Porträt

laut.de-Biographie

Chakuza

Ein modernes Märchen? Zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Mehr Glück als Verstand? Man kann die Geschichte des österreichischen Rappers und Produzenten Chakuza betrachten, wie man will. Fakt bleibt: Innerhalb weniger Monate schafft er den Sprung vom alpenländischen Nobody zum Rapper in den vordersten Plätzen der Piefkecharts.

Vorchecking: Tocotronic, Fler, Versengold
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Außerdem neu am Freitag: Bass Sultan Hengzt, Chakuza, PJ Harvey, Jethro Tull, Madrugada, Eels, Blank & Jones, Burial und viele mehr.
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Wer in Linz, der Landeshauptstadt von Oberösterreich, geboren ist (genauer: am 22. Februar 1981) und aufwächst, erfüllt nicht gerade die beste Voraussetzung für das klassische Curriculum Vitae eines harten Deutschrappers. Sogar Spiegel-Redakteure nennen das Städtchen (immerhin der drittgrößte Ort Österreichs) hin und wieder den "Arsch der Welt". Doch Peter Pangerl aka Chakuza ist davon überzeugt, jeder sei seines eigenen Glückes Schmied.

So schließt er sich 2000 mit dem Produzenten DJ Stickle zusammen und wagt den Schritt in die Hip Hop-Szene Österreichs, die das Treiben des großen Bruders Deutschland natürlich überschattet. Der Österreicher Falco hatte zwar mit "Rock Me Amadeus" 1986 quasi den ersten Rap-Song auf Platz eins der amerikanischen Charts, aber auf eine florierende Hip Hop-Szene blickt die Alpenrepublik abgesehen davon nicht wirklich zurück.

Auf Platte bekommt man folglich die harten, meist von Battlerap beeinflussten Texte Chakuzas nur spärlich zu hören. Trotzdem kursieren zwei Namen in den Rapkreisen Österreichs, zu denen Chakuza gehört: Beatlefield, als Produzenten-Duo mit DJ Stickle, und Verbale Systematik, als Raptrio mit DJ Stickle und MC J. Alles läuft im beschaulichen Rahmen, bis zu einem denkwürdigen Abend im Frühling 2005.

Der Berliner Rapper und Produzent Bushido, der gerade sein Album "Electro Ghetto" auf Tour präsentiert, macht Stopp in Linz. Das Beatlefield-Duo, das aufgrund der eigenen imposanten Produktionen und expliziten Textinhalte musikalisch ein Nahverhältnis zu Bushido pflegt, steht bei dem Gig vor der Bühne. Nach dem Konzert händigen sie Bushido eines ihrer Demos aus. Man weiß ja nie. Das moderne Märchen nimmt seinen Lauf.

Zu Hause in Berlin schmeißt Bushido das Beatlefield-Tape in die Anlage und findet Gefallen an den Jungs. Welch ein Zufall, dass sich zur gleichen Zeit seine und die Wege seines langjährigen Produzenten DJs Ilan trennen. Kurzerhand packt er seine sieben Sachen in seinen Siebener-BMW und düst nach Linz, um DJ Stickle und Chakuza einen Deal nach dem Motto "Wollt ihr meine Freunde sein?" anzubieten. Die Linzer fühlen sich mit dem Berliner auf einer Wellenlänge, sehen ihre große Chance und willigen ein. Mehrere Linz-Besuche Bushidos folgen, wobei einer, Ende Juli, länger als geplant andauert.

In diesen Tagen festigt sich offensichtlich die Beziehung zwischen ihm, Chakuza und DJ Stickle, denn auf dem nur wenige Monate später veröffentlichten Album "Staatsfeind Nr.1" geht ein Großteil der Produktionen auf die Kappe der Beatlefield-Jungs. Chakuza präsentiert sich zusätzlich auf zwei Songs als Vorzeigerapper. Die Platte steigt in höchste Chartsregionen auf: Von heute auf morgen sitzen Stickle und Chakuza neben Bushido auf den Sofas MTVIVAs.

Der nimmt die Jungs bei seinem Label Ersguterjunge unter die Fittiche. Bereits im Februar 2006 erscheint der erste Labelsampler "Nemesis", auf dem Chakuza bei zehn Songs sein Können unter Beweis stellt. Im April kommt das erste Mixtape "Suchen & Zerstören", das Chakuza und DJ Stickle in Quasi-Eigenregie aufziehen. Die Texte sind nicht leicht zu verdauen, und auch die Beats haben ordentlich Schmackes. Wenn man das Zusammenkommen zwischen Bushido und Chakuza irgendwie kommentieren muss, dann am besten mit: Nicht gesucht, aber trotzdem gefunden.

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Die Zeit vergeht, es wird Oktober. Zusammen mit seinem Ersguterjunge-Kollegen Bizzy Montana schiebt Chakuza unter dem Titel "Blackout" ein weiteres Street-Album nach. "Bizzy-Chakuza, eine Schlange, die zwei Köpfe hat", legt "Herz, Blut, Lunge" in den Mix. Fans schwärmen bei der Paarung von einer wahren Arsch-auf-Brille-Traumkombination.

