Porträt

laut.de-Biographie

The Budos Band

Man möchte es nicht für möglich halten: Es existieren im Jahr 2007 noch Studios, deren "digitale Abteilung" aus nichts als einem CD-Player besteht. Abgesehen von diesem Gerät, das ein recht stiefmütterliches Dasein fristet, setzt man bei Daptone Records auf Analogtechnik. Die Resultate sprechen für sich: Amy Winehouse lässt sich von den hauseigenen Dap Kings den Rücken frei halten, und auch die Budos Band hat bei Daptone für lange Zeit das perfekte Zuhause gefunden.

Die Anfänge der Combo aus dem New Yorker Stadtteil Staten Island reichen bis in die 90er Jahre zurück: Schon zu High School-Zeiten spielen die noch jugendlichen Gründungsmitglieder gemeinsam in einem Jazz-Ensemble in einem Gemeindezentrum. Nächtliche Streifzüge durch die Clubs in Manhattan wecken allerdings neue Gelüste: Kontakt zu New Yorks Vorzeige-Afro-Beat-Truppe Antibalas infiziert die jungen Schüler Fela Kutis und James Browns mit einem neuen musikalischen Virus.

"Wir sind mit Metal und Punk aufgewachsen", erinnert sich Drummer Brian Profilio im Gespräch mit der Village Voice. "Und wir standen auf Hip Hop. Wu-Tang, N.W.A., die Geto Boys ... Wir mochten die Beats. Bei einem coolen Hip Hop-Track waren wir alle darauf aus, das Sample zu finden. Also haben wir versucht, Boogaloo und Funk zu spielen."

Unterschiedliche musikalische Vorstellungen führen schon bald zu Differenzen mit dem Leiter der High School-Gruppe. Die Lösung liegt auf der Hand: Eine eigene Band muss her, um den gewünschten schnörkelloseren Sound zu realisieren. Das hat den weiteren Vorteil, dass man sich nicht mehr heimlich in die Clubs schleichen muss, sondern zur Vordertür hineingehen darf. Die Gründung der Las Barbudos, zu Deutsch "Die Bärtigen", ist beschlossene Sache.

Zuweilen fällt Gesichtsbehaarung aber doch einem Rasiermesser zum Opfer. Als sich der erste der Herren von seinem wärmenden Fell trennt, wird der Bandname ebenfalls zurechtgestutzt: The Budos Band, so das neue, griffigere Etikett. Die Gründungsmitglieder rekrutieren sich noch ein paar Bläser aus dem benachbarten Brooklyn und beginnen zu üben.

"Wenn ich anderen Musikern erzähle, dass wir mittlerweile seit Jahren jeden Montag proben, kommt regelmäßig die Reaktion: 'Waaas? Jede Woche?'", so Gitarrist Tommy Brenneck gegenüber groundliftmag.com. "Die meisten Bands treffen sich, nehmen eine Platte auf und proben erst, wenn es gar nicht anders geht. Bei uns dreht es sich eher darum, dass man sich sieht und gemeinsam abhängt. In dieser entspannten Atmosphäre schreiben wir Songs. Die Hälfte der Band ist blau. Ich glaube, uns geht es wirklich viel mehr darum, Zeit miteinander zu verbringen."

Die bald auf elf Mitglieder angewachsene Gruppe umfasst neben Schlagzeug, Gitarre, Bass und E-Orgel zwei Trompeten, ein Bariton-Saxophon sowie eine umfangreiche Percussion-Sektion. Saxophonist Jared Tankel erklärt im Interview mit clevescene.com: "Wir wollten klingen wie eine alte Schallplatte von 1971, die du in deiner Garage gefunden hast. Du legst sie auf und hast keine Ahnung, wer zum Teufel die Jungs sind."

Beharrlichkeit und Ausdauer zahlen sich aus. Mit der Zeit entwickelt die Budos Band einen Groove, der von der begeisterten Presse später als "Soul" abgefeiert werden soll. Die Herren loten die Grenzen von Afro-Beat und Soul aus. Dabei stehen nicht, wie bei vielen vergleichbaren Bands, die Bläser im Rampenlicht. Vielmehr ordnet sich jeder Einzelne dem großen Ganzen unter, so dass das volle Spektrum der Instrumente zur Geltung kommt.

Zu Beginn der gemeinsamen Zeit versucht die Budos Band zu spielen, wie man es bei den Vorbildern von den Antibalas gehört hat. Fünfzehnminütige Fela Kuti-Coverversionen werden auf die Dauer allerdings allen zu langweilig: "Außerdem hatten wir mehr Bläser, also entwickelte sich ein ganz eigener Sound." Über eine Sache besteht zudem besondere Einigkeit: Die Frage, ob man je in Betracht gezogen habe, mit einem Sänger oder einer Sängerin zusammen zu arbeiten, beantwortet die Budos Band mit einem herzhaften "Fuck, NO!"

