laut.de-Kritik

Auf Augenhöhe mit Lou Reed und Elton John.

Review von

"The Classic", das letzte Soloalbum der amerikanischen Sängerin, Singer/Songwriterin und Produzentin Joan Wasser, besser bekannt unter dem Pseudonym Joan As Police Woman, erschien vor vier Jahren. Schon auf diesem Werk hat Parker Kindred als Schlagzeuger mitgewirkt.

Er trägt nun auch auf "Damned Devotion" wieder Sorge für das rhythmische Fundament. Die einzelnen Songs kreisen um seine live eingespielten Drum Patterns, die Wasser im Nachhinein am Computer bearbeitet und mit Synkopen oder Breaks ausschmückt. Der pulsierende Unterbau bildet die Ausgangsbasis für ihr organisches Bassspiel und ihre warme Stimme, sowie für Thomas Bartletts kraftvolle Klavier- und Keyboardbegleitung.

Gäste wie Sufjan Stevens, RZA und Daniel Johnston tragen ebenfalls dazu bei, dass die Scheibe elegant und geschmeidig, aber keinesfalls beliebig aus den Lautsprechern tönt. Ohnehin sollte man als Hörer etwas Ruhe und Geduld aufbringen, damit das Album sein melancholisches Potenzial vollends entfalten kann.

Zunächst erweist sich "Wonderful" mit stolpernden Beats und den dunklen Violinensounds der New Yorkerin als sperriger Einstieg. "Warning Bell" und "Tell Me", die beiden folgenden Singles, geraten demgegenüber deutlich zugänglicher und begeistern mit ihrer einfachen, aber prägnanten Melodieführung. Sie legen zusätzlich Zeugnis von der lyrischen Feinfühligkeit der Urheberin ab, die auf diesem Werk ihre verletzliche Seite offenbart.

Ruhe vermitteln die verspielte Polyrhythmik von Parker Kindred und die funkige Gitarre in "Steed (For Jean Genet)", das Wasser dem gleichnamigen französischen Dichter widmet, und "The Silence" allerdings nicht. In dem letztgenannten Song beklagt sie politisch-gesellschaftliche Missstände, während im Hintergrund Protestrufe vom Women's March in Washington 2017 erklingen. So raubt sie der maschinell-kühlen Industrial-Rhythmik des sich zwischen diesen beiden Stücken befindlichen Titeltracks, der jedoch in einem souligen, sanften Refrain mündet, die Bedrohlichkeit. Die Scheibe bietet also alles andere als leichte Kost zum Nebenbeihören.

"Rely On" führt mit harten Schlagzeug- und Pianoklängen und der sensiblen Stimme von Joan Wasser dagegen in zerbrechliche Sphären à la Portishead. Ihr ambivalentes Verhältnis zu ihrem kürzlich verstorbenen Adoptivvater besingt sie anschließend in "What Was It Like". Die Nummer verfügt über eine dramatische Spannungskurve, die dafür sorgt, dass ihre schmerzerfüllten Worte ihre eindringliche Wirkung nicht verfehlen. Nach diesem grandiosen Song könnte man das bluesige "Talk About It Later", das mit Backgroundgesängen im Nick-Cave-&-The-Bad-Seeds-Stil aufwartet, beinahe zu Unrecht übersehen.

Auf alle Fälle kann man sich der nächtlichen Grundstimmung dieses Werkes kaum noch entziehen. "Silly Me" versprüht mit wabernden Orgelsounds und dem samtig-weichen Gesang der Amerikanerin psychedelisches Flair und erdet somit die Platte sachte. Um so berührender klingt das intime Liebeslied "I Don't Mind" zum Abschluss. Es handelt von falschen Leidenschaften und schlägt gelungen die Brücke zum Titel des Albums. Wenn die finalen, kaputten Drumschläge dieses Tracks in der Dunkelheit verhallt sind, möchte man die Scheibe immer wieder aufs Neue voller Hingabe hören.

Insgesamt reift die Musik auf "Damned Devotion" wie ein guter Messwein. Joan Wasser gelingt mit ihrer eigenwilligen, anspruchsvollen Mischung aus Alternative, Pop, Funk, R'n'B und sehr viel Soul ein tiefgründiges Gesamtkunstwerk. Die Ex-Violinistin von Antony & The Johnsons braucht deswegen zu den ganz großen Songwriter-Ikonen Lou Reed und Elton John, mit denen sie in der Vergangenheit bereits zusammenarbeitete, nicht mehr ehrfurchtsvoll aufzuschauen. Sie befindet sich mit diesem fantastischen Album nahezu auf gleicher Augenhöhe.

Trackliste

  1. 1. Wonderful
  2. 2. Warning Bell
  3. 3. Tell Me
  4. 4. Steed (For Jean Genet)
  5. 5. Damned Devotion
  6. 6. The Silence
  7. 7. Valid Jagger
  8. 8. Rely On
  9. 9. What Was It Like
  10. 10. Talk About It Later
  11. 11. Silly Me
  12. 12. I Don't Mind

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