Trotzdem wird es für Chakuza langsam Zeit für ein richtiges Album: "City Cobra" erscheint. Chakuzas quasi-siamesischer Zwilling DJ Stickle ist mit an Bord, die Beatlefield-Jungs leisten, genau wie eine Reihe von Gastproduzenten, ganze Arbeit. Wenngleich im Vortrag ein wenig eintönig geraten (nicht nur hier wirft die musikalische Nähe zu Bushido lange Schatten), präsentiert das Album einen keinesfalls auf den Mund gefallenen MC.

Der hat auch noch Erfolg: Das Debüt steigt auf Platz zehn in den Charts auch, womit sich der Linzer auch in kommerzieller Hinsicht günstig an Bushidos rechter Seite positioniert. Die Nominierung für die MTV Music Awards, Kategorie "New Sounds Of Europe" folgt auf dem Fuße. Auch Album Nummer zwei und drei schaffen es in die Charts.

Der Haussegen bei Ersguterjunge scheint allerdings zunehmend schief zu hängen. Chakuza erzählt im Interview von "eigenem Leben, eigenen Freunden und eigenen Beinen", auf denen zu stehen sei, und gibt Ende 2010 seine Trennung von Bushidos Stall bekannt.

Sein Street-Album "Suchen & Zerstören 2" erscheint bei D-Bos Label Wolfpack Entertainment. Und so lebten sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage? Von wegen. Nach dem mäßigen Erfolg des "Suchen & Zerstören"-Zweitschlags, für den Chakuza durchaus auch mangelhafte Promoarbeit seitens seines Labels verantwortlich macht, wird es still um den Wahlberliner.

Chakuza kehrt nach Linz zurück, bekommt es dort aber vom Schicksal richtig besorgt: Erst verliert er seine Mutter, dann erkranken die Großeltern, in deren Obhut er einst aufwuchs. Chakuzas ganze Welt gerät ins Wanken. Um neu durchzustarten, muss er zunächst einmal radikal aufräumen. Er zieht doch wieder nach Berlin, mistet seinen Freundeskreis aus, trennt sich von eher hinderlichen Geschäftsbeziehungen, kämpft mit schlechten Gewohnheiten, wirft allen Ballast ab. Bei Four Music findet er eine neue Labelheimat.

Die Jahre der Depression und des Umbruchs verarbeitet Chakuza in seiner Musik. Eigentlich sollte das in Eigenregie produzierte "Magnolia" nur ein Mixtape werden, wuchs sich aber zum ganzen Album aus. 2013 steht die Platte in den Läden.

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Doch eigentlich wird es jetzt erst richtig spannend: Wenn man ganz unten im Loch sitzt, müssen ja alle Wege aufwärts führen. Sie führen aber nicht nur aufwärts, sondern musikalisch langsam, aber sicher Richtung Indierock. Chakuza entwickelt sich auch persönlich weiter und lässt auf "EXIT" zwischen all der Melancholie kleine Hoffnungsschimmer aufblitzen.

Er flieht erneut aus der Hektik der Großstadt, auf dem Land findet er die Ruhe, die er braucht. Er beginnt wieder zu texten, bis es ihn für die Arbeit an seinem achten Album "Noah" nach Holland zieht, wo er gemeinsam mit dem Künstlerkollektiv In Vallis den letzten Teil seiner Trilogie vollendet.

Gleichzeitig lässt Chakuza verlauten, dass es sich bei dieser Platte womöglich um seine letzte Solo-Platte handle. Er fühle sich endlich im Privaten angekommen, seiner Verlobten schenkt der Österreicher auf "Noah" eine Liebeserklärung.

"An sich möchte ich eventuell noch ein eigenes Album machen, mich dann aber aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Ein geregeltes Leben führen und selbstständig arbeiten, vielleicht sogar wieder in der Gastronomie", fasst Chakuza Mitte 2016 seine Pläne für die Zukunft zusammen. Von der grantigen Rapperfassade bleibt nichts mehr übrig, der Linzer Musiker ist klammheimlich erwachsen geworden und strebt ein ruhiges, geordnetes Landleben an.

Statt in die Gastronomie zieht es Chakuza dann aber doch wieder ans Mikrofon. Zusammen mit Bizzy Montana lässt er "die Schlange, die zwei Köpfe hat" wieder aufleben und veröffentlicht im Frühjahr 2017 "Blackout 2", in dessen Vorfeld er sich bereits medienwirksam mit Bass Sultan Hengzt in die kurzen Haare gerät. Verbunden mit einer Album-Offensive aus "Aurora", "Aurora MC", "Magnolia X", "Heavy Rain", "Luna" oder "Liebe & KI" schlägt er ab 2019 wieder nachdenklichere Töne an.

So ganz ohne Probleme geht eine Wandlung vom bissigen Reimemonster zum nachdenklichen, geerdeten Privat-Bürger eben doch nicht vonstatten. Einmal Rapper, immer Rapper.

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