Porträt

laut.de-Biographie

Hans-A-Plast

"Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich weiß nicht wohin. Es ist wieder mal Freitag und da muss doch was passieren. Ich gehe in die Kneipe. Es ist immer die gleiche. Warte auf etwas und besaufe mich dabei. Es ist wieder mal ein Rock'n'Roll Freitag." (Rock'n'Roll Freitag vom Album Hans-A-Plast)

Ende der 1970er entstand die Punkrockszene in England. Bands wie The Damned, The Adverts, Buzzcocks und The Undertones gründeten sich und sorgten für eine neue Jugend- und Musikbewegung. "No Future" war das Motto und man haute sich alles in und auf den Kopf, was möglich war. Politische Statements standen im Vordergrund, aber nicht alle Texte mussten unbedingt immer eine tiefe Bedeutung haben. Die Dominanz der Männer auf der Bühne war allerdings ziemlich bedeutsam.

Film-Premiere: "Punk Girls"
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Die Doku von Christine Franz erzählt anhand von Bands wie The Slits, Hans-A-Plast oder X-Ray Spex die weibliche Geschichte des britischen Punks.
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Auch nach Hannover schwappte die Punk-Welle rüber, und eine der ersten deutschen Punkbands waren Hans-A-Plast. Benannt nach einem selbstklebenden Pflaster (späteres Erkennungsmal der Gruppe: Pflaster auf den Lederjacken). Die Besetzung bestand aus drei Frauen und zwei Männern. Eine eher ungewöhnlich hohe weibliche Beteiligung für damalige Verhältnisse. 1978 gründeten Bettina Schröder (Schlagzeug), Renate Baumgart (Bass), Jens Meyer (Gitarre) und Micha Polten (Gitarre) Hans-A-Plast. Annette Benjamin kam kurze Zeit später als Sängerin dazu und prägt noch heute mit ihrer Stimme und Bühnenpräsenz diese Bandgeschichte.

Annette ist schon früh geprägt vom englischen Punkrock. Mit 17 Jahren sieht sie in London im legendären 100 Club nicht die Sex Pistols, auch nicht The Clash, sondern Ian Dury, The Slits und X-Ray Spex mit einer tobenden, jungen Frau mit Zahnspange auf der Bühne. Dieser Auftritt der Frontfrau Poly Styrene wird die junge Benjamin ihr Leben lang begleiten und ihre eigene Performance auf der Bühne beeinflussen. Nach ihrer Rückkehr aus England gründet sie ihre erste eigene Band Slime (nicht zu verwechseln mit diesem Slime). Beim No Fun Festival treffen Slime auf Hans-A-Plast, und Annette wird schon bald dort als Sängerin engagiert.

Zunächst spielen Hans-A-Plast im heimischen Jugendzentrum. Später auch in vielen anderen Städten und beim Antifa-Festival in Berlin. Die Songs für die Konzerte werden in Hannover aufgenommen. In knapp einer Woche steht das Debüt. Es heißt so wie die Band und erscheint 1979 im Eigenverlag Lava-Records. Die Platte verkauft sich gut, die Band bleibt beim DIY und verpackt alle Platten von Hand. Obwohl schon diverse Plattenfirmen an die Tür klopfen, gründen sie ihre eigenes Label No Fun Records. Die nachfolgende Einladung zum WDR-Rockpalast 1980 ist legendär. Ein Live-Auftritt im deutschen Fernsehen, Hans-A-Plast bleiben kühl und liefern ab. Durch die Hintertür schleusen sie noch ein paar Freunde ins Studio. Annette grüßt noch kurz ihre Mutter und dann die Fernsehzuschauer mit: Der Rockpalast zu Gast bei Hans-A-Plast.

Die Texte werden immer leidenschaftlich rausgerotzt und handeln von Dingen, die endlich mal rausgelassen werden müssen. Frauen dürfen auf die Bühne und sich ebenfalls mal völlig danebenbenehmen. In einer von Männern domminierenden Musikszene nicht immer einfach. Das war Punk. Kreativ sich auslassen und ausrasten. Jeder kann aussehen und machen, wie er will. Leider aber niemals frei von Sexismus. Dumme Sprüche gibt es immer wieder, gerade jetzt, wenn auch Frauen auf der Bühne stehen und die Männer davor.

Für diese Typen schmettert die Sängerin Annette Benjamin mit Songs, wie "Für ne Frau" ordentlich dagegen: "Du bist so gut im Kinderkriegen. Du bist so gut im Tüten schleppen. Du bist so gut im Hintern wackeln. Du kannst auf hohen Schuhen gehen." Eine Hymne, die immer wieder laut gesungen werden muss. Oder auch "Lederhosentyp". Einfach mal den muffigen Blickwinkel umdrehen: "Geh' doch noch mal für mich hier lang, mit deinem herrlichen Django-Gang." Die beiden Smasher sind auf dem Debüt von 1979 Hans-A-Plast vertreten.

Wichtige Inhalte, die Annette mit ihrer stets positiven Ausstrahlung lässig performt. Schneller Rhythmus, wilde Töne und kreischende Parolen. Ein Song dauert nie länger als zwei Minuten. Es knattert und rauscht. Es folgen zwei weitere Alben. Nummer "2" (1981) und Ausradiert (1983). Und schon sind fünf Jahre Bandgeschichte auch wieder vorbei. Hans-A-Plast sind ausgelaugt und gehen getrennte Wege.

Doch niemals geht man so ganz, und irgendwann stehst du dann plötzlich doch wieder auf der Bühne. Gut, bei Annette Benjamin hat es 35 Jahre gedauert. Abgetaucht ins bürgerliche Leben, aber niemals die Wurzeln vergessen und die Liebe zum Songschreiben. Jetzt mischt sie wieder mit. Sie tritt bei Punkkonzerten auf und hat mit verschiedenen bekannten Musikern für 2023 eine EP aufgenommen. Sie nennen sich die Benjamins, mit dabei sind Charlotte Brandi, Julian Knoth (Die Nerven), Drangsal und der Schlagzeuger der Beatsteaks Thomas Götz. Eine deutsche Supergruppe, die sich ab und zu zum gemeinsamen Musizieren im Probekeller trifft.

Hans-A-Plast waren die Stars der deutschen Punkszene. Und auch heute kann man sich von Party-Hymnen wie "Rock'n' Roll Freitag" oder "Monstertanz" beschallen lassen. Die drei Alben wurden 2023 noch mal von Tapete Records aufgelegt. Ein rotziges Stück Zeitgeschichte und vor allem für die Frauen in der Musik ein bedeutendes Vorbild.

News

Alben

2 (1981)

Surftipps

  • Labelseite

    Wiederveröffentlichung der drei Alben

    https://www.tapeterecords.de/artists/hans-a-plast
  • Die Benjamins

    Aktuelles Supergroup-Projekt von Annette Benjamin

    https://tomatenplatten.bandcamp.com/album/die-benjamins

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