Porträt

laut.de-Biographie

Prezident

"Zeit für'n Paradigmenwechsel, Whiskeyrap frisst Gesetze / von versifften Blechen mit verdreckten Fixbestecken / Hitzewellen kriechen rücksichtslos dein Rückgrat hoch / ein bisschen so wie Furcht, scheiß' dich ein und schwitz' dich tot."

Doubletime: Farids 73 Hurensöhne
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Der Oberbanger beeft gegen die irrelevantesten Gestalten der Szene. Pökler seziert Prezident. Texas hat einen Riesenmoment, Cardi B verpasst ihren.
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Viktor Bertermann, Jahrgang 1984, lässt sich mit 13 Jahren von der großen deutschen Rap-Welle um Freundeskreis und die Beginner mitreißen. Inspiriert von Eminem, Eins Zwo, Samy Deluxe, Nas und Cypress Hill versucht der Wuppertaler sich schon in jungen Jahren selbst am Sprechgesang.

Unter dem Pseudonym EMP fertigt er einige Demotapes an, die aber eigenen Angaben zufolge "zurecht keine Beachtung fanden". Aus der Not, im Hip Hop-Brachland Wuppertal keinen Beatbastler zu kennen, macht der Jugendliche eine Tugend und programmiert sich seine Instrumentals selbst, später unterstützt vom älteren Wegbegleiter Fella Oner, bei dem er sich einiges Know-How abschaut.

Battlerap liegt im Trend, so arten die ersten Lebenszeichen des Rappers auch in verbale Scharmützel aus. Erst nach dem Abitur schlägt er den Weg zum Themenrapper Prezident ein und beendet den Ausflug ins lyrische Kräftemessen: Nach dem letzten EMP-Demo "EMP Cripz" im Jahr 2004 wechselt er den Namen und setzt sich fortan mit Schwergewichten wie Franz Kafka, Ernest Hemingway und Charles Bukowski auseinander.

Besonders letzterer nimmt großen Einfluss auf die Texte Prezidents, der dem Amerikaner gar eine Affinität zur Rapszene bescheinigt. "Bukowski lehrte mich, über Fehler sprechen zu können, ohne dabei peinlich zu klingen."

"Whiskeyrap" nennt der Germanistik- und Geschichte-Student seine Nische und vergleicht sich passenderweise mit Tom Waits: "Ich kann auch noch mit 60 auf der Bühne stehen, ohne dass sich Leute über 14 für meine Texte schämen."

Unter diesem Leitsatz veröffentlicht er 2005 auf dem hiphop.de-Sampler den Track "Hip Hop Hemingway", in dem er großspurig verkündet: "Rap bekommt ein neues Gesicht / Es ist nicht besonders schön, aber ehrlich, was man häufig vermisst."

Um diesen Worten Taten folgen zu lassen, stellt er im März 2006 ein sechs Tracks starkes Minimixtape zum freien Download bereit. "Musik Zum Aus Dem Fenster Springen" orientiert sich an Bukowskis "Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stock aus dem Fenster sprang" und wartet mit einem herrlichen Dialog mit Jesus auf.

Die Büchse der Pandora ist geöffnet. "Was soll ich mit 'ner Wohnung? / Gebt mir ein Studio mit 'ner Couch drin!" Es folgen Veröffentlichungen im Halbjahrestakt. Die rappenden und musizierenden Gäste heißen meistens Petrus und Fella Oner aus dem direkten Umfeld, bei "Vom Mann In Reno" mischt im September auch noch DJ Diplomat mit.

Wiederum lehnt sich der Titel an Bukowski an: "Ich erschoss einen Mann in Reno und andere unvorsichtige Angaben zur Person". Im April 2007 folgt mit "Verdammt Nah Am Unaussprechlichen" das dritte Mixtape mit Features von T.U.C. und Sickless.

"Weil einige, die sagen, dass sie sagen / was sie denken, es tatsächlich mit dem Denken nicht so haben", arbeitet der Wuppertaler parallel dazu unter der Maxime "deep sein, ohne deep zu klingen" an seinem regulären Debütalbum. Begleitet von einigen Appetizern erscheint der "Kleine Katechismus" im April 2008 und offenbart ein gereiftes neues Gesicht des Deutschrap. Minimalistische, an Industrial angelehnte Beats mit staubtrockenen Texten über die inneren Abgründe der eigenen Seele.

Nach zahlreichen Mixtapes legt der Wuppertaler 2010 mit seinem Longplayer "Neueste Erkenntnisse Vom Absteigenden Ast" nach. Gewohnt tiefsinnig, besinnt sich der Saufheld wieder auf seine Stärken: ergreifend ehrliche Reflektionen des eigenen Daseins, wenn auch diesmal nicht ganz so sperrig.

Mittlerweile hat sich Prezident eine kleine, dafür aber um so treuere Fanbase erarbeitet, deren Wunsch nach einem physischen Tonträger 2013 in Erfüllung geht. "Kunst Ist Eine Besitzergreifende Geliebte" setzt den eingeschlagenen Werdegang konsequent fort, wirkt in sich dabei aber noch stimmiger.

