Porträt

laut.de-Biographie

Schwesta Ewa

Der zweite Weihnachtsfeiertag 2011: Irgendwo in Frankfurts Bahnhofsviertel hinter verdunkelten Fenstern wird ein Laptop aufgeklappt und der Rapwelt ein zwielichtes Video dargeboten: "Schwätza" von Schwesta Ewa. Bereits einen Monat später hat das Geschenk auf Oldschool-Beats einen Gegenwert von über einer Million YouTube-Clicks.

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Wenige Eingeweihte reichen Anfang 2012 die spärlichen Hintergründe herum. Schwesta Ewa heißt eigentlich Ewa Müller, stammt gebürtig aus Polen und geht laut eigener Aussage auf den Strich.

"Schwätza" behandelt folglich, genauso wie die nachfolgenden, sehr lakonisch betitelten Veröffentlichungen "Realität", "60 Punchbars", das Feature mit Celo & Abdi oder "Halt Die Fresse", die Straßenexistenz zwischen kleinerer und größerer Kriminalität, zwischen Anschaffen, Abziehen und Paaraufsmaul. Gerne gefilmt in Striptease-Bars oder direkt auf von Neonröhren beleuchtetem Zement.

Die Provokation aus dem Hause Alles oder Nix Records geht offensichtlich auf: Während Labelboss Xatar wegen Körperverletzung und Raubüberfall die nächste Jugendgefährdung an die Gefängniswand schreibt, textet sich Schwesta Ewa als eine der wenigen Frauen ganz nach vorne in die Liga "Harte Lyrics, Härtere Realität".

So wirft sie (scheinbar) selbst die Frage auf, in wieweit eine Prostituierte als Rollenvorbild funktionieren kann, wenn im "Realität"-Clip die Unterzeile "Ein schlechtes Vorbild?" durch den Ticker läuft.

Konkrete Antworten liefert Ewa, die seit Teenagertagen rappt und Xatar 2012 schon zehn Jahre "von der Straße" kennt, allerdings nicht: "Ich kann die Kritik am Frauenbild verstehen", lässt sie im Backspin TV-Interview wissen.

Schwesta Ewa - Aaliyah
Schwesta Ewa Aaliyah
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Letztlich müsse die Welt Arbeitnehmerinnen wir ihr aber danken, weil "ohne Nutten würde die Männerwelt durchdrehen". Ein paar Sätze später prahlt die Frankfurterin, die bis zum Umzug nach Frankfurt 2004 15 Jahre in Kiel gelebt hat, mit ihrem Straßenmarktwert in St. Tropez und Monaco.

Unterdessen feiern die User-Kommentare zu den Videos heute Trivialitätsbingo und tanzen morgen den Niveaulimbo. Ganz der Idee verpflichtet, authentizistisches Facting aus der nächtlichen Lebenswirklichkeit käme irgendwie auch schon Bedeutung gleich, verzichtet die Ghettorapperin jedoch auf etwa Cora E.-artige Reflexion.

Lieber lädt sie auf Facebook Fotos hoch, auf denen sie beim Tätowierer Jack Daniel's aus Dosen trinkt. "Echte" Nonchalance gegen "unechte" Hollywood-Rapper, "weils ohne Rotlicht für Frauen wie mich kein Brot gibt". Na, dann: Guten Hunger!

Spätestens 2016 bleibt Ewa der Brocken allerdings im Hals stecken: Im September 2016 wird sie im Rahmen einer Razzia verhaftet. Monatelang sitzt Ewa, die in dieser Zeit ihren Namen von Müller in Malanda ändern lässt, in Untersuchungshaft, ehe die Staatsanwaltschaft im April 2017 die Anklageschrift veröffentlicht.

Die Vorwürfe erscheinen so ungeheuerlich, dass die Ewa ebenfalls angekreideten Steuervergehen daneben wie eine Lachplatte wirken: Die Rapperin soll teils minderjährige Fans in emotionale und finanzielle Abhängigkeitsverhältnisse verwickelt und anschließend in die Prostitution getrieben haben. Die Mutter eines ihrer Opfer hatte Anzeige erstattet.

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Die Kläger werfen Ewa demnach Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, ausbeuterische Zuhälterei und Körperverletzung vor - und eben Steuerhinterziehung, weil sie die aus Zuhälterei erzielten Einkünfte nicht versteuert haben soll. Ihr Label sagt dazu nicht etwa alles, sondern nix.

Die Verurteilung folgt Ende 2017, allerdings "nur" wegen Körperverletzung und Steuerhinterziehung, was ihr 2 1/2 Jahre einbrockt. Dass Ewa also dafür verurteilt wird, dass sie angeblich freiwillig für sie arbeitende Prostituierte regelmäßig verprügelt hat und somit einer Verurteilung für Zuhälterei entgeht, halten nicht wenige juristische Fachmedien für einen veritablen Justizskandal.

In Folge der Geburt ihrer Tochter Aaliyah Anfang 2019 wird der Haftantritt auf Anfang 2020 verschoben. Die Landesjustizverwaltung verweigert Ewa aber einen Platz in der einzigen Mutter-Kind-JVA-Einrichtung in NRW, weshalb Ewa ihre Haft im Januar 2020 alleine antreten muss.

Die mediale Aufmerksamkeit nutzen Ewa und Labelboss Xatar zur Veröffentlichung von "Aaliyah" kurz nach dem Haftantritt. Das Album reiht sich in ihre bisherige Diskographie ein, und soll vordergründig eine Liebeshymne an die Tochter darstellen. Das angesichts der Umstände gelungene Album trieft aber erneut vor Gewaltandrohungen und unreflektierter Misogynie. Immerhin, bleibt sie sich treu und als Kunstfigur interessant.

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