Porträt

laut.de-Biographie

Ladytron

Manchmal macht sogar der NME alles richtig. Drei Ladytron-Songs kürten Redakteure der meinungsmachenden UK-Musikgazette innerhalb eines Jahres zur "Single Of The Week". Naturgemäß entsteht so zwangsläufig ein Hype, da große Plattenfirmen ihre Antennen zu den meist kleinen Labels (oder Proberäumen) ausfahren und um die Gunst der Geehrten buhlen. Den Liverpool-Vierer Ladytron ließ das anscheinend kalt. Den Zuschlag erhielt das Indie-Label Emperor Norton.

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Richtig heiß dürften die großen Companies vor allem aufgrund des seit etwa 1999 lichterloh grassierenden 80s-Revivals geworden sein, dank dessen Hype-Stilisierung man auch Ladytron prima hätte vermarkten können. Denn Reuben Wu, Daniel Hunt, Helena Marnie und Mira Aroyo kitzeln herzzerreißende Popmusik aus herrlich alten Moog-Synthesizern.

Da liegen Parallelen zum 80s-Sound von Visage, Human League und den alten Heroen von Kraftwerk auf der Hand. Referenzen, die zumindest ein wenig zur Klang-Charakterisierung beitragen. Songwriter Hunt sieht die allgegenwärtigen Vergleiche dennoch gelassen: ihm zu Folge fehlt es den 80er Jahren vor allem am Sinn für Eleganz und Stil. An puristischen Elektrocombos kann er ebenfalls nichts finden und im gegenwärtigen Kraftwerk Line Up sieht er nur noch eine Selbstkopie.

Dennoch erinnern die Liveshows des Quartetts recht ungeniert an die Bühnen-Inszenierungen der Düsseldorfer: Songwriter Hunt und Cover-Illustrator Wu stehen sich im Bühnen-Hintergrund statisch gegenüber, während die bulgarische Mikrobiologin Aroyo und das schottische Model Marnie dem Publikum zugewandt ihre Stimmchen schwingen lassen.

Hinter die Band werden Visuals auf Leinwände projiziert und die Protagonisten selbst hüllen sich in Mao-ähnliche Uniformen - eine Idee, die man Michael Crichtons 60er Science Fiction-Schinken "Andromeda Strain" entlehnte. Dieses seltsame Schauspiel beeindruckte schon Anfang 2000 die Herren von Air auf einem Pariser Live-Auftritt. Und doch stehen Livegigs im Vergleich zu Studioarbeiten bei der Band nicht so hoch im Kurs.

Die Stützen des Ladytron-Gesamtkonzepts bilden Musik, Style und Design, was schon der von einem Roxy Music-Song entlehnte Bandname verrät. Doch wie kams zur Bandfindung? Bevor es solch niedliche Songtitel wie "Commodore Rock" oder "He Took Her To A Movie" zur NME-Wochensingle schafften, werkelten die Hobby-DJs Wu und Hunt seit 1998 zu zweit an ihrem Material. Den Namen Ladytron fand Hunt schon länger schick und als Marnie hinzustieß und schließlich noch die Bulgarin Aroyo zur Probe mitbrachte, hatte man auch eine Verwendung für ihn.

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In der Folge arbeitet das Quartett Hunts bereits vorliegende Songskizzen aus und heraus kommen mal klinisch reine ("Playgirl"), mal dreckig soulige ("Another Breakfast With You") Synthie-Popsongs, die trotz allem Retro-Charme hochmodern klingen. Auf "604" (Labels/Virgin) ist der Großteil der zweijährigen Kompositionsarbeit seit 2001 auf Longplay-Format versammelt. Nach einem Wechsel zur Major-Plattenfirma Eastwest erscheint im April 2004 das zweite Ladytron-Album "Light & Magic", kurz zuvor die Single "Seventeen".

