laut.de-Kritik

Nicht alles was hinkt, ist auch eine Metapher.

Review von

Es ist ja an sich eine gute Sache, mehr als ein Gefühl fühlen zu können. Chakuza zum Beispiel verkörpert sowohl Frustration als auch Traurigkeit ganz authentisch. Ein wenig verwunderlich ist aber, dass man anhand dieser beiden Gefühle fast seine ganze Diskographie aufteilen kann. Ist er wütend, gibt es "Suchen Und Zerstören", wenn er unglücklich ist, gibt es "Magnolia", "Noah" oder "Exit". "Aurora MC" ist eine der bedröppelten Platten. Und obwohl sie Behandlung von Depression und Alkoholismus verspricht, zeigt sie den Österreicher nur eine weiteres Mal als den eindimensionalsten vielschichtigen Rapper der Szene.

Dabei bringen die acht Titel klanglich ein paar interessante Sounds und Melodien an den Start. Interessant temperierte Klavier-Samples, geschmackvoller Hall, gut bearbeitete Vocal-Loops sorgen für einen Klangteppich, der sich angemessen sphärisch und verloren anfühlt, passend zum Wüstenthema einer "Großstadtwüste" zum Beispiel, aber auch sonst in einem Klangspektrum, das man zwischen Indie-Pop, Shoegaze oder