laut.de-Kritik

Kalkulierte Tabubrüche, um die Sittenwächter zu triggern.

Review von

"Das hier ist die Mondscheinsonate 2", verspricht Alligatoah im Opener "TP4L". Seit jeher stellt das Talentgefälle innerhalb der Formation das augen- und ohrenfälligste Merkmal Trailerparks dar. Die immerwährende Mixtur besteht aus einer Ohrwurm-Hook des Multitalents Alligatoah und einige mit vermeintlichen lyrischen Tabubrüchen gefüllte Strophen von Basti, Sudden und Timi Hendrix. So gesehen verhalten sich die Beiträge des Aushängeschilds zu den restlichen Crackstreet Boys wahrhaftig wie eine Klaviersonate von Ludwig van Beethoven zu Möhres "20 Zentimeter!?"-Gassenhauer.

Inhaltlich bewegen sich Trailerpark erneut im Zeichen des KKK - Koks, Koprophilie und Kindesmissbrauch. Händeringend buhlen sie darum, schockierte Reaktionen zu ernten: "Von minderjährigen Hoes zu noch minderjährigeren Hoes. Und frage mich, warum bei mir der Jugendschutz greift, immerhin fahr' ich langsam an der Schule vorbei." Derartigen unbekümmerten Frohsinn verbreitet Label-Chef Basti praktisch durchgehend. Im Vergleich dazu haben 4Tune und Der Asiate mit "Bang Shui" ein humoristisches Manifest abgeliefert.

Fortwährend reproduzieren Basti, Timi Hendrix, Sudden und Alligatoah x-fach behandelte Themen. Die mal eindeutig, mal weniger eindeutig vorgetragene Aufforderung zum Drogenkonsum bescherte Alligatoah bereits den "Triebwerke"-Hit "Willst Du". Auf "TP4L" finden sich ähnliche Töne auf "Sterben Kannst Du Überall". "Poo Fighters" wiederum legt den "Poo-Tang Clan" aus "Crackstreet Boys 3" neu auf: "Kot macht erfinderisch. Ah, das ist Kot für die Welt, Mann. Wir produzieren nur Kacke so wie Tokio Hotel. Hab' mich tierisch im Kot gesuhlt. Trailerpark, das sind die mit dem roten Stuhl."

Der fortwährende Neuaufguss macht leider auch vor den Produktionen nicht Halt. Tai Jason, der von "Aggro Ansage Nr. 5" über "Ich" bis "X-Tasy" die goldenen Aggro-Jahre musikalisch prägte wie höchstens noch die Beathoavenz, erscheint nun nur noch gestrig. Am deutlichsten kommt dieser Umstand in "Poo Fighters" zum Tragen, der mit den gleichen Soundeffekten einsteigt wie B-Tights "Ich bins" anno 2007. Auch sonst geben die Produktionen wenig Spannendes her. Während es mit dem "Rapetrain" ohne Umschweife in die Rummelbums-Disko geht, bewegen sich "TP4L" und "Nach Allen Regeln Der Kunst" mit vergleichsweise zahmen Gitarreneinsatz in Richtung Crossover.

Natürlich misslingen nicht alle Songs. In "Arbeitskollegen" bestehen die vier Jungs aus der Wohnwagensiedlung darauf, gar nicht so dicke miteinander zu sein wie es vielleicht den Anschein erweckt. Vielmehr seien die jeweils drei anderen Mitglieder lediglich Arbeitskollegen und somit bekanntlich "für'n Arsch". Die Dissattacken schaukeln sich gegenseitig hoch: "Äh, was, TP4L? Basti geht es nur um Geld und Alligatoah spielt seit Jahren einen Heterosexuellen." Letztgenannter leitet seine Strophe mit der denkbar ehrlichsten und passendsten Zeile des Albums ein: "So, und jetzt 'ne gute Strophe."

In "Nach Allen Regeln Der Kunst" berufen sich Trailerpark auf ihre verfassungsgemäßen Grundrechte: "Wir benehmen uns wie in der Jungsteinzeit, berufen uns dabei auf die Kunstfreiheit." Da können die Kritiker noch so viel mäkeln: "'Eure Art zu reden ist stumpf, seid einfach nur ekelhaft, schäbig und dumm.' - Und jetzt!?" Eine lobenswerte Message, die nicht nur bevormundenden Rezensenten den Wind aus den Segeln nimmt, sondern auch ein wenig Selbstreflektion durch die oft plumpe Oberfläche hindurchscheinen lässt.

