Porträt

laut.de-Biographie

Paradise Lost

Als Death Metal Ende der 80er, Anfang der 90er kräftig rollt, geht es den meisten Bands darum, als so schnell und brutal wie möglich dazustehen. Ein paar Jungs aus Halifax in England verzichten 1988 dagegen auf übertriebenes Gebrettere und versuchen, Brutalität mit langsamen, schleppenden Riffs zu erreichen.

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Die fünf Burschen hören auf die Namen Nick Holmes (Vocals), Greg Mackintosh (Gitarre), Aaron Aedy (Gitarre), Stephen Edmondson (Bass) und Matthew 'Tuds' Archer (Drums). Um dem düsteren, mit Death Growls intonierten Sound Rechnung zu tragen, leihen sie sich bei John Milton den Namen seines größten Werkes aus: Paradise Lost. Ihren Mix aus Doom und Death Metal bannen sie auf zwei Demos, ehe das aufstrebende Label Peaceville Records auf sie aufmerksam wird.

Dort erscheint 1990 das Debüt "Lost Paradise". Darauf hält sich die Band noch relativ treu an das Konzept der beiden Demos, hinterlässt aber international Eindruck bei Presse und Fans. Beigesteuert von Kay Field, haben Paradise Lost zudem als erste Death Metal-Band weiblichen Gesang auf ihrer Scheibe.

Vor allem die Tatsache, dass sie sich stilistisch fast im Doom-Bereich bewegen, aber auch die kryptisch interessanten Texte von Shouter Nick machen von Anfang an den Reiz der Engländer aus.

Einen Quantensprung legen sie mit dem Zweitling "Gothic" hin. Das ein Jahr später erscheinende Album definiert quasi einen neuen Stil: Gothic Metal. Obwohl die Sisters Of Mercy bereits wiederholt auf weibliche Vocals zurückgegriffen haben, handelt es sich dabei im extremen Metal mehr oder minder um ein Novum.

Sarah Marrion leiht Paradise Lost auf dem Album ihre Stimme, auch The Raptured Symphony Orchestra trägt zum Erfolg der Scheibe bei. Diese Verbindung tritt eine Welle los, die unzählige andere Bands gebiert, die ebenfalls Death Growls mit weiblichem Gesang kontrastieren.

Peaceville kann mit der schnellen Entwicklung der Band nicht mithalten. Paradise Lost wechseln zu Music For Nations. Dort erscheint 1993 "Shades Of God", das noch weniger mit dem Death Metal der Vergangenheit zu tun hat. Stattdessen importieren die Briten immer mehr Gothic-Elemente in ihren Sound. Vor allem Nick hat sich stimmlich enorm verbessert.

Vom Label werden sie aber, vollkommen deplatziert, mit Kreator und Morbid Angel auf US-Tour geschickt. Dass Paradise Lost da mit ihren langsamen, melancholischen Songs nicht reinpassen, versteht sich von selbst. Es folgen eine erfolgreichere Tour durch Europa, Heavy Rotation auf MTV sowie Lobeshymnen von Größen wie Metallica.

Obwohl der Weg steil nach oben weist, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Tuds nicht mehr so recht mitzieht. "Icon" markiert den absoluten Durchbruch für Paradise Lost. Nach der Veröffentlichung trennt sich die Band von Tuds.

Die Platte bleibt in vielerlei Hinsicht bemerkenswert: Nick singt plötzlich und erinnert dabei nicht selten an James Hetfield. Die Mischung aus den gefühlvollen Leads von Greg und den simplen, aber druckvollen Riffs von Aaron ist einzigartig: Das Album gilt Fans als absolutes Meisterwerk.

Paradise Lost - Obsidian
Paradise Lost Obsidian
Überragendes Spätwerk der Elder Statesmen of British Gothic-Doom.
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Matts Nachfolge tritt Drummer Lee Morris an, der sein Debüt auf dem überall gelobten "Draconian Times" spielt. Das Album setzt den Weg des Vorgängers konsequent fort und verfeinert die Stärken. Auf der Limited Edition gibt es noch eine Coverversion des Hits "Walk Away" von den Sisters, mit denen die Engländer wenig später auf Tour gehen.