Trotz mehrfach hochkarätiger Releases gilt Prezident anno 2013 aber immer noch als Untergrund. Für die wenigen, die seine Kunst zu schätzen wissen, gehört er dennoch zu den besten Rappern des Landes. Ein Anspruch, den sowohl die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Kamikazes als auch das im Frühjahr 2016 nachgelegte Album "Limbus" stützen.

Verquere Wortspiele, haufenweise lyrische Querverweise und eine fabelhafte Metaphorik zeichnen den Wuppertaler aus. "Limbus" erreicht Platz 13 der deutschen Albumcharts: nicht schlecht für einen Untergrundhelden.

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Prezident "Die meisten Rapper langweilen schon vor dem ersten Album"
Über One Trick Ponys, Interviewformate und den Ausbruch aus der Komfortzone.
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Ehe er Anfang 2020 mit "Alles Ist Voll Von Göttern" noch einen draufsetzt und die Top Ten entert, hat Prezident jedoch jede Menge Staub aufgewirbelt. "Du Hast Mich Schon Verstanden", später auch von ihm selbst als "das böse Album" bezeichnet, schlägt 2018 in die Rapszene ein und hinterlässt vielerorts verbrannte Erde.

Schon im Vorfeld hatte Prezident in Interviews von einem "rechtsintellektuellen" Album gesprochen und damit manches Gemüt erhitzt. Gewieft triggert er mit Vokabular und Aufmachung. Die kalkulierte Provokation geht auf: "Du Hast Mich Schon Verstanden" stößt die möglicherweise interessantesten Diskussionen des Rapjahres an. Es offenbart aber auch, wie weit vorbei an Inhalten zuweilen diskutiert wird. Oft entbrennt ein heißerer Streit darüber, mit welchen Worten jemand etwas sagt, als darüber, was er eigentlich gesagt hat.

Für Prezident bedeutet "Du Hast Mich Schon Verstanden" einen Ausbruch aus der eigenen Komfortzone. Den Preis, nun eben nicht mehr jeden belesenen Rapfans Lieblingsrapper zu sein, bezahlt er dafür gerne - und die "Fan-Pleaser" hat er ja auch wieder im Ärmel: Mit den EPs "Zahnfleischbluter Prezi Blues" und dem in zwei Teilen erschienenen "Interesseloses Missfallen" bereitet er 2019 den Boden für "Alles Ist Voll Von Göttern".

Die zugehörige Tour allerdings fällt Corona zum Opfer. Wieder und wieder und wieder geben Prezident und seine Reisegefährten Hinz & Kunz neue Termine bekannt, und immer wieder wird nix draus. Die Produktivität jedoch bekommt die Seuche nicht ausgebremst: Mit einer üppigen Woche Vorlauf verkündet der Wuppertaler im November, er habe ein Album fertiggestellt: "Gesunder Eskapismus" lautet das Motto der Stunde.

"Endlich Wieder Storytelling", hat Prezident da manchem Fan, den das Spiel mit der Provokation etwas ermüdet hat, den Seufzer längst aus dem Mund genommen. Dass er das wirklich, wirklich draufhat, das sprechen ihm nicht einmal seine Kritiker ab, bei denen Prezident mit "Du Hast Mich Schon Verstanden" nachhaltig in Ungnade gefallen ist.

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1 Kommentar mit 6 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Was ist denn nu eigentlich mit dem Interview? Also nicht, dass es mich in 2 Wochen nicht auch noch interessieren würde, aber ein bisschen schade wärs doch schon, wenn das schöne kontroverse Momentum von der Urlaubszeit verschluckt wird :saint:

    • Vor 5 Jahren

      kommt. dauert nur noch ein winziges bisschen, weil es mir total ausgeufert ist. ihr wollt ja wohl nicht die totalen 88.000 zeichen. oder? :D

    • Vor 5 Jahren

      Wie kommste den auf die Schnappsidee, natürlich, jedes Wort wollen wir! Wir hängen doch alle an der Flasche und an deinen Lippen! :P

    • Vor 5 Jahren

      "Wollen wir die TOTALEN 88.000 Zeichen!?"

      Na sach mal, hat Presidents vermeintliches Nazitum jetzt schon auf dich abgefärbt oder was?
      :-P

    • Vor 5 Jahren

      Albernes Gelaber beiseite. Optional für Interessierte die ungekürzte Fassung irgendwie bereitstellen wäre ja vielleicht gar nicht mal die schlechteste Idee. Dann gibt es auch keinen Stunk weil wegen Sachen aus dem Kontext genommen. Weiß jetzt aber natürlich auch nicht wieviel von den 88.000 Zeichen nur nebensächliches Gewäsch sind.

    • Vor 5 Jahren

      Der Presidents is ne Braune Socke? Dabei wollte ich nur @freddy knupfen, verdammt.......ich will die 88 k nich!

    • Vor 5 Jahren

      Sach mal Speedi, du schläfst auch unterm Stein, oder? Ne, ist er tatsächlich nicht, soweit ich mich da nicht ganz täusche. Deswegen aber durchaus nicht unkontrovers. Les' dir das Interview dann einfach selber durch und bilde dir dann deine eigene Meinung.