Deutschland scheint jedoch nicht an vorderster Stelle der zu erobernden Märkte zu stehen. Die Band beschränkt sich auf ausgiebiges Touren in der Heimat und besucht das Ausland höchstens für vereinzelte Festivalauftritte (Benicassim, Frequency, Pukkelpop, Berlin Festival). Ihr drittes Album "Witching Hour" erscheint hierzulande zunächst nicht regulär, sondern nur als Import über Universal, was zur Folge hat, dass kaum jemand davon Notiz nimmt. Derweil spielt das Quartett im November eine einwöchige Schnupper-Tour in USA/Kanada, die im April 2006 um zwei Wochen ausgedehnt wird.

Zum Abschluss dürfen die Briten auf dem kalifornischen Coachella Festival neben Depeche Mode, Franz Ferdinand und Tool auf die Bühne steigen. Kurze Zeit später wird ihnen die Ehre zuteil, für eine geplante Compilation einen Song von Blondie zu remixen.

Was von März bis Mai 2007 geschieht, dürften europäische Ladytron-Fans als blanken Hohn empfinden: Das Quartett kommt zwar auf ausgedehnte Deutschland-Tournee, allerdings im Vorprogramm von Trent Reznors Nine Inch Nails (Nur Berlin bekommt eine Clubshow im Magnet). Dass für die längst bekannt gegebene NIN-Tournee schon fast alle Tickets ausverkauft sind, versteht sich von selbst.

Derweil erscheint "Witching Hour" im April über das Hamburger Label Major Records (I Am X, Boytronic) doch noch offiziell. Nach einem weiteren Album ("Velocifero", benannt nach dem Kult-Scooter aus den 50er-Jahren) sehen Ladytron den Zeitpunkt gekommen, ihre Karriere mittels Best Of-Album Revue passieren zu lassen.

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Dazwischen begegnen Fußballfans mit "Ace Of Hz" im Videospiel FIFA 11 einem Vorboten für den nächsten Longplayer "Gravity The Seducer". Der erscheint Ende 2011. Hunt beschreibt die Platte in einem Interview als "ätherischer und melodischer" als es "die letzten Alben waren". Danach tourt die Band durch Nordamerika, Südamerika und Asien.

2012 beginnt dann Helen Marnie eine Solo-Karriere. Unter ihrem Nachnamen veröffentlicht sie zwei Alben, "Crystal World" (2013) und "Strange Words And Weird Wars" (2017). Auch die anderen Mitglieder verfolgen eigene Projekte. Hunt arbeitet über die Jahre als Filmkomponist, etwa für "Would You Rather" von 2012. Zudem zeichnet er sich auch für die Produktion von Marnies Debüt verantwortlich. Wu betätigt sich nebenbei als Fotograf und Mira leiht des Öfteren anderen Projekten ihre Stimme, etwa 2011 John Foxx And The Maths. Zudem haben Ladytron im Laufe ihrer Karriere zahlreiche Remixe produziert, etwa für Dave Gahan, Erasure, Goldfrapp oder Nine Inch Nails.

Aber auch andere Künstler remixen die Band, wie "Gravity The Seducer Remixed" von 2013 beweist. 2014 sieht man sie kurz in der Doku "Beautiful Noise".

Nur ein neues Studioalbum, das lässt lange auf sich warten. Anfang 2018 starten die Liverpooler eine Pledge-Kampagne, um die Aufnahmen zu beenden und es releasen zu können. Rund ein Jahr später kommt es schließlich auf den Markt. Die Band benennt es schlicht nach ihrem Namen. Im Gegensatz zum Vorgänger vernimmt man wieder vermehrt treibende Töne, die hier und da krautrockiges Flair versprühen. Zudem gibt es einen Überraschungsgast, nämlich Drummer Igor Cavalera von Sepultura.

Letzten Endes haben Ladytron ihre Musik stets um zusätzliche Elemente erweitert, ohne ihre melodischen und klanglichen Trademarks zu verleugnen. Dadurch haben sie über die Jahre nichts an musikalischer Relevanz eingebüßt.

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