laut.de-Kritik

Untote leben länger.

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Für einen Moment sah es so aus, als hätte der pandemische Überdruss dem Untoten-Sujet den Garaus gemacht. Die rappenden Zombiez verloren ihr Aushängeschild Basstard und verschwanden nach "Zatan Lebt!" von der Bildfläche. "The Walking Dead" ist seit letztem Jahr glücklicherweise Geschichte. Und die Ableger der Mutterserie bieten ein weitgehend unwürdiges Schauspiel. Doch Untote leben bekanntlich länger. HBO stößt in "The Last Of Us" mit einer artverwandten Pilzinfektion in die postapokalyptische Lücke, und auch die Zombiez reanimieren ihren inoffiziellen Frontmann.

"Ich bin wieder da aus dem lila Sarg. Zombie lebt, war noch nie so tot wie heute, sag' ich, wenn mich jemand fragt", verkündet der als Purple Z zurückgekehrte Basstard. G-Ko und KVSV lassen für ihr Dark-Trap-Instrumental von "Meateaterz" einen Schwarm aggressiver Hornissen aus der Höhle. Erfrischend bizarr klingen die gequälten Streicher von "Zettel Am Zeh". "Urne" schwankt recht unstimmig zwischen Trap aus finsterem Tann und Metal. Und stampfend errichten sie ihre "Wall Of Z". Sobald sie ihren eskalierenden Wahnsinn pausieren, bricht sich allerdings schnell ihr depressives Gemüt Bahn.

"Unsterblich" kämpfen die Zombiez mit der Last des ewigen Lebens, während Mazory808 die gedrückte Stimmung mit Emo-Trap stützt. Gefühlige Introspektion regiert in "Onyx". Basstard haucht den Refrain von "Antichrist", während seine Kollegen bedröppelt durch den Song schlurfen. "Unter dem Dachstuhl hängend muss ich an dich denken, oh, verkorkste, arme Welt!", rappt Zombie Black theatralisch mit deutlich weniger Tiefe, als es vorgibt, zu haben. In seiner Konfusion haben Songs wie "Ich Vs Ich 2" etwas Pubertäres. Und um Mitgefühl zu erzeugen, fehlt es an greifbaren Details.

Gemeinsam robben sie durch das unterirdische "Rattenloch", wo die Nagetiere als Krankheitsüberträger und heimliche Herrscher regieren. Das setzen sie zwar zwielichtig um, doch gegenüber Grim104s Abstieg in das U-Bahn-System in "Das Grauen, Das Grauen" zieht der Song atmosphärisch den Kürzeren. "Zombiemask" schlägt eine ähnliche Richtung ein: "Nagende Beißer bringen den schwarzen Tod wie die Rattenpest. Acht verschiedene Patienten erwachen aus dem Krankenbett." Kurios ist dabei, dass sich die Erfahrungen aus der Pandemie in keiner Weise in ihren Texten niederschlagen.

Zunehmend rätselhaft wirkt auch die allgegenwärtige Blasphemie. "Gott hatte sieben Tage Zeit, aber heute ist Tag acht. Alles, was er aufgebaut hat, zerstören wir heute Nacht", heißt es in "Tag 8". Statt sich wie auf "Gott Ist Tot" konkret an Kirche und Glauben abzuarbeiten, schwören sie in der Regel auf platte Gotteslästerung. Vor allem Tamas tut sich dabei hervor. In "Urne" attackiert er Moses und Scientology, in "Mensch Und Ich" erinnert er sich wehmütig an den "Klang einer Kirchenglocke" und laut "Rattenloch" sei seine "Wut auf die Kirche unheilbar", was in seiner Irrationalität wiederum gut passt.

Womöglich sehnen sich die Zombiez auch schlichtweg danach, ihr spirituelles Vakuum zu füllen. "Falte die Hände und sprech' die Gebote der dunklen Götter beim Festmahl", zeigt sich gerade Zombie Red in "Kill Shit" noch theologisch anschlussfähig. Und wenn sich die Stimmung in "Mensch Und Ich" eintrübt, muss sich der Rapper resignierend eingestehen: "Ich fand keine Hilfe durch 'nen Rosenkranz." Wenn die höhere Macht fehlt, müssen sie die Position selbst einnehmen. "Wall Of Z" prahlt mit ihrer Armee der Untoten, die "stärker als die Hand von Gott" sei.

"Herzstillstand" überzeugt als Adaption von "Tainted Love", die sich Marilyn Manson selbstredend näher fühlt als Soft Cell. Erstmals setzt das Quintett auf einen melodischen Charakter abseits von masturbatorischen Doubletime-Salven. Auch der Herzmonitor geht als netter akustischer Einfall durch. Einige allzu sentimentale Fallen wirken da entschuldbar - selbst, wenn Basstard hineintappt. Womöglich kommen ihm die Zombiez als Auszeit seiner wahren Berufung zupass, denn seit dem Tod von "Mahsa Amini" steht bei dem Rapper ohnehin der Widerstand gegen das iranische Regime im Fokus.

Trackliste

  1. 1. Meateaterz
  2. 2. Rattenloch
  3. 3. Gehenna
  4. 4. Tag 8 (mit Sinizter)
  5. 5. Herzstillstand
  6. 6. Zombiemask
  7. 7. Urne (mit Bearded Legend)
  8. 8. Wall Of Z
  9. 9. Unsterblich
  10. 10. Onyx
  11. 11. Zettel Am Zeh
  12. 12. Mensch Und Ich (mit Silvio Vincent)
  13. 13. Antichrist
  14. 14. Kill Shit (mit King Iso)
  15. 15. Ich Vs Ich 2
  16. 16. Katharziz

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1 Kommentar mit 2 Antworten

  • Vor 11 Monaten

    Wie schon bei Zatan Lebt, laut mal wieder keine Ahnung. Absolutes Hammer Album, von vorne bis hinten, Basstards Parts besonders ein Fest. Für mich DAS Hip-Hop Album des Jahres, läuft auf Dauerrotation.

    Das Album ist übrigens schon seit 2,5 Monaten raus, was hat so lange gedauert?

    • Vor 11 Monaten

      Nein, man kann das durchaus in jeder Hinsicht ne Spur zu anstrengend und/oder durchschnittlich finden.

    • Vor 11 Monaten

      Gott ist Tot habe ich wirklich gefeiert und oft gehört. Dafür dann die beiden Alben danach komplett ignoriert weil ich die langweilig fand.
      Ist mit den Zombies halt wie mit jeder Nischenmusik, muss man halt gestört sein um das gut zu finden. Dann ist es schnell ein Album des Jahres und andere schütteln mit dem Kopf.
      Wie bei Degenhard/Vandalismus, finde ich auch genial aber ist nichts für jedermann. Oder Prezi, Kamikazes…..
      Werde mir das Album mal anhören und am Ende vermutlich Gott ist Tot weiterhören ????????‍♂️