Porträt

laut.de-Biographie

King Crimson

Für die einen Genies, für die anderen verkopfte Spinner - an King Crimson scheiden sich die Geister. Unbestritten ist jedoch die Tatsache, dass die Band um den Gitarristen Robert Fripp seit über 45 Jahren als kultartig verehrter Fixstern am progressiven Rockfirmament erstrahlt.

R.I.P. 2022: Musiker:innen, die wir vermissen
R.I.P. 2022 Musiker:innen, die wir vermissen
Farewell Taylor Hawkins, Meat Loaf, Christine McVie, Andy Flechter, Jerry Lee Lewis, Terry Hall, Mark Lanegan, Takeoff, Loretta Lynn, Coolio ...
Alle News anzeigen

"King Crimson ist eher eine Art, Dinge umzusetzen. Wenn es nichts zu tun gibt, wird nichts getan, und Crimson verschwinden. Wenn es Musik zu spielen gibt, die nur sie spielen können, tauchen sie früher oder später wieder auf. Wenn nur alles im Leben so simpel wäre", erklärt Mastermind und einziges beständiges Mitglied Fripp gewohnt egozentrisch die kurvenreiche Lebenslinie seiner Band.

Eine konstante personelle Fluktuation ist für den schwarzhumorigen Briten unabdingbare Grundvoraussetzung für die Erhaltung musikalischer Kreativität. "Jede Besetzung ist Grundlage, Antrieb, Evolution und Mutation für die nächste." Wenn sich alle temporären Mitglieder, die über vier Jahrzehnte das unentwegt kreisende Bandkarussell bevölkerten, zum Klassentreffen versammeln würden, ergäbe das folglich eine illustre Runde von über 20 Mann.

Die erste "Inkarnation" (Fripp) reift 1969 in dessen kreativem Hirn heran und findet noch im selben Jahr ihren Weg auf Vinyl, nachdem King Crimson kurz zuvor als Vorband der Rolling Stones 650.000 Menschen im Londoner Hyde Park in andere Sphären verschicken. Mit dem Debütalbum "In The Court Of The Crimson King" zaubert die englische Band einen zeitlosen Klassiker, der die Geburtsstunde des Progressive Rock markiert und in den folgenden Dekaden enormen Einfluss auf nachfolgende Bands wie Yes, Genesis, Tool und Porcupine Tree ausübt.

Nicht nur Pete Townshend schwärmt von diesem "unheimlichen Meisterwerk". Virtuose Instrumentalstücke, ellenlange Improvisationen, hochtönige Titel, perfekte Produktion, absurde und surreale Texte sind Merkmale, die sich konsequent durch das Schaffen der Band ziehen.

Trotz ständig wechselndem Line-up erscheinen mit unterschiedlichem Erfolg in sechs Jahren sieben Alben. "Red", das vorerst letzte, posthum, nachdem ein ausgebrannter Robert Fripp 1974 erklärt, dass King Crimson "absolut und für immer und ewig beendet" seien. Ein Running Gag, der sich durch die Geschichte zieht und sich ausgerechnet immer dann wiederholt, wenn der kommerzielle Durchbruch den nicht gerade pflegeleichten Querköpfen zum Greifen nahe liegt.

Das kommt davon, dass Fripp dem Musikbusiness in etwa so viel abgewinnen kann wie einem Loch im Kopf und alles andere als geneigt ist, nach dessen Regeln zu spielen. "Schlimmer als eine Plattenfirma, die sich nicht um ihre Musiker kümmert, ist eine, die sich um sie kümmert." Es folgen Soloaktivitäten, Fripp arbeitet mit Brian Eno, Peter Gabriel, David Bowie, Daryll Hall, Blondie und David Sylvian zusammen.

1981 ist es wieder so weit. Einziges Überbleibsel neben Fripp ist der Schlagzeuger Bill Bruford, dazu gesellen sich Tony Levin (John Lennon, Paul Simon) am Bass und Adrian Belew (Frank Zappa) an Gitarre und Mikrofon. Die Formation bleibt auch für die folgenden zwei Alben bestehen; der Sound ist poppiger, trotz aller Virtuosität werden Vergleiche mit Talking Heads und Police gezogen.

