laut.de-Kritik

Coverdale als untot lallender Wiedergänger seiner selbst.

Review von

David Coverdale zeigte sich in den letzten Jahren mit Whitesnake äußerst wechselhaft aufgelegt. Mit "Good To Be Bad" gelang ihm 2008 nach langer Durststrecke ein gut geöltes Hardrock-Comeback. Das drei Jahre später folgende "Forevermore" bot hingegen kaum mehr als die Anhäufung routinierter Genreklischees. Nun geht es zurück zu den Wurzeln. "The Purple Album" bietet ausschließlich Deep Purple-Songs aus Coverdales früher Karrierephase.

Die dreizehn Lieder stammen allesamt aus seiner Zeit als lila Leadsänger und finden sich auf den Klassikeralben "Burn" (1974), "Stormbringer" (1974) und "Come And Taste The Band" (1975). Ihre Originale - vor allem jene aus der Mark III-Ära vor Blackmores Ausstieg - sind höchst empfehlenswert. Besonders die kurzzeitige Hinwendung der Band zu groovy Funk- & Soul-Elementen tat Deep Purple damals gut. Diesen Verdienst darf sich Coverdale in Ewigkeit ans Revers heften.

Um so verwunderlicher, dass der Mann aus Saltburn-by-the-Sea sein "Burn" und co nun in einer See ödesten 08/15 Hardrock-Breis versenkt. Es gibt auf "The Purple Album" lediglich zwei traurige Sorten von Liedern: Ein paar wurden nur halb ruiniert. Die meisten jedoch ereilt der Exitus, weil Coverdales aktuelle Gniedeltruppe jede Ausstrahlung komplett amputiert.

Schon der Opener weist in die falsche Richtung. Statt den Spirit der Urversion zu variieren, setzt Coverdale auf technisch blitzsauberen, aber stereotypen Cockrock. Sehr poserhaft, aber ohne jedes Charisma. Große Teile der Platte prägt das Missverständnis, die zur Schau gestellte Härte würde Modernität oder gar Potenz der Songs stärken. Ein trauriges Bild. Dabei waren es Whitesnake, die ehedem mit großen Nummern wie "Ain't No Love In The Heart Of The City" zeigten, wie atmosphärisch man das Genre definieren und erweitern kann.

Besonders schlimm trifft es das stets für unzerstörbar gehaltene "Mistreated". Der von Blackmore (Musik) und Coverdale (Text) verfasste Evergreen ist ein Kuriosum. Durch das ewige Besetzungskarussell bei Purple und allen Satellitencombos steht das Lied seit Mitte der 70er bei Ian Gillan (Deep Purple, Black Sabbath, Jesus Christ Superstar), Whitesnake und Dio (Rainbow, Black Sabbath) gleichermaßen auf der Liste.

Die beste Version mit cleverem Spannungsbogen, Powervocals und schickem Solo findet man auf Rainbows "Live In Munich 1977". Hier jedoch klingt Coverdales Gesang als Schatten seiner selbst schwachbrüstig und verbraucht. Die Gitarrenarbeit ist ein Witz im Vergleich zu Blackmore. Leider kein guter!

Bei "Stormbringer" oder "The Gypsy" sieht es nicht besser aus. Die doofen Mackergitarren kaschieren zwar die stimmliche Überforderung kaum. Dafür töten sie in erstaunlich schweinsrockender Konsequenz wirklich jedes funky Feeling der - auch nach 40 Jahren - viel moderner klingenden Originale. Höhepunkt der makabren Selbstdemontage ist die furchtbare Zombieversion von "Soldier Of Fortune".

Das Lied ist eine der schönsten Balladen aller Zeiten und residiert im ewigen Tower of Song als Zimmernachbar von "Stairway To Heaven". Coverdale zerstört die von ihm geschaffene, nuancierte Gesangsmelodie komplett und klingt dabei wie ein untot lallender Widergänger seiner selbst. Selten habe ich eine miesere Coverversion gehört als diese Eigengrablegung.

Bislang hielt John Fogerty mit seinem gleichfalls blutarmen "Wrote A Song For Eyeryone" den Rekord der konsequentesten Selbstverstümmelung des eigenen Schaffens. Whitesnake toppen diese goldene Himbeere mit überraschend suizidaler Leichtigkeit.

Trackliste

  1. 1. Burn
  2. 2. You Fool No One (Interpolating Itchy Fingers)
  3. 3. Love Child
  4. 4. Sail Away
  5. 5. The Gypsy
  6. 6. Lady Double Dealer
  7. 7. Mistreated
  8. 8. Holy Man
  9. 9. Might Just Take Your Life
  10. 10. You Keep On Moving
  11. 11. Soldier Of Fortune
  12. 12. Lay Down Stay Down
  13. 13. Stormbringer

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10 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Die versemmeln es auch noch. Oh man.

    • Vor 8 Jahren

      schon als ich deinen kommentar im vorchecking sah, dachte ich mir:
      "oh man, der arme toni. wenn er nur schon wüßte, was das für ne grütze geworden ist."
      dabei waren die mal so gut und haben mit "live - in the heart of the city" doch wirklich eine der besten rock-live-scheiben aller zeiten abgeliefert.
      https://www.youtube.com/watch?v=Lju10XoFOmg

    • Vor 8 Jahren

      Allerdings und da sie vor paar Jahren ein halbwegs brauchbares Comeback abgeliefert haben, dachte ich, das es wenigstens ein solides Album wird. Vielleicht hör ich jetzt doch mal in die Europe rein.

  • Vor 8 Jahren

    Ich fand schon die Vorschau auf youtube übel. Soldier of Fortune ist genau wie oben beschrieben. Das machen Opeth wesentlich besser. Am Beispiel Whitesnake sieht man aber, wie sehr Coverdale von seinen Mitstreitern abhängig ist. Abgesehen davon hat Coverdale musikalisch die 70er verlassen, aber die 80er nie beendet. Ich werd wohl (oder übel) mal reinhören, aber ich glaube, ich weiß genau, was mich erwartet.

  • Vor 8 Jahren

    Er macht es wie der andere David(Lee Roth)...er kann's einfach nicht mehr. Wenn man seine an sich tollen Songs so zerrknödelt...pah...brauch kein Mensch...um auf Diamond Dave zurück zu kommen: Da stimmt wenigstens noch die
    Mucke, aber bei DC ist alles nur noch traurig durch den öden Metalwolf gedreht...ich geh jetzt erst Mal "Live...in the heart of the City" hören...

  • Vor 8 Jahren

    Na bitte ...wieder mal die Keule ausgepackt ? Dass DC heute nicht mehr die Stimme von damals hat- eh klar. Aber im Gegensatz von den letzten Heavy Alben sind hier einige Songs doch sehr gut neu interpretiert und ermöglichen somit vielen Jungen den Zugang zu DP Mark III und IV. Finde "Might Just take your life" , "Holy Man" "Lay down, stay down" zb sehr gelungen. Da hört man aber schlechteres Alterswerk.

  • Vor 8 Jahren

    @Langobarde: "Den wahren und truen Metalsupportern gefällts ?". Das halte ich für ein Gerücht, denn bislang habe ich keinen einzigen getroffen, der dieses Frankensteinalbum ernsthaft gut findet. Da schließe ich mich selber mit ein, denn ich bin Metal-und Hardrockfan seit über 30 Jahren, aber nicht geschmacksverwirrt. Mit diesem katastrophalen Armutszeugnis hat Coverdale sich selbst endgültig ins Genick geschossen. Eine solche Platte hätte kein Schwein gebraucht. Erstaunlich, dass der Mann selber anscheinend nicht merken (oder zugeben) will, was er da verbockt. Spätestens nach "Slip of the tongue" hatten Whitesnake ihr Pulver (leider) verschossen und an die unantastbaren Frühwerke mit Moody und Marsden kam eh keine spätere Scheibe mehr heran. Von den erstklassige Deep Purple-Scheiben mit Cov ganz zu schweigen, die er mit dem "Purple Album" grausam entstellt hat. Dem guten David ist jedes Fingerspitzengefühl abhanden gekommen.

  • Vor 6 Jahren

    Oh je, was ist aus David Coverdale geworden? Habe ihn in den 80' sehr verehrt...das ist Purple/Whitesanke als billiger US Radio Rock mit ruinierter Stimme...

    Dass es auch anderes geht, beweisen Deep Purple selbst.
    Auch Ian Gillans Stimme hat gelitten, mit 70 sind die hohen Töne passé, das ist völlig normal!
    Aber: Sie bewahren den Geist ihres Werks immer noch (The Infinite Live Recordings, Vol. 1), gafällt mir immr gut, was sie heute machen.

    Davids Stimme kling über Albumlänge dermaßen unterschiedlich, vermutlich ist nachgeholfen worden...