laut.de-Kritik

Hart, aber herzlich.

Review von

"Ich werde wohl immer eine besondere Verbindung mit Knarf Rellöm haben, das ist auch schön, wenn andere das merken, denn Knarf ist für mich einer der geistreichsten und komischsten Geschöpfe in der Musikszene." (Bernadette La Hengst)

Wer waren noch mal R.E.M.? Ach, ja: diese Band, die auf alle Fälle hinter Knarf Rellöm im Plattenregal einzusortieren ist. Und wer war noch mal Knarf Rellöm? Das ist, rückwärts gelesen, der Möller, Frank. Einer der besten Pop-Rebellen weit und breit. Ein Mann mit Humor und vielen Lieblingssongs.

Nachdem er mit seiner ersten Punk-Band Huah! schon zwei Platten ("Scheiß Kapitalismus", "Was Machen Huah! Jetzt?") veröffentlicht hat, folgt unter dem Namen Ladies Love Knarf Rellöm 1997 das Debüt "Bitte Vor R.E.M. Einordnen", ein autobiographischer Einblick in die postmoderne Indie-Welt des Hamburger King of Selbstmitleid. Mit vielen Zitaten, Wutausbrüchen, pfiffigen Ideen und Rock'n'Roll plus Sozialismus.

Punk, Demo, Sponti-Sprüche. "Nicht immer alles so ernst nehmen." So lautete schon zu Beginn das Motto von Textmonster Knarf Rellöm, und so klingen auch seine bittersüßen Liebesballaden. Die politisch korrekte Soulpunk-Message gibts möglichst mitten in die Fresse rein! Wenn man ihn zum Radio-Interview einlädt, kann es passieren, dass er dabei in der Badewanne sitzt. Why not?

Knarf Rellöm aka King Fehler kreiert auch gerne einmal ein neues Genre. Also sortiert seine Longplayer gefälligst im Plattenregal unter "No Deutschland" - in Anlehnung an "No Wave" - ein. Ein bisschen Arty schadet nie.

Das Debüt "Bitte Vor R.E.M. Einordnen" steckt voller wilder Rellöm-Gedanken und Erinnerungen, betrunkener Anekdoten und charmanter Liebesschwüre. Songtitel wie "Autobiographie Einer Heizung" gemahnen an die eigene musikalische Früherziehung in Sachen guter Popmusik: "Ich erinnere mich an die B-52's. Why don't you dance with me? I'm not a Limburger. Think it over, roll it over in your mind! Ich erinnere mich an die Dead Kennedys. Too drunk to fuck!"

Natürlich geht es auch durch die beliebte Stadt: "Ich erinner' mich an Fahrten nach Hamburg. Zum Konzert von Gun Club, Fall und Killing Joke."

Natürlich nimmt man sich gerne auch selbst nicht zu ernst und entblößt weitere Geheimnisse: "Ich erinner' mich an Freitagabende. An Herumfahren auf dem Land. Nach einer Fete suchen. Das Bier klauen ..." und "Ich war nicht begeistert, ich war verwirrt. Ich sah blöd aus und hab' es geahnt."

Das Spiel mit den Worten und Namen beherrscht der Musiker und ehemalige Roadie von Blumfeld und den Goldenen Zitronen. Kein Wunder, dass Alfred Hilsberg Mr. Rellöm sofort auf sein Label What's So Funny About (ZickZack) einlädt.

Motzen, meckern, pöbeln. Ladies Love Knarf Rellöm fordert "das Recht auf schlechte Laune". Das heißt aber nicht, dass er notorisch schlechte Laune hat - wie zum Beispiel Mark E. Smith. Angenervt reagiert er allerdings auf die Spießer, die alles haben, denen es eigentlich gut geht, und die dennoch ständig herumnörgeln. In "Der Idiot" bringt Rellöm das mit ruhiger Stimme und Gitarre ganz einfach auf den Punkt: "Ich hab' sie alle so satt, ich hab sie alle so satt. Idioten ... Er könnte Würde haben, aber er hat sie einfach nicht. Idiot." Sich selbst schließt er aus dem Kreis der Idioten natürlich nicht aus. Das zeugt von einer gesunden Reflexion im Umgang mit seinen Mitmenschen.

