Porträt

laut.de-Biographie

Kasabian

Leicester? Was? Ich kenne nur Manchester. Naja, so falsch liegt man da - abgesehen vom Geographischen - bei Kasabian auch gar nicht. Mit 'Madchester' verbindet sie vor allem der Sound ... und das Aussehen ihres Sängers, der in seinen Posen schemenhafte Erinnerungen an die frühen Jahre der Stone Roses herauf beschwört.

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Schon mit vier Jahren fühlt sich Tom Meighan zu einer Karriere als Musiker berufen. Er könne ohne die Musik nicht leben, beteuert er immer wieder. So weit so gut. Es soll noch zwölf Jahre dauern, ehe er seine erste ordentliche Band hat. Sergio Pizzorno (Gitarre) und Chris Edwards (Bass) beginnen 1997 mit ihm, an den ersten Stücken zu basteln.

Doch die Besetzung passt ihnen nicht, etwas fehlt. Jemand flüstert der Band, ein gewisser Christopher Karloff gebäre sich nicht schlecht an der Gitarre. Nach einem Pub-Besuch rekrutieren ihn die drei für ihre Band. Auch einen Namen, über den man nicht lange diskutieren muss, findet sich schnell: Ein Artikel über den Massenmörder Charles Manson erwähnt den Namen der Frau, die den Fluchtwagen des Massenmörders fuhr: Linda Kasabian. Perfekt, der Name ist gebongt. Nebenbei bedeutet Kasabian auf armenisch auch noch "Schlachter". Nicht schlecht.

Ihren optimalen Proberaum finden sie auf einer Party: Er ist in einem Bauernhaus in Rutland (zehn Minuten von ihrer Heimatstadt entfernt) gelegen. Die Ruhe und Nähe zu einem See sind für die Band wichtige Eigenschaften, die sie dazu bewegen, sich dorthin zu verkriechen. Zwei Räume mieten die vier sich in der ehemaligen Weberei: Einen zum Schlafen und einen, in dem sie ihr Equipment unterbringen. Synthies aller Jahrzehnte finden sich dort neben den üblichen Saiten-Instrumenten und Percussion-Utensilien.

Dazu kommt ein feines Platten-Archiv, von dem einiges ihr eigenes Album später beträchtlich beeinflussen wird. Air steht da neben Eminem und Brian Eno. Dazu kommen Klassiker wie die Beatles, Stones, Doors, Joy Division und einige Motown-Alben. Nicht zu vergessen, die britischen Rave-Platten der späten Achtziger/frühen Neunziger.

So tüfteln sie sich langsam dem Album entgegen, das 2004 den NME und mit ihm die britische Jugend Kopf stehen lässt: Das selbst betitelte "Kasabian" springt mit vermummtem Gesicht, das wahlweise an Palästina oder den 1. Mai im Kreuzberg der späten Achtziger erinnert, in die Augen. Die Musik darauf zeigt sich zwar nicht ganz so rebellisch. Doch haben sie es geschafft, Versatzstücke der Bands aus ihrer Plattensammlung so geschickt zusammenzusetzen, dass daraus etwas Eigenes entsteht. Mit einem ganz klaren Einschlag des Madchester Rave: Revolution, Drugs and Rock'n'Electro!

Im Juli 2006 gibt die Band überraschend den Ausstieg von Gitarrist und Keyboarder Chris Karloff bekannt. Man habe sich von Chris aufgrund "kreativer und künstlerischer Differenzen während des Entstehungsprozesses zum zweiten Album" getrennt. Er wolle nun bei einer anderen Combo anheuern. "Empire" (die laut Meighan klingt wie "Marc Bolan, der mit Dr. Who Crack raucht") klettert auch ohne Karloff auf Platz eins der englischen Charts.

Mit dem verbleibenden Mann an der Gitarre Sergio Pizzorno spielt die Truppe im Vorprogramm der Rolling Stones, als Support für Muse und U2. "Es war einfach nur grausam", erzählt Tom damals im laut-Interview. "Ich meine, wir mussten für die Stones Tickets kaufen, um die Show zu sehen, obwohl wir eine halbe Stunde vorher noch auf derselben Bühne standen. Das ist doch unglaublich, oder?“ 

Zum Stadion-Rockact mutiert man daher also noch lange nicht und so sichern sich Kasabian für ihr nächstes Album die Dienste von Dan The Automator (DJ Shadow, Gorillaz). Weiterhin dürfen sie einen prominenten Fan begrüßen, der sogar in Japan folgende Worte in seinen Blog diktiert: "Der Anblick von Mount Fuji war, und ist es eigentlich immer, unglaublich. Tatsächlich majestätisch. Ein bisschen wie das neue Album von Kasabian. Aber naja, da bin ich parteiisch." Der Mann heißt Noel Gallagher.

Bezüglich des Könnens von Kasabian ist er sich (ausnahmsweise) anscheinend mal mit Bruder Liam einig. Der nämlich schnappt sich im Februar 2013 Mitglied Jay Mehler und verpflichtet ihn für Beady Eye. Nach dem Album "Velociraptor!" von 2011 und den zugehörigen Live-Aktivitäten, die bis Ende 2012 laufen, braucht es also einen neuen Gitarristen. Er wird in Tim Carter gefunden.

Nach der Tour durch Europa und Nordamerika, einer live übertragenen Silvester-Show und ausverkauften Headliner-Konzerten auf den bekannten Festivals soll es erst einmal ruhiger werden um Kasabian. Die Band ist erschöpft, will eine Auszeit. Doch Serge Pizzorno kommt seine Kreativität in die Quere: "Ich dachte, ich könnte einfach rumsitzen und eine Weile nichts tun. Ich hatte das Gefühl, so etwas seit 2002 nicht mehr gemacht zu haben.

Sein Vorhaben hält er ganze zwei Wochen durch. Danach juckt es ihn bereits wieder ungewollt in den Fingern. "Ich hatte diese kleine Melodie auf meinem Telefon", erklärt er. "Und ich habe zu Hause ein Studio, also dachte ich: Yeah! Ich spiele nur ein bisschen damit herum." Heraus kommt dabei schließlich ein Song namens "Bumblebee". "Da war mir klar: Ich habe ein neues Album begonnen.

"Bumblebee" und elf weitere Songs finden sich 2014 dann auf "48:13", dem fünften Studioalbum von Kasabian. Erstmals tritt Pizzorno hier als allein verantwortlicher Produzent ins Geschehen - zusätzlich zu seinen Tätigkeiten als Gitarrist, Sänger und Songwriter. Diese Vielzahl an Aufgaben versetzt das Multitalent anfangs noch in Angst und Schrecken: "Ich weiß, was es mir mental abverlangt, ich weiß, dass es mir meine ganze Energie berauben wird und ich weiß, dass man über kurz oder lang total besessen davon wird."

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Kasabian "Wir wollen die Gitarrenmusik retten"
Sergio Pizzorno über "For Crying Out Loud" und die Rettung des Gitarrenrock.
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Ein wenig Unterstützung holt er sich dann doch. So gibt es auf "48:13" u.a. Gast-Features von einer Spoken-Word-Poetin, außerdem ist Pizzornos 93-jähriger Großvater zu hören. Mit dem Ergebnis sind Kasabian dann - natürlich - mehr als zufrieden. Pizzorno: "Wenn du noch nie Drogen genommen hast und auch niemals welche nehmen wirst, dann ist dieses Album näher dran an einer Drogenerfahrung als alles andere." An Selbstzweifeln oder Unsicherheiten litten Kasabian bekanntlich ja noch nie.

Mit dem nächsten Album wollen sie die Gitarrenmusik retten. Der größenwahnsinnige Rock'n'Roll-Gestus wird getragen vom begehrten Glastonbury-Headlinerslot 2014; dann gewinnt Hometown-Fußballverein Leicester City 2016 auch noch überraschend die Premier League und engagiert Kasabian als stadionfüllende Partyband. Beflügelt und in bester Stimmung komponiert und produziert Serge Pizzorno den fünften Longplayer For Crying Out Loud.

Dessen erster Single "You're In Love With A Psycho" begegnen manche zunächst mit gemischten Gefühlen: kommerziell ist sie mit Chartplatz #62 ein Flop, das Musikvideo ruft Kritik aufgrund von vermeintlich altbackener und schädlicher Stereotypisierung psychisch kranker Menschen hervor. Nichtsdestotrotz verdrängt "For Crying Out Loud" bei Release sogar Ed Sheeran von der Spitze der britischen Charts.

Damit charten Kasabian mit dem fünften Album in Folge auf Nummer 1. Vom Erfolg verwöhnt wagt sich Pizzorno 2019 aus der Komfortzone und veröffentlicht unter dem Akronym The S.L.P. ein Soloalbum. Aus seiner Pause ist wieder nichts geworden, diesmal jucken ihn Samples aus aller Herren Länder und Stile: "Ich entledigte mich aller meiner Synthesizer und Gitarren, nahm meine Smartphones und meinen Laptop und suchte mir Sounds heraus." Aus diesen Sounds bastelt er dann sein vielseitiges selbstbetiteltes Soloalbum. Es beinhaltet viele Kollabos mit mehr oder weniger etablierten britischen Künstler*innen, die man nicht auf dem Album eines Rock-Songwriters erwarten würde, wie etwa der Rapperin Little Simz.

Ob nun als Gitarrenretter oder Sample-Genie, Pizzorno kann das Songwriting einfach nicht sein lassen. Ihn treibt eine dunkle Kraft an: "Die Sucht danach, etwas fertig zu stellen und etwas zu machen. Ein nächstes Album, ein Stück Kunst, das für lange Zeit da sein wird. Das ist eine Sucht." Im Juli 2020 gibt die Band überraschend die einvernehmliche Trennung von Sänger Tom Meighan bekannt, der sich vorerst seinen "persönlichen Problemen" annimmt. Kurz darauf wird bekannt, dass sich der 39-Jährige nach einer Anklage wegen häuslicher Gewalt gegen seine ehemalige Verlobte schuldig bekennt. Meighan wird zu 18 Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Erst im Mai des folgenden Jahres erklären Kasabian, weitermachen zu wollen - beim ersten Gig nach Meighans Ausstieg am 13. Oktober 2021, dem Auftakt einer UK-Tour, steht Gitarrist Pizzorno am Mic, Tourgitarrist Tim Carter steigt zum vollwertigen Bandmitglied auf. Und The Musics Rob Harvey hilft als Backing Vocals-Sänger aus.

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Kasabian - 48:13: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2014 48:13

Kritik von Deborah Katona

Wenn die Länge der Titel im Vordergrund steht. (0 Kommentare)

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