Management-Probleme und Streit mit der Plattenfirma führen zu einer mehrjährigen Pause und 1990 schließlich zur Gründung des Labels Discipline Global Mobile (DGM). Mit seiner eigenen Plattenfirma will Robert Fripp ethische Grundsätze verfolgen, das Streben nach Profit spielt hier nur die zweite Geige. Das Label veröffentlicht zunächst vor allem Live-Mitschnitte aus allen Schaffensphasen von King Crimson.

Als 1995 das Album "THRAK" erscheint, hat Fripp die Idee eines Doppeltrios ausgebrütet: zwei Gitarristen, zwei Schlagzeuge und zwei Bässe. Neben einigem neuen Studiomaterial - darunter eine ganze Reihe "ProjeKcts", in denen Mitglieder in verschiedenen Kombinationen auftreten - erscheint in den 90ern eine Fülle an Livematerial und alternative Tracks aus den 70er Jahren.

Um die Jahrtausendwende frönen die purpurnen Könige ausgedehnten Touraktivitäten und begleiten 2001 unter anderem Tool, die Prog-Metal Könige der Neunziger, auf deren Einladung hin im Vorprogramm auf ihrer visuell Maßstäbe setzenden Lateralus-Tournee. "Nun wisst ihr ja, bei wem wir geklaut haben. Aber erzählt es niemandem, vor allem nicht den Mitgliedern von King Crimson", scherzt Tool-Sänger Maynard James Keenan - sichtlich stolz, mit seinen musikalischen Helden auf derselben Bühne zu stehen.

Im März 2003 erscheint das bislang letze Studioalbum "The Power To Believe", doch auch in der Folge erscheinen auf dem DGM-Label jährlich mehrere Live-Alben. Bis Mitte 2007 sind in der King Crimson Collectors' Club-Reihe insgesamt 35 Live-Konzerte erhältlich, die in den Jahren 1969 bis 2000 aufgezeichnet wurden und so praktisch alle Schaffensphasen der Bandgeschichte abdecken.

Im August 2008 präsentieren die Prog-Dinosaurier bei einem Konzert in Chicago Gavin Harrison, bisher Drummer von Porcupine Tree, als neues Mitglied. Deren treibender Kraft, Steven Wilson, ist es auch zu verdanken, dass den Fans zum 40-jährigen Wiegenfest King Crimsons 2009 ein ganz besonderer Ohrenschmaus zuteil wird. Zusammen mit Robert Fripp bringt Wilson den Backkatalog seiner Ziehväter auf den aktuellsten klangästhetischen Stand, so dass sich audiophile Feinschmecker ab Herbst 2009 über neu abgemischte Re-Issues im 5.1 Surround Sound freuen können.

Robert Fripp bleibt seiner Rolle als britische Drama-Queen auch weiterhin treu und gibt im Jahr 2012 seinen "endgültigen" Rückzug aus der Musikindustrie bekannt. Seine langjährigen rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Universal Music Group haben ihm angeblich jede Freude am Musizieren genommen. Ein Lücke im Herzen des Progressive Rock, die aber für gerade einmal 13 Monate klafft: Im September 2013 kündigt Fripp eine weitere Inkarnation King Crimsons an.

Wie gewohnt nimmt der Chef keine Rücksicht auf Verluste und gibt seinem Langzeit-Partner Belew nach 32 Jahren per E-Mail den Laufpass. Belew landet in der Folge bei Gizmodrome, unterdessen wird Jakko Jakszyk, zuvor bereits Kollaborateur zahlreicher Crimson-Heads, als neuer Frontmann vorgestellt. Wobei von 'Front' keine Rede sein kann. Denn die 2014 beginnende 'The Elements Of King Crimson'-Tournee steht ganz im Zeichen des Schlagzeuger-Trios, das die vordere Bühnenhälfte einnimmt. Neben Gavin Harrison und Langzeit-Drummer Pat Mastelotto ist auch ex-R.E.M.-Trommler Bill Rieflin erstmals Teil der auserlesenen Elite.

Die in Blöcken abgehaltene Tournee erntet weltweit euphorische Kritiken und findet auch 2016 kein Ende. Der sonst so improvisationsfixierte Fripp zeigt sich fast schon altersmilde und lässt sogar vielgeforderte Stücke des legendären Erstlings in die Setlist einfließen. Obwohl mancherorts als Abschiedstournee verschrien, taucht im Laufe der Sets auch immer wieder neues Material auf. Und selbst wenn es zu keinem weiteren Studioalbum kommen sollte: King Crimson verschwinden und King Crimson kehren zurück. Denn King Crimson überleben alles und jeden. (Außer Fripp.)

News

Alben

Surftipps

  • Offizielle Seite

    Die offizielle Seite der Band repräsentiert auch das DGM Live-Label. Informativ und mit zahlreichen Live-Mitschnitten zum Download.

    http://www.king-crimson.com/
  • Facebook

    Auch bei Facebook sind die alten Herren inzwischen am Start.

    https://www.facebook.com/kingcrimsonofficial

3 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 7 Jahren

    Man hat im Laufe der Zeit schon viel Biographisches über K.C. lesen können, ...
    ... aber es hat nun wirklich niemand vorher u. nachher geschafft, die Kernphase der Band zwischen dem Erscheinen vom Debütalbum I.T.C.O.T.C.K. 1969 bis zum Ende der für die Mehrzahl aller 'CrimHeads' besten (u. legendärsten) KC-Inkarnation mit R.Fripp, B.Bruford u. J.Wetton) 1974 so konsequent totzuschweigen ... - Glückwunsch!^^

    Das ist ungefähr so einzuordnen, als hätte es Genesis nie mit Peter Gabriel oder Pink Floyd nie mit Roger Waters gegeben ... - ein wenig mehr Tiefe wäre (nicht nur) dieser Biographie zu wünschen!

    • Vor 7 Jahren

      @plotzek:
      Und wenn man lexikonartig diese Phase gewichtet ohne Ende, meckert die 'Grimmhetz' wieder rum, daß King Crimson danach auch noch einiges gemacht haben, was in der Biographie viel zu kurz kam und doch besser ausformuliert werden soll.
      Für'n ersten Überblick reicht's; daß die letzten Jahre etwas stärker gewichtet werden, hängt damit zusammen, daß laut.de zu diesem Zeitpunkt bereits aktiv war und daher aktuelle Nachrichten mit in die Biographie einarbeiten konnte ... alles kein Verbrechen. Wer mehr Details haben möchte zu dieser Gruppe inkl. Namedropping Deluxe und Querverweise, findet lange und breite und tiefe und purpurfarbene Biographien auch an anderer Stelle, wie bereits von Dir selbst angemerkt.
      Gruß
      Skywise

  • Vor 7 Jahren

    Man hat im Laufe der Zeit schon viel Biographisches über K.C. lesen können, ...
    ... aber es hat nun wirklich niemand vorher u. nachher geschafft, die Kernphase der Band zwischen dem Erscheinen vom Debütalbum I.T.C.O.T.C.K. 1969 bis zum Ende der für die Mehrzahl aller 'CrimHeads' besten (u. legendärsten) KC-Inkarnation mit R.Fripp, B.Bruford u. J.Wetton) 1974 so konsequent totzuschweigen ... - Glückwunsch!^^

    Das ist ungefähr so einzuordnen, als hätte es Genesis nie mit Peter Gabriel oder Pink Floyd nie mit Roger Waters gegeben ... - ein wenig mehr Tiefe wäre (nicht nur) dieser Biographie zu wünschen!

  • Vor 7 Jahren

    Stimmt plotzek.
    Man merkt vor allem, dass Fripp mit Belew dem letzten Songwriter den Laufpass gegeben hat. Jetzt fußt alles auf seinem Nichtkönnen in dieser Hinsicht (was wäre er ohne Belew, Wetton, McDonald, Lake, ...)
    An der Gitarre ist er ein Meister. Sounds hat er perfektioniert. Leider lässt sein Ego scheinbar mittlerweile keinen mehr neben ihm zu, der gute Songs schreiben kann.
    Also werden die alten Sachen wiederholt und ähnlich einem Klassik-Konzert und nahezu seelenlos aufgeführt. Natürlich gibt es Menschen, denen dies gefällt. Mir nicht.