15. Mai 2009

"Hallo Sarkozy, hallo Frau Merkel!"

Interview geführt von

Für die einen ist sie die neue Joy Denalane. Andere sehen in der hübschen Kosmopolitin eine Kreuzung aus Amy Winehouse, Duffy und Lilly Allen. Wieder andere halten Oceanas funkig-souliges Debüt "Love Supply" für die ideale Frühlingsplatte.Der Single "Cry Cry" jedenfalls sind schon einige Länder verfallen. Inklusive Russland, wo der Track bis auf Chartsplatz Eins marschierte. Ganz neu im Biz ist Oceana ja auch gar nicht: Mit Seeed getourt, Maceo Parker unterstützt, vor vielen Jahren sogar mal ein Lied mit Kim Frank. Ohnehin ist Oceanas gesamte Familie den Künsten verfallen: Vom musizierenden Papa bis zu den malenden Großeltern. Nicht ohne Grund heißt ein Song "All Genetic".

laut.de trifft Oceana in einer Kneipe an der Kreuzberger Ausgehmeile Schlesische Straße. Die 27-Jährige trägt riesige Kreolen, lila Fingernägel und hautenge Jeans. Trinkt frisch zubereiteten Ananassaft und hat viel Zeit mitgebracht. Sie lacht sehr viel. Und das, obwohl der sympathischen Künstlerin mit dem unglaublichen Afro nur drei Tage bleiben bis zu einem nicht eben alltäglichen Auftritt. Am Muttertag nämlich soll Oceana vor Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am Potsdamer Platz singen. Trotzdem so entspannt?

Schon aufgeregt wegen Sonntag?

Nö. Kurz bevor ich auf die Bühne gehe bin ich aufgeregt, weil die Bühne was Besonderes für mich ist und weil ich die Bühne sehr liebe. Ich liebe es, zu performen und ich brauche das Adrenalin. Ich muss den beiden wohl auch kurz Hallo sagen: Hallo Sarkozy, hallo Frau Merkel.

Wie kam es dazu, dass du vor Merkel und Sarkozy auftrittst?

Es geht, glaube ich, um eine Tagung zu Musikrecht. Im Sony Center. Da kommen wahnsinnig viele Leute. Und Merkel und Sarkozy eben auch. Ich trete nicht speziell für die auf.

Ich habe gelesen, du sollst genau in dem Moment anfangen, in dem Merkel und Sarkozy "einmarschieren".

Genau, da fang ich an. Mit "Pussycat On A Leash" (lacht).

Na, wenn das nicht passt: Merkel und der Song

Kann sie gleich ein Tänzchen hinlegen! "Pussycat" ist auf jeden Fall ein Song für unabhängige Frauen.

Apropos Sarkozy: Wie ist denn die Resonanz auf deine Musik in Frankreich, wo du ja häufig bist?

Ich spiele dort Konzerte zusammen mit großen Künstlern. Das Album kommt erst noch in die Läden. Die Resonanz aber ist sehr gut. Vor zwei Wochen bin ich mit Raphael Saadiq aufgetreten. Ich bin schon lange ein großer Fan von ihm. Der ist in der Soulmusik ein Held, hat mit Leuten wie Joss Stone zusammengearbeitet. Dann bin ich bei einer Radioshow im Vorprogramm von Annie Lennox aufgetreten. War wahnsinnig cool. Ich hab ihren Soundcheck mitbekommen. Sie ist am Klavier aufgetreten, es war unglaublich, das zu sehen: So eine tolle Sängerin mit so einer Erfahrung. Und zu sehen, wie menschlich sie ist. Das hat mich berührt. Es kommt bei ihr direkt aus der Seele.

Wo kommt denn der schöne Name Oceana nun eigentlich her?

Die Idee hatte mein Vater. Der hat immer über den alles verbindenden Ozean philosophiert. Als meine Mutter mich dann in Hamburg anmelden wollte, wo ich geboren bin, hieß es erst mal: Also, Fantasienamen gibt es hier nicht, sie können ja mal ins Namensbuch gucken. Da gab es unter O eine Ozeana mit Z. Ein deutscher Name. Der wohl durch die Seefahrt hier her gekommen ist. Meine Mama hat die dann gebeten: Bitte können wir das nicht mit C schreiben, wir leben in Frankreich und mit C ist auch schöner. Da haben die ein Auge zugedrückt.