Auch wenn sie live nicht wirklich überzeugen, (auf der "Icon"-Tour im Vorprogramm von Sepultura erscheinen sie wieder völlig fehlplatziert), ist der Erfolg nicht von der Hand zu weisen. Touren in Japan, Australien, Brasilien und Mexiko folgen, nur in den USA sind Paradise Lost nicht unterwegs.

1997 reagieren viele Fans und Kritiker auf Veröffentlichung von "One Second" verstört. Auf dem sechsten Album tönen auf einmal verstärkt elektronische Elemente, dafür weniger Gitarren. Drumcomputer und Synthies bedeuten für manchen Hörer ein harte Nuss. Die Band orientiert sich hörbar in Richtung Charts und nimmt dafür einen deutlichen Verlust an Härte in Kauf.

Nick hat seinen Gesang nochmals weiterentwickelt, dabei aber den rauen Charme seiner Stimme eingebüßt. Vor allem live bringt der Mann seine Gesangslinien noch nicht allzu sicher. Doch der Erfolg scheint Paradise Lost Recht zu geben: Das Album landet relativ hoch in den Charts. Für die Single "Say Just Words" versuchen sie sich sogar an einer Coverversion von The Smiths.

Nach der Best Of "Reflections" gehen Paradise Lost mit "Host" noch einen Schritt weiter und landen beim Major Label EMI Electrola. Der Name Depeche Mode schwebt wie ein übermächtiger Schatten über dem Album. Greg und Nick machen aus ihrer Vorliebe für die Band keinen Hehl, auch ihr Outfit ändert sich radikal.

Das Publikum reagiert enttäuscht, etliche der ehemals zahlreichen Fanpages machen dicht oder verkümmern. Obwohl viele Metaller der Band den Rücken kehren, gewinnen Paradiese Lost aus anderen Bereichen zahlreiche neue Anhänger dazu.

Folglich findet sich aus verkaufstechnischer Sicht auch kein Grund, auf "Believe In Nothing" große Veränderungen vorzunehmen. Ganz im Gegenteil holen sich Paradise Lost mit John Fryer den ehemaligen Depeche Mode- und HIM-Produzenten ins Boot und spielen eine Platte ein, die mindestens ebenso viel Lob wie Tadel einfährt. Obwohl die Gitarren wieder etwas mehr braten.

Nach der Scheibe trennen sich einmal wieder Band und Label. Paradise Lost finden bei den deutschen G.U.N Records eine neue Heimat. Dort erscheint Ende Oktober 2002 "Symbol Of Life". Elektro-Papst Rhys Fulber (Front Line Assembly/Fear Factory) produziert das Album, auf dem sich ein gewisses Back-to-the-roots-Feeling ausmachen lässt. Die Gitarren gewinnen mehr an Bedeutung, aber der letzte Biss scheint noch zu fehlen.

Für die Dates in Europa sind sie anschließend mit Within Temptation und Lithium unterwegs, ehe sie mit Opeth und Tapping The Vain durch die USA ziehen. Nach ein paar Skandinavien-Abstechern mit Amorphis gibt Lee seinen Ausstieg bekannt, da er sich nie wirklich in die Band integriert fühlte.

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Paradise Lost "Muse machen 'Dad-Rock'"
Nick Holmes und Greg Mackintosh über 'große' Bands, Trump, den Brexit und "Medusa".
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Nach einiger Zeit der Ruhe kündigen Paradise Lost ihr zehntes Album an, das sie schlicht mit dem Bandnamen betiteln. Für die Aufnahmen haben sie sich den Blaze-/Kill II This-Drummer Jeff Singer geholt. Tapping The Vain Sängerin Heather Thompson übernimmt ein paar Backing Vocals. Nicht nur die Haare von Nick und Greg sind wieder gewachsen, auch "Paradise Lost" gerät deutlich härter und rauer als alles, das sie seit "One Second" von sich gegeben haben.

Ob sie auch als Live-Band dazu gewonnen haben, wollen sie eigentlich im April 2005 im Vorprogramm von Judas Priest unter Beweis stellen, müssen aber absagen, da Greg gesundheitlich angeschlagen ist. Dafür sind sie kurz darauf mit den Israelis von Orphaned Land unterwegs. Doch der Gesundheitszustand von Greg bleibt bedenklich, weswegen er bei den Konzerten in Kiew, St. Petersburg, Bukarest und Sofia nicht teilnehmen kann.

