Hippies und Aussteiger unter Palmen am Strand eine zweite Heimat gefunden. Ließ die schwülwarme Hitze des Tages schon den Gang von der Hängematte aufs Töpfchen zu einer schweißtreibenden Angelegenheit werden, so waren die lauen Nächte am Strand doch bestens dafür geschaffen, die Partyvibes zu stimulieren.

Pilze, LSD und der ein oder andere Joint verhalfen dem Spaßfaktor notfalls zusätzlich auf die Sprünge. Im Mondschein wurde zu den Klängen von Grateful Dead, The Doors, Pink Floyd, Neil Young und ähnlich vertripten Sounds die ersten Goa-Parties gefeiert. Mitte der 80er waren es vor allem europäische DJs, die verstärkt Disco, EBM, NDW und Eurodance spielten und Goa eine starke elektronische Note verliehen, die heute zu ihrem Markenzeichen geworden ist.

Der internationale Mix an DJs sicherte von Beginn an den Crossover: Reggae, klassische indische Musik, Rock, Fusion, japanische und südamerikanische Klänge befruchten sich bis heute gegenseitig. Fred Disko, Goa Gil und Ray Castle etablierten in den 80ern Goa als alternatives Partyreiseland. Extrem wichtig für die Entstehung der Goa-Kultur ist dabei der DJ Goa Gil, ein mittlerweile über 50jähriger Hippie aus San Francisco, der in Indien lebt und anerkannter Sadhu (Holy Man) ist. Seine Sets dauern nicht selten zwischen 12 und 24 Stunden!

Nach dem Summer of Love und der Acid-House Welle wurde Goa in den 90ern zunehmend elektronischer und von DJs wie Sven Väth oder Paul Oakenfold in Europa und den USA popularisiert.

Musikalisch zeichnen sich Goa-Stücke durch einen beständigen 4-to-the-floor-Beat aus, der mit einer groovenden Basslinie das Fundament bildet. Darauf werden dann allerlei Hooklines, Melodien, Flächen und eine Unmenge blubbernder, zirpender, zischender und knarzender Sounds gelegt, die die durch Drogen gefilterte Wahrnehmung zum Abflug einladen.

Diese Vielschichtigkeit und das gleichzeitige Miteinander mehrerer musikalischer Ebenen ist das hauptsächliche Unterscheidungsmerkmal des Goa zu anderen elektronischen Musikarten. Zusätzlich ist die Auswahl der Sounds im Goa-Kontext immer irgendwie warm (ähnlich im House), im Gegensatz zu den kühlen Maschinenklängen des Techno.

Das Genre hat sich derweil in diverse Subgenres aufgesplittet, die sich, wenn auch marginal und oft nicht trennscharf, voneinander unterscheiden:

Goa-Trance: Mittlerweile auch als Oldschool bezeichnet, ist die Spielart, die vor allem in den Neunzigern populär war. Sie zeichnet sich durch eine umfassende Verwendung von vielschichtigen Acid-Loops, Soundlayers und Melodien aus (oft unter Zuhilfenahme der berühmten Drum-Machine Roland TB 303 und den Synthesizer-Sounds gleicher Marke). Repräsentative Bands sind Har-el Prussky, Astral Projection, Transwave, Etnica, Spirallianz und California Sunshine. Im Oldschool folgt der Rhythmus dem reinen 4-to-the-Floor-Diktat, während sich in moderneren Spielarten auch Breakbeats einschleichen, um dem Rhythmus mehr Drive und Groove zu verleihen.

Psy-Trance, Psychedelic Trance: Die eher technoid anmutende Fortführung des Goa-Trance, die nicht zuletzt durch verbesserte Produktions-Techniken und kraftvollere Soundsystems auf Partys Ende der Neunziger aufkommt. Sie zeichnet sich durch fettere Kicks und massivere Basslinien aus, welche dem ganzen Sound vor allem im Tieftonbereich mehr Dynamik und Groove verleihen. Psy-Trance wird auch als "Full-On" bezeichnet, da es sprichwörtlich über den Dancefloor fegt. Hier sind vor allem israelische Acts wie Astrix, Infected Mushroom oder Vahel aktiv, aber
auch Künstler anderer Länder wie Talamasca und GMS (Growling Mad Scientists) lassen es ordentlich krachen. In Israel ist Trance- und Psy-Trance-Mucke extrem populär. Sie ist in den "normalen" Charts zu finden und Acts wie Infected Mushroom spielen vor mehreren 10.000 Leuten. Zusätzlich ist die Partyszene und -organisation in Indien und Thailand fest in israelischer Hand.

Progressive: Entsteht ebenfalls um die Jahrtausendwende. Ähnlich wie Psy-Trance pumpt der Bass fett und groovig. Im Mittel- und Hochfrequenzbereich ist Progressive deutlich reduzierter. Hier sind keine oder nur sehr selten Loops oder Melodien zu finden. Die Sounds reduzieren sich auf kleine Knarzer, Knackser, Bleeps und dergleichen, welche in minimalistischer Weise verzerrt und verändert werden. Mehr Wert wird auf intelligente Rhythmus-Variationen gelegt. Insgesamt gilt das Motto "Weniger = Mehr". Hauptsächlich skandinavische Acts wie Sonkite, Atmos oder S-Range sind hier aktiv.

Der Tradition der Hippies folgend, herrscht auf Goa-Partys eine sehr friedliebende, herzliche und respektvolle Atmosphäre. Bewusstseinserweiterung, Liebe, künstlerische und psychische Selbsterfüllung und eine kritische Haltung gegenüber einer leistungsorientierten Gesellschaft kennzeichnen die Goa-Fraggles. Musikalisch sind, im Gegensatz zu anderen Arten elektronischer Tanzmusik, die Einflüsse der psychedelischen Musik der 60er/70er Jahre stark zu spüren. In diesem Sinne stellt die Goa-Szene die legitime Nachfolge der Hippie-Kultur dar.

Goa-Partys finden, sofern jahreszeitlich möglich, sehr gerne in der freien Natur (Wald, Wiesen, Seen bzw. Strand und Palmen) statt und sind nicht nur musikalisch, sondern auch optisch eine Reise in eine andere Welt: farbenfrohe, häufig UV-Licht-aktive Dekoration mit psychedelischen Motiven auf denen Märchenlandschaften (inklusive Feen, Zwergen und Pilzen) oder Mondlandschaften und Alien-Motive dargestellt sind. 3-D Installationen und andere Visuals ergänzen den optischen Trip.

Durch die Verbreitung des Goa-Sounds in den Clubs der alten Welt beklagen viele Ur-Goa-Freaks das "Fehlen des Spirits", die Kommerzialisierung der Partys und der Musik sowie die zu einseitige Fokussierung auf Drogen und Party. Aber solche Diskussionen werden allerorts geführt - früher war halt schon immer alles besser.