Ein Song, den man immer wieder gerne anhört und auflegt und dabei an seinen Ex, den Skinny Norris aus der Nachbarschaft oder die nervige Kollegin aus dem Büro denkt, generell für anstrengende Menschen, denen man jeden Tag begegnet: Bei "Du Nervst Mich Schwer" steht das Arschloch zwischen den Zeilen. Selten hat jemand eine unangenehme Person so angenehm lässig beschrieben. "Du nervst mich schwer. Wo ich einen Fluss seh', siehst du ein Meer." Zeilen, die im täglichen Gebrauch sehr nützlich sein können: "Du bist ein Magnet und ich bin ein Stück Holz, und wo ich Rechte hab', da hast du Argumente." Knarf Rellöm spricht einem mit seinem Songwriting immer wieder aus der Seele. Da reichen schon Parolen, wie "Zweifel Is In The House". Noch any questions?

Musikalisch hat er alle Melodien drauf. Er ist Singer/Songwriter, Poet und der liebenswerte Punk mit Schnauze. Seine Geschichten erzählt er mit leichter Wehmut und Sehnsucht ("Postkartenflut"). Dagegen ist "Ich Weiß Nicht, Warum Ich Tu" eine irre Popkomposition mit Chor und Sätzen, die im Hirn hängen bleiben wie ein klebriger Küchenmagnet: "Ist da jemand in der Küche? Ein Tisch sieht mich an, ein Stuhl sieht mich an. Ein Kühl schrankt."

Befreundete Bands und Künstler begleiten den Musiker schon lange und mischen gerne mit. So mühelos, wie Knarf Rellöm seine Künstlernamen ändert, so vielfältig gestalten sich seine Bandgründungen. Mit der eingangs zitierten Bernadette La Hengst (Die Braut Haut ins Auge) verbindet ihn eine ganz besondere Freundschaft und die Liebe zur elektronischen Musik. Mit ihr formierte er die Band Die Zukunft, sie war von Anfang an bei Huah! dabei. Außerdem spielen die beiden gegenseitig auf ihren Alben bei mindestens einem Song mit. That's the deal! Auf "Bitte Vor R.E.M. Einordnen" gehen außerdem die Kollegen-Kumpels, Aeronauten, Tom Liwa, Kante und Stella mit an den Start.

"Nur nicht so schnell" doch bitte, und so groovy! "Ich will nicht sterben an einem Magengeschwür, da lauf' ich schon lieber aus, wie ein altes Schlauchboot, das an Luft verliert." Bläser, flinke Saiten und flotte Sprüche begleiten die fetzige Ska-Tempo-Nummer "Nichts Wird So Heiß Gegessen".

Es folgen weitere musikalische Funk-Tanz-Hymnen. Seit 2004 halten Viktor Marek und DJ Patex die ShiShaShellöm-Treue.

Knarf Rellöm ist nicht nur auf Platte ein großer Herzensbrecher. Auf seinen zahlreichen Konzertreisen zeigt er sein wahres Entertainer-Talent, schwingt die Hüften und fühlt den Blues. Bei ihm gibts Hits, Hits, Hits, schräge Titel, und alles irgendwie immer leicht neben der Spur.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Now!
  2. 2. Internet Kills The Videostar
  3. 3. Der Idiot
  4. 4. Autobiographie Einer Heizung
  5. 5. Ich Weiß Nicht, Warum Ich Tu
  6. 6. Grammatik-Song
  7. 7. Zweifel Is In The House
  8. 8. Du Nervst Mich Schwer
  9. 9. Mr. Blue
  10. 10. Nichts Wird So Heiß Gegessen
  11. 11. Ihr Seid Immer Nur Dagegen, Macht Doch Mal Bessere Vorschläge
  12. 12. Postkartenflut
  13. 13. Heiligengeistfeld

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