Porträt

laut.de-Biographie

Brian Wilson

Genial, wahnsinnig, mehrmals dem Tode nahe, seit Ende der Neunzigerjahre begeistert gefeiert und wieder oben auf. Das Leben des Brian Wilson liest sich wie eine Hollywoodstory mit einem Happy End, an das lange kaum jemand, am wenigsten wohl er selbst, geglaubt hat.

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1961, gerade neunzehnjährig, gründet er die Beach Boys. Innerhalb von drei Jahren schreibt und produziert er fast im Alleingang sieben offizielle Alben mit einer Fülle von Nr.1-Singles, die seine Band zur einzigen ernst zu nehmende US-amerikanische Gefahr für die Beatles machen. Introvertiert, rundlich, vom Vater-Manager drangsaliert, singt er einerseits unbekümmert von Stränden, Surfen, Hot-Rods und schönen Frauen, kann andererseits nicht mal richtig schwimmen und mag das Meer überhaupt nicht.

Nach mehreren Nervenzusammenbrüchen gibt er 1964 das Touren auf und verzieht sich ins Studio. Die Hitmaschine läuft weiter wie geschmiert. Als der Rest der Band 1966 nach einer mehrmonatigen Asientournee nach LA zurückkehrt, findet sie ein von Wilson komplett eingespieltes Album vor, auf dem nur noch der Gesang fehlt: Es ist das legendäre "Pet Sounds." Wilson ist gerade mal 24, als er die Platte konzipiert und aufnimmt, die sich nach wie vor mit "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" ein Kopf-an-Kopf-Rennen als beste Pop-Platte aller Zeiten liefert.

Während die Beach Boys weiterhin erfolgreich ihren Surf-Sound präsentieren, verliert sich Wilson zunehmend in einer eigenen Welt. So lässt er sich im Wohnzimmer einen Sandkasten um sein Piano bauen, um das Gefühl zu haben, am Strand zu sein. Mit Van Dyke Parks versucht er, "Pet Sounds" zu toppen und ein noch vielschichtigeres Album zu zeugen, scheitert aber auf halber Strecke und gibt auf. "Smile" gilt als eines der besten Alben, die es nicht gegeben hat - ein Mythos, von dem neben Bootleg-Aufnahmen vor allem die Single "Good Vibrations" übrig geblieben ist.

Um Wilson steht es immer schlechter. Zwar schreibt er weiterhin Lieder wie "'Til I Die" oder "Add Some Music To Your Day," die an vergangene Erfolge anknüpfen, jedoch wird er immer dicker und verlässt kaum noch sein Bett. Drogensüchtig und zunehmend labil, nimmt er Ende der 70er Jahre erst eine Therapie beim umstrittenen Psychologen Eugene Landy auf und versucht sich anschließend an einer Beach Boys-Reunion. Beides schlägt fehl, 1982 wird er von seiner Band sogar gefeuert. 1984 steht offiziell fest: Wilson ist manisch-depressiv und paranoid-schizophren, der jahrelange Drogenkonsum hat bleibende Gehirnschäden hinterlassen.

1984 beginnt er erneut eine Therapie bei Dr. Landy und erscheint vier Jahre später als strahlender und verjüngter Anfang 40er. Ein Wunder? Jein, denn der Drahtzieher seines ersten Soloalbums, das 88er "Brian Wilson," ist gerade Landy, der zu so etwas wie sein Guru geworden ist. Die beißenden Kritiken und die katastrophalen Verkaufszahlen treiben den Heilungsprozess voran, 1990 trennt sich Wilson von seinem Psychiater. Nach der Veröffentlichung seiner Autobiographie mit dem bezeichnenden Titel "Mein Kalifornischer Alptraum" 1991, beginnt er wieder ernsthaft mit der Musik. Seine neue Frau Melinda, die er 1995 heiratet, spielt in der Genesung eine große Rolle.

Im selben Jahr bringt er in Zusammenarbeit mit "Smile"-Weggefährte Van Dyke Parks das Album "Orange Crate Art" heraus, zwei Jahre später schreibt und produziert er für seine Töchter Carnie und Wendy, zwei Drittel der Popgruppe Wilson Phillips, das Album "The Wilsons." 1998 erscheint seine zweites Soloalbum "Imagination," das sowohl von Kritikern als auch von der Öffentlichkeit gut aufgenommen wird.

Im Jahr 2000 bricht er ein weiteres Tabu: mit einer zehnköpfigen Band gibt er zwei Konzerte in Los Angeles und wird als Held gefeiert. Mit seinem Karriererückblick geht er anschließend mit Paul Simon auf US-Tour. Wilson beginnt, Ehrungen und Andenken einzuheimsen. Nebenbei kümmert er sich auch um seinen Internet-Auftritt und bestückt seine Homepage mit seltenem Material aus allen Lebensphasen. Die Weihnachtsingle "On Christmas Day" schafft es 2000 auf Rang zehn der mp3.com-Charts.

Seitdem geht Wilson trotz körperlicher Einschränkungen wieder seiner Berufung als Vollzeitmusiker nach. Neben regelmäßigen Auftritten bringt er auf seinem Label Brimel Records auch mehrere CDs heraus. 2002 erscheint mit Live At The Roxy Theatre ein gelungener Mitschnitt seiner Comeback-Konzerte in Los Angeles. Anschließend entzückt er seine Fans mit einer Integralversion von "Pet Sounds", die er als "Pet Sounds Live" veröffentlicht.

2004 ist er aktiver denn je. Erst tourt er in Frühjahr mit neu aufgearbeiteten Versionen der Stücke aus "Smile", dann bringt er mit "Gettin' In Over My Head" sogar neues Studiomaterial heraus. Mit von der Partie sind neben seinen treuen Livebegleitern The Wondermints auch Elton John, Eric Clapton und Paul McCartney. Im Herbst bringt er schließlich "Smile" als Album heraus. Der Untertitel "presents" relativiert jedoch dessen Wichtigkeit: Es handelt sich nicht um die Originalaufnahmen, sondern lediglich um eine Neueinspielung.

2008 unterstreicht Brian Wilson eindrucksvoll seine persönliche Klasse als gereifter Singer und Songwriter. Mit "That Lucky Old Sun" legt er ein begeisterndes Konzeptalbum vor, das alte Klasse mit der Neuzeit verknüpft und zu jedem Moment den typischen Wilson-Geist atmet. Musikalisch zitiert er lustvoll die große Zeit der Beach Boys, und stellt damit nachhaltig unter Beweis, das ohne ihn die Pop-Geschichte einen gänzlich anderen Verlauf genommen hätte.

Da passt es ganz gut, dass er anschließend einen Zwei-Platten-Vertrag mit dem Disney-Label Pearl unterzeichnet. Bei beiden steht das Material schon fest: 2010 interpretiert er Klassiker George Gershwins, 2011 sind dann Stücke aus Disney-Filmen dran.

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Surftipps

  • Offizielle Site

    Etwas selbstgefällig, ansonsten tiptop.

    http://www.brianwilson.com
  • Porträt

    "Vier Popper und ein armer Irrer". Lesenswert: die taz über Brian Wilson.

    http://www.taz.de/pt/2002/01/22/a0098.nf/text.name,aski3ATD4.n,0

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