Als ich das erste Mal deinen Namen gegoogelt habe, kamst nicht sofort du …

Der Asteroid?

Genau. Dann gibt es ein gleichnamiges Till Brönner-Album, eine Stadt in den USA und auch eine Hardcore-Band aus Florida, die Oceana heißt.

Das ist ganz lustig, weil ich manchmal Einträge habe bei Youtube, die sich beschweren. Obwohl "Cry Cry" könnte eigentlich auch von einer Hardcore-Band sein. Vielleicht in einer anderen Version (lacht).

Die machen ziemlich heftiges Zeug, glaub ich

Ich hab mir die nicht angehört. Nur mal ein Video angeklickt.

Du kommst ja auch aus einer völlig anderen Ecke. Auf deinem Album ist von Funk bis Reggae fast alles vertreten, was es so an prominenten Black Music-Genres gibt. Was ist dir denn am wichtigsten?

Soulig muss es auf jeden Fall sein. Ohne dass es unbedingt Soulmusik ist. Reggae zum Beispiel ist für mich die souligste Musik, die es gibt. Ich bin ohnehin mit Reggae aufgewachsen. Meine Mutter hat eine Zeitlang nur Roots-Reggae gehört. Strictly, da gab's nix anderes. Mein Vater ist ja auch Reggaemusiker. Das ist schon die Musik, bei der mir das Herz aufgeht. Da fühl ich mich Zuhause. Trotzdem bin ich ja ein Stadtmensch und ein Kind aus Europa. Und es war mir wichtig, dass man das auch hört. Dass meine Musik auch etwas Urbanes hat. 60ies-Sound hab ich schon immer geliebt, weil ich Live-Instrumente liebe. Da hab ich mich gefragt: Wie kann ich das vereinen? Ich bin ja keine Reggaesängerin, auch wenn ich diese Elemente auf dem Album habe. Das Album soll das repräsentieren: Funk, Soul, Reggae aber auch Pop. Ich liebe Pop. Das habe ich auch noch nie verleugnet. Ich bin ein 90ies-Kind und mit Popmusik aufgewachsen, auch wenn ich einen anderen Background hatte: Mein Großvater hat Ellington und Armstrong gehört und ich war als Kind mit Maceo Parker auf der Bühne. Trotzdem fand ich auch Salt 'N' Pepa und Dancefloor cool.

Und dass du so viel rumgekommen bist, von New York bis Martinique, hat diese Offenheit noch befördert?

Es war aber auch das Aufwachsen in Hamburg bei meinen Großeltern, beide abstrakte Maler. Von denen wurde ich mit erzogen, da ich ohne Vater aufgewachsen bin. Der war ständig unterwegs. Meine Mutter war viel in Paris, wo sie in der Haute Couture gearbeitet hat. Mit 15, 16 kam dann die Sehnsucht: Woher kommst du eigentlich? Ich habe einen Vater aus Martinique und alle sagen dir: Da wo du herkommst, ist das Paradies. Ohne, dass ich überhaupt schon mal da gewesen war.

War das ein Problem für dich?

Als Kind war es ok, aber mit 15 ging's los. Da musste ich wissen, wo ich herkomme. In der Zeit bin ich das erste Mal nach Martinique gereist. Ganz alleine.

Wie war das?

Danach hab ich mich komplett gefühlt. Ich habe gesehen: Hier ist meine andere Hälfte, hier sind meine Wurzeln.

"Als ich Peter Fox supported habe, versuchten alle, mir Angst zu machen"

Wenn man deine Vita so liest, bekommt man den Eindruck, dass dir das Visuelle fast genauso wichtig ist wie Musik: Der Einfluss deiner Großeltern, deine Mutter, die Mode macht, du hast als Choreografin gearbeitet ...

Das ist mir sehr wichtig. Auch auf der Bühne: die Bewegung, der Tanz.

Entwirfst du selbst Klamotten?

Ja, mit meiner Mama. Aber ich konzentriere mich auf die Musik.

Wie hast du Maceo Parker kennen gelernt, der ja für deine Karriere sehr wichtig ist?

