laut.de-Kritik

Rick Rubin reißt das Denkmal ab.

Review von

Etwas Gutes hat das neunte Eminem-Album ja - wenn schon wenig gute Songs: Es erinnert mit dem Facepalm-Cover, seiner ärgerlichen Berechenbarkeit und Kreativarmut an die selbstkritischen Zeilen vom ewig großen N.O.R.E., die er einst auf dem legendären Primo-Nackenbrecher "Invinsible" rappte: "I can't believe I fucked up and made a half ass album ...". Gemeint war damals sein "Melvin Flynt"-Output, dessen vermeintlich hingeschissene Tracks Eminems "Revival"-Disaster jedoch immer noch so alt aussehen lassen wie Opa Nores Gesicht in 2017.

Bereits der "Revival"-Start mit "Walk On Water" misslingt. Trotz aller Emotionen in der Stimme, bedeutungsschwangerem Piano und Beyoncé im Hook fühlt man genau: nichts. Nada, niente. "Warum sieht mich die Welt (nach meinem Comeback 2009) nicht so, wie ich wirklich bin"-Gejammere hat man schon zwanzig Mal besser gehört, 15 Mal von Eminem. Seine Innenansichten bleiben an der Oberfläche. Und, oh Em, der Opener ist ein böses O-men. Das zerbrechliche, eine Hymne fakende "Believe" und das möchtegern-böse "Chloraseptic" sind trotz moderner Flow-Spielereien kaum hörbar. Hier hat jemand definitiv mehr als "problems with the snare".

Es wird nicht der letzte Song sein, auf dem man sich neben Eminem in der Booth stehen sieht, während er gelangweilt über alte, zu Recht verworfene Beat-Skizzen vor sich hin reimt – und die dann von Rick Rubin recorden lässt. "Framed" ist das beste schlechte Beispiel. Der Song schleppt sich immerhin mit dickem Bass, Live-Drums und Sirenen aus den Boxen, doch Em verhunzt den Track mit anstrengenden Raps so komplett, wie es selbst U-God nicht besser könnte. Es ist offensichtlich, Eminem ist als Parodie seiner selbst in seiner Schublade gefangen, im falschen Rapfilm hängen geblieben. Und wenn Eminem einmal nicht nervt, schämt man sich für die Musik.

Joe Budden disste den Rap-Metal auf "Untouchable" ja bereits zu Recht. Rap-Metal. 2017. Case closed, und wer heute ernsthaft "I love Rock'n'Roll" ("Remind Me") und "Zombie" ("In Your Head") so glattgebügelt sampeln lässt wie in den 90ern, gehört eher neben Nana und nicht neben Nas. Jede Run-DMC-Platte ist frischer als dieser Sound.

Executive Producer und Mitschuldiger Rick Rubin mag - neben grandiosen Produktionen - Johnny Cash zu Legendenstatus getrieben haben, bei "Revival" reißt er einen Teil von Eminems Denkmal mit dem Arsch wieder ein. Das noch ganz okaye, nach Bob Seger und Detroit Rock City riechende "Heat" hätte er aber auch lieber Yelawolf oder Kid Rock geschenkt. Kleiner Tipp, Rick: Lass Eminem doch in Ruhe und arbeite stattdessen mit Yelawolf. Das sollte besser passen wie Pep-Teams.

Was bleibt - neben Betroffenheit? Das pathetische "Like Home" mit Alicia Keys vielleicht. Ein paar schöne Pop-Songs mit Ed Sheeran und Pink - oh the irony - stehen auch noch auf der hörbaren Habenseite. Scheinbar hat Mr. Mathers auf dem Vorgänger "Marshall Mathers LP 2" alle Energie und Gedanken aus sich heraus gespittet.

Doch urplötzlich, im letzten Track, schiebt sich die Sonne zwischen den dunklen Smog der 8 Mile und "Arose" erscheint. Alles passt, und die Gefühle kommen endlich einmal ehrlich. Wie Ghostface rappt Eminem über die komplette Klassiker-Ballade "The Rose" von Bette Midler, nur unterlegt mit polternden Drums, und erinnert sich an die Momente, wo er dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen ist. "They got me all hooked up to some machine / I love you, being, didn't want you to know I was struggling / Feels like I'm underwater submerged like a submarine / Just heard that nurse say, my liver and kidneys aren't functioning." Aber, es bleiben trotzdem: Vier von 19. Wie Kobe Bryant auf seiner Abschiedstournee.

Für Eminem sind - wegen der schwierigen Reha-Phase - "Encore" und "Relapse" seine echten "Half Ass Albums", wie er jüngst im Interview zugab. Doch was sollte dann dieses Werk? Ist "Revival" vielleicht der unbeholfene Versuch, das so schmissig-stimmige wie erfolgreiche "Recovery"-Popkonzept zu kopieren?

Nore hatte damals immerhin eine Erklärung parat: "I can't believe I fucked up and made a half ass album / My excuse is, my pops just died, and I ain't wanna make music / My pops just died". Welche hast du, Em?

Trackliste

  1. 1. Walk On Water (feat. Beyoncé)
  2. 2. Believe
  3. 3. Chloraseptic (feat. Phresher)
  4. 4. Untouchable
  5. 5. River (feat. Ed Sheeran)
  6. 6. Remind Me (Intro)
  7. 7. Remind Me
  8. 8. Revival
  9. 9. Like Home (feat. Alicia Keys)
  10. 10. Bad Husband (feat. X Ambassadors)
  11. 11. Tragic Endings (feat. Skylar Grey)
  12. 12. Framed
  13. 13. Nowhere Fast (feat. Kehlani)
  14. 14. Heat
  15. 15. Offended
  16. 16. Need Me (feat. Pink)
  17. 17. In Your Head
  18. 18. Castle
  19. 19. Arose

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Eminem

Ist er nun Amerikas Alptraum, ein neuer Elvis Presley oder einfach nur ein verdammt guter Rapper? Es treffen wohl die meisten Urteile über Eminem irgendwie …

35 Kommentare mit 51 Antworten