Dann geht plötzlich alles sehr schnell: Ein A&R-Mann des Brooklyner Funk- und Soul-Labels Daptone hört die Budos Band spielen. Im nächsten Moment hat die Combo einen Plattenvertrag in der Tasche, im übernächsten steht sie bereits in den Daptone-Studios, um das erste Album einzuspielen. Drei Tage und Nächte, länger dauert es nicht, bis das Debüt "The Budos Band" im Kasten ist. Ende November 2005 steht die Platte in den Läden. Das Cover, ein Lava speiender Vulkan, illustriert die Eruption, die dieses Werk für die New Yorker Funk-Szene bedeutet, recht treffend.

Obwohl sämtliche Mitglieder neben der Musik einem "richtigen" Beruf nachgehen, reißen die gemeinsamen Proben und Auftritte nicht ab. Das Resultat lässt nicht allzu lange auf sich warten. Im Sommer 2007 eröffnet Frontmann Jared eine Show mit den Worten: "Wir sind die Budos. Wir haben ein neues Album draußen, und es hat einen Skorpion auf dem Cover." Der Hinweis erweist sich als hilfreich, da wieder keinerlei Kreativität an die Suche nach einen Titel verschwendet wurde. Der Zweitling heißt schlicht "II".

Der Afro-Funk-Kosmos der Budos erweitert sich um Einflüsse aus dem äthiopischen Jazz. Speziell die Werke Mulatu Astatkes werden als Inspirationsquelle angeführt. Der Soul bliebt dabei jedoch keineswegs auf der Strecke, und auch der warme, hypnotische Groove, der zum Markenzeichen der Budos Band avancierte, entfaltet sich erneut. Das nächste Album, logischerweise mit dem Titel "III" bedacht, schreitet auf dem eingeschlagenen Weg weiter voran.

Auf "III" folgt "IV"? Denkste. 2014 stellt die Budos Band zwar ihren vierten Longplayer in die Regale, der heißt allerdings nicht "IV", sondern "Burnt Offering". Erstmals hat Daptone-Strippenzieher Gab Roth die Finger bei der Produktion nicht mehr im Spiel, obwohl sich die Band bei seinem Label immer noch bestens aufgehoben fühlt.

"Wir waren, was den Sound betrifft, ganz woanders angekommen", erklärt Saxofonist Jared Tankel. "Wir mussten das selbst zuende bringen." Das Resultat klingt wie eine logische Folge aus der eigenen Bio- und Diskografie: Soul und Afrobeat bleiben hörbar, treten aber in die zweite Rehe zurück. Statt dessen machen sich mehr und mehr psychedelische Rock-Einflüsse breit. Auf ihrem fliegenden Funk-Teppich transportieren die Budos inzwischen mühelos das Vermächtnis von Black Sabbath und Led Zeppelin.

Es folgen schwere Zeiten für Daptone. Sharon Jones erliegt ihrem Krebsleiden, wenig später auch Charles Bradley. Die Einschnitte bei den Budos sind nicht ganz so drastisch, wirken sich aber dennoch auf die Arbeitsweise der Band aus: Gitarrist Brenneck und Saxofonist Tankel verlassen New York, um sich in Kalifornien niederzulassen.

Die gewohnte Arbeitsweise - wöchentlich zusammen proben, Songs schreiben, live ausprobieren, was klappt, und in diesem Wissen ein Album austüfteln - funktioniert mit der räumlichen Trennung natürlich nicht mehr so reibungslos. "Ich habe mir Sorgen gemacht", beschreibt Tankel den schwierigen Entstehungsprozess von "V". "Aber dass wir dieses Album aufnehmen konnten und dass es uns immer noch gibt, ist einfach toll. Das macht mich sehr glücklich."

Nicht nur ihn: Auf "V" mischen sich die Anfänge der Band in Funk, Afrobeat und Soul mit den schweren Rockgrooves von "Burnt Offering". Die Platte wirkt erneut wie die absolut logische Fortsetzung der Diskografie, und die Band noch immer wie ein einziger Organismus.

Daran ändern auch weitere Umstrukturierungen nichts. Egal, wie schön es zu Hause auch sein mag: Irgendwann muss sich jede*r einmal auf eigene Beine stellen. "Wir sind eine Urgewalt im Studio", so Gitarrist Tom Brenneck. "Wir können uns selbst produzieren." Auch musikalisch hat sich die Band zunehmend vom Soul des Mutterlabels Daptone wegentwickelt. Die logische Konsequenz: Selbermachen.

Zusammen mit Saxofonist Jared Tankel hebt Brenneck das brandneue Label Diamond West Records aus der Taufe. In gegenseitigem Einvernehmen erfolgt die Trennung von Daptone, die Budos Band zieht um. Das veränderte Umfeld und die neu gewonnenen Kompetenzen zünden eine regelrechte Kreativitätsexplosion: In nur zwei Tagen entstehen die sechs Tracks von "Frontier's Edge", der allerersten Veröffentlichung auf Diamond West, die im Juli 2023 erscheint.

Über die Antibalas, die einst den Anstoß für den typischen Budos-Sound lieferten, heißt es übrigens schon lange und mit jedem Recht der Welt selbstbewusst: "Es sind unsere Freunde, aber sollte es darauf ankommen, machen wir sie in einer Sekunde alle."

Alben

Budos Band - V: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2019 V

Kritik von Dani Fromm

Ein Organismus, der Groovemonster gebiert. (0 Kommentare)

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