Ich habe Maceo in der Fabrik in Altona kennen gelernt, einem Konzertort, an dem viel Jazz läuft. Ich war da schon als Kind mit meiner ganzen Familie, auch meinen Großeltern. Und Maceo hat mich dort, als ich sechs war, das erste Mal auf die Bühne geholt.

Seitdem steht ihr in Kontakt?

Maceo wusste ja, dass mein Vater immer unterwegs ist. Immer, wenn er in Hamburg war, hat er sich bei uns gemeldet. Die erste Frage war: Wie geht's Oceana? Er hat mich ganz freundschaftlich und väterlich gefördert. Mich auf die Bühne geholt, wo ich mitgetanzt und mitgesungen habe. Als ich angefangen habe, selbst Musik zu machen, habe ich ihm die Sachen vorgespielt. Bis Maceo dann vor zwei Jahren sagte: Du bist jetzt echt bereit. Do your own thing.

Brauchtest du diesen Anstoß?

Es fehlte mir aber noch das Team. Ich hatte zwar viele Leute, mit denen ich auch hier in Berlin was gemacht habe.

Seeed?

Genau, oder Boundzound. Zudem hatte ich in Hamburg eine Coverband, mit der ich Tina Turner-Songs gesungen habe. Ganz wichtig waren einfach die zehn Jahre Lehrzeit, in denen ich mit Bands gearbeitet hab, in denen ich mich verbessern konnte. Als Sängerin, als Performerin, als Künstlerin. Jetzt kann ich das einsetzen.

Vor einigen Jahren hast du sogar mit Kim Frank von Echt einen Song gemacht

Da war ich sechzehn.

Siehst du das als Jugendsünde?

Überhaupt nicht. Ich finde den Song süß. Ich habe Echt damals über meine Gesangslehrerin Etta Scollo kennen gelernt, die auch Kim unterrichtete. War ne' coole Zeit, hab' viel gelernt. Auch, dass nicht immer alles rosig ist im Musik-Business (lacht).

Habt ihr noch Kontakt?

Ja, Kim hat ein cooles Foto von mir gemacht. Der fotografiert mittlerweile ganz viel.

Und bei Etta Scollo hattest du länger Unterricht?

Das war mein allererster Gesangsunterricht. Sie ist eine gute Freundin und Wegbegleiterin. Genau wie Maceo habe ich sie immer bewundert und ihr zugehört.

Was hast du von ihr gelernt. Sie kommt ja aus einer ganz anderen Tradition, singt auch italienische Volkslieder?

Von ihr habe ich vor allem gelernt, frei zu sein.

Lass uns doch etwas über deine Songs reden. "Cry Cry" ist gleich in mehreren Ländern in die Charts eingestiegen

In Russland und Rumänien sogar auf Platz eins.

Wirst du denn außerhalb Deutschlands anders wahrgenommen?

In Frankreich entspreche ich viel mehr der Masse, dem Typ. Wenn ich dort auftrete, sieht die Hälfte des Publikums aus wie ich. Die jungen Mädchen schauen mich an und können sich mit mir identifizieren. Aber wenn ich in Hamburg spiele ist das auch ganz anders als in Berlin oder München. Wenn die in Hamburg klatschen und yeah sagen, dann war das schon richtig geil.

Und was machen die Berliner, wenn's ihnen gefällt?

Die Berliner können mehr Emotionen zeigen. Und in München und Bayern geht's ab. Die feiern. Ich kann mich aber generell nicht beschweren. Als ich Peter Fox supported habe, haben auch erst alle versucht, mir Angst zu machen. Dann hatte ich eine super Tour. Ich wurde sehr familiär empfangen, weil ich viele durch Seeed kannte.

Du bist wahrscheinlich jemand, der die Livesituation mehr mag als die Studiosituation?

Ja. Ich liebe das Lebendige, das Performen direkt vor einem Publikum. Aber auch die Studiozeit war toll.

Meine Haare waren sowieso ein Leben lang Thema

Stört es Dich, wenn du in Kritiken nicht nur mit Joy Denalane, sondern auch Pink oder Lilly Allen verglichen wirst?

Nein, Joy Denalane ist toll, aber ich liebe auch Lilly Allen, genauso wie Amy Winehouse oder Duffy. Ich mache ja auch keine klassische Soulmusik. Es ist auch nicht nur Retro. Den karibischen Vibe hat es aber auf jeden Fall. Und meine Texte sind bis auf "Cry Cry" auch nicht nur melancholisch. Ich wollte Musik machen, die einen zum Lachen und Feiern bringt. Zu der man tanzt. Die eine Leichtigkeit hat. Das liebe ich an Popmusik. Es muss eine Leichtigkeit haben. Wir haben schließlich gerade Rezession und allen geht es schlecht. In Deutschland muss man sich immer erklären, wenn man glücklich ist. Schon als Kind haben alle gesagt: Du lachst ja ständig. In Frankreich oder Martinique ist das anders. Deswegen fühle ich mich auch in Großstädten wie Berlin, wo sich alles vermischt, wohl. In Berlin kann man einfach Künstler sein. Das ist in Hamburg anders.

Apropos: Die Hamburger Morgenpost hat geschrieben: "Hamburg hat eine Amy Winehouse". Ich musste bei deiner Musik gar nicht an die Dame aus England denken.

In Frankreich gibt es den Vergleich nicht. Ich mag Amy und Duffy zwar beide sehr, bin aber ein ganz anderer Typ mit einer anderen Einstellung zum Leben. Gewisse Texte würde ich nie singen. Ich liebe eben auch Nina Simone und Etta James. Die haben den Soul und den Blues noch wirklich gespürt. Ich finde es trotzdem gut, dass es diese Welle gibt, auch mit Estelle. Was mich noch von Amy und Duffy unterscheidet, ist, dass ich gerne tanze.

Du bist über den Tanz zur Musik gekommen?

Genau, Tanz war meine erste große Liebe.

Du hast auch Choreografien gemacht, etwa für Fettes Brot. Kommst du im Moment noch dazu?

Gerade nicht. Ich kann mir aber vorstellen, mal wieder Tanztheater zu machen.

Geht es bei "All Genetic" wirklich darum, dass du die Musikalität von deinem Vater hast?

Da nehme ich auch auf die Schippe, dass mein Vater so ein Ladies Man ist. Ein cooler Typ. Dem laufen die Frauen hinterher. Er hat jetzt ein Restaurant auf Saint-Martin.

Habt ihr schon mal was zusammen aufgenommen?

Neulich mal auf meinem Garageband.

Auf deinem was?

Auf meinem Garageband. Da nehme ich Ideen auf. Im Moment gibt es aber andere Leute, mit denen ich lieber was machen würde (lacht).

Zum Beispiel?

Raphael Saadiq.

Und aus dem deutschsprachigen Raum?

Habe ich nicht drüber nachgedacht. Deichkind haben einen Remix von "Cry Cry" gemacht. Das sind Freunde von mir.

Kennst du Joy Denalane?

Nicht persönlich. Ich habe aber neulich ihr Album geschenkt bekommen.

Nervt es dich, dass du des Öfteren mit ihr verglichen wirst?

Nein. Obwohl ich finde, dass wir ganz verschieden sind. Da ist wohl eher der Typ ausschlaggebend: Ah, noch ein schwarzes Mädchen, das singt.

Was dich aber bestimmt nervt, ist, dass viele Texte mit deinem Äußeren beginnen?

Ach nee, da denke ich eher: Cool, da sah ich wohl gut aus auf den Fotos. Ich finde es gut, wenn man was aus seinem Äußeren macht. Und meine Haare waren sowieso ein Leben lang Thema. Darf ich mal anfassen und so. Ich bin auch jemand, der sich gerne Kritiken durchliest.

In einer Kritik hat jemand sogar Doors-Einflüsse in Deiner Musik entdeckt. Hörst du auch Rock?

Doors weniger. Dafür Jimi Hendrix, Little Richard, natürlich die Beatles. The Verve fand ich früher cool, auch David Bowie.

Was dreht sich bei dir zurzeit auf dem Plattenteller?

Santigold liebe ich und nach wie vor Aaliyah.

Gibt es eine Tour zum Album?

Für den Herbst ist was geplant. Tourdates gibt es noch nicht. Ist ja alles noch relativ frisch. Es stehen aber jetzt noch ein paar Konzerte an. Auch in Rumänien und Moskau werde ich auftreten. Ich war da noch nie. Aber mir haben Leute erzählt, dass meine Single dort ein richtiger Hit ist. Das singt da die Kassiererin. Selbst bei einer rumänischen Talentshow wurde mein Song schon gesungen.

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