Jeff ist mittlerweile fester Bestandteil der Band. Mit ihm machen sich Paradise Lost an die Aufnahmen zum elften Studioalbum. Als diese schon halb durch sind, unterzeichnen sie einen neuen Deal bei Century Media und stellen die Scheibe in Kanada fertig.

Im November 2006 sind sie mit Opeth in England unterwegs und veröffentlichen Mitte Mai des folgenden Jahres mit "In Requiem" ein wirklich starkes Album, zu dem Nick im Interview Stellung bezieht.

In Europa stellen sie das Album im September bereits vor, ehe es im Oktober/November mit Nightwish durch die USA geht. Außerdem erscheint Ende November die Dokumentation "Over The Madness", die bei den Filmfestspielen in Cannes läuft.

Es soll nicht die einzige DVD der Band bleiben: Schon Ende Mai 2008 legen sie mit "The Anatomy Of Melancholy" nach, auf der es einen guten Live-Querschnitt der bisherigen Schaffensphase von Paradise Lost zu sehen gibt.

Dass sie als Liveband leider alles andere als überragen, zeigen Paradise Lost kurz zuvor auch schon wieder auf dem Rock Hard Festival 2008. Da ist Jeff Singer noch dabei, aber im August lässt er über die offizielle Homepage vermelden, er steige aus familiären Gründen aus der Band aus. Deshalb entfallen die geplanten Südamerika-Dates, die europäischen Termine bestreiten Paradise Lost mit einem Aushilfsdrummer.

Die Arbeiten am nächsten Album starten die Briten ebenfalls mit einem bezahlten Studiodrummer. Allerdings meldet sich kurz vor den Aufnahmen im März der ehemalige At The Gates/Cradle Of Filth-Schlagzeuger Daniel Erlandsson bei ihnen. Durch Jeff Walker (Carcass) hat er vom verwaisten Drumhocker bei seinen alten Kumpels von Paradise Lost erfahren und ist nach einem kurzen Vorspiel dabei.

Bevor das neue Album im September erscheint, kommt Ende Mai bereits "Drown In Darkness - The Early Demos" heraus. Darauf gibt es die remasterten Demos "Paradise Lost" von 1988 und "Frozen Illusion" von 1989 zusammen mit sechs Live-Tracks des "Plains Of Desolation"-Bootlegs (ebenfalls von '89) zu hören. Um auf die Scheibe "Faith Divides Us - Death Unites Us" einzustimmen, gibt es eine Pre-Listening-Session in der Dortmunder Zeche Hugo, wo Sänger Nick Holmes die anstehende Veröffentlichung Stellung kommentiert.

Gitarrist Gregor Mackintosh muss einen Krankheits- und späteren Todesfall in seiner Familie verkraften. Ihn ersetzt auf der Europatournee kurzfristig Terrorvision-Keyboarder Milly Evans. Im September 2010 headlinen die Jungs die Jägermeister-Bühne des Ozzfests, bevor jemand auf die Idee kommt, das 15-jährige Jubiläum des Überalbums "Draconian Times" live zu zelebrieren.

Dies passiert bei sieben ausgewählten Konzerten in Europa, bei denen Paradise Lost das gesamte Album spielen und noch den einen oder anderen Song ergänzen. Das London-Konzert erscheint im November 2011 auf der Doppel-DVD "Draconian Times MMXI", die mit allerlei Bonusmaterial aufwartet.

Um den Tod seines Vaters zu verarbeiten, gründet Greg die Oldschool-Death Metal-Band Vallenfyre und veröffentlicht das Album "A Fragile King".

Die Konzerte mit dem "Draconian Times"-Material haben den Briten wohl endgültig klar gemacht, wo ihre Stärken liegen und wie sie am besten klingen: "Tragic Idol" und "The Plague Within" knüpfen an die Glanzzeiten der Band und die letzten Scheiben nahtlos an.

Noch einen Schritt weiter geht die 2017er Veröffentlichung "Medusa", das mittlerweile fünfzehnte Album der Nordengländer. Dort schließen die Musiker den Kreis zu ihren Anfängen endgültig und präsentieren mitunter schleppende Doom-Hymnen.

2020 veröffentlichen sie mit dem karriereumspannenden "Obsidian" ihr bislang vielfältigstes Werk. Paradise Lost bleiben weiterhin relevant und machen neugierig auf die Zukunft.

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