"Schlechte Angewohnheit? Sorry, ich hab' keine. Vielleicht, dass ich in den Kindergarten schleiche, verkleidet als Anders Breivik?" Wer sich über ApoReds "Bomben-Pranks" beömmelt, wird sicherlich auch an "TP4L" seine Freude haben. Allen anderen sollten die konsequenten Versuche, Sittenwächter zu triggern, besser mit Nichtbeachtung strafen. Ohnehin besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass selbst die im tiefsten Hinterland verortete CSU-Gemeinderätin durch eine derart aufdringliche Pseudo-Provokation maximal zum nachsichtigen Kopfschütteln animiert wird.

Trackliste

  1. 1. TP4L
  2. 2. Endlich Normale Leute
  3. 3. Sterben Kannst Du Überall
  4. 4. Poo Fighters
  5. 5. Hab Dich Mal Nicht So
  6. 6. Arbeitskollegen
  7. 7. Armut Treibt Jugendliche In Die Popmusik
  8. 8. Nach Allen Regeln Der Kunst
  9. 9. Schlechte Angewohnheit
  10. 10. Rapetrain
  11. 11. Als Gelesen Markiert
  12. 12. Weg Von Hier
  13. 13. Aragorn

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14 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Hier wird leider überhaupt nicht auf die Musik selbst eingegangen. Dass man die Textinhalte bisher gewöhnt ist, ist klar, aber von der Technik und vom Wortwitz her sind viele Songs sehr gut und interessant zu hören, gerade Sudden hat sich, auch was Gesang angeht, deutlich verbessert. Auch den Jungs jetzt noch einfach die Intention anzuhängen, sie würden auf gleiche Weise nur provozieren wollen wie tatsächliche Bombenpranks, ist aus der Luft gegriffen.
    Das Album ist sicher nicht perfekt, aber wer versucht, Trailerpark auf eine textliche Aussage reduzieren zu wollen, hat schon von Anfang an versagt.

    • Vor 6 Jahren

      Immer dieses Technik- und Wortwitzgedöns. Richtig doitsche Rucksackrapperargumentation. Nichts gegen dich persönlich, aber was bringt dir Technik und Wortwitz, wenn die Musik unhörbar ist? SunDiego und Hopsin sind auch 1A Rapper und können technisch viel. Leider haben sie auch musikalisch wenig Geschmack.

    • Vor 6 Jahren

      Achso, ich meinte damit eher Flow und humoristische Punchlines, wodurch viele Songs wohlklingend und interessant bei mehrerem Hören sind. Ob die Flow- und Humorart gefällt ist dann ja komplett subjektiv.

    • Vor 6 Jahren

      Versagt haben wohl eher alle an dieser Albumproduktion Beteiligten und jede/r, die sich freiwillig mehr als ein Lied dieser Truppe anhören.

  • Vor 6 Jahren

    2 Punkte gibt es schon einmal allein für das konsequente Ignorieren dieser verfickten trap-, und cloudrap scheisse, die gerade angesagt ist.
    Den 3ten gibt es, weil man der Linie treu bleibt und keine beschissene weichgespühlte moralscheiße macht sowie wie kiz.
    den 3,5 Punkt gibt es, weil es echt einige sehr sehr gute lines hat. und den 0,5ten Punkt für die 4 punkte gibt es für das wie immer brilliante vortex-solo.
    Ja, ich bin ein fanboi, ja ich bin irgendwie nach erreichen des 13ten Lebensjahres hängengeblieben... scheiss drauf! :koks:

    • Vor 6 Jahren

      Wenn du ein Fanboi bist dann solltest du wissen das sie rappen: "Es folgt ein weichgespültes Album ohne harten Rap, wir verraten die Musik für Kohle, so wie K.I.Z"

      Damit setzen sie sich übrigens gleich mit KIZ und zudem sind Trailerpark im Jahr 2012 auch als Vorgruppe von denen aufgetreten :D sorry aber KIZ Fanboi :D

      Den Rest kann ich so unterschreiben ^^

  • Vor 6 Jahren

    Meiner Meinung nach ein unglaublich erfrischendes Album. Super melodisch, lustige Lines, wesentlich besser ausgeklügelte Lines als noch auf CSB 3. Gerade wenn man wirklich jedes gleich klingende KMN Sound Lied gehört hat, ist es einfach nur schön mal wieder gute Musik mit talentierten Musikern zu hören. Verstehe die Kritik nicht. Erst recht die hier auf laut.de ist unglaublich schlecht und einseitig geschrieben. Es ist keine Musik die ich seit Jahren höre oder ähnliches. Aber man sollte jeder Nische die Chance geben einen zu überzeugen. Von daher muss ich als früherer absoluter anti Clown Rap Überzeugter sagen, dass gerade Sudden und Alligatoah mich endlich dazu bekommen haben sie als gute Musiker zu empfinden. Von Timi Hendrix und Basti war ich so oder so schon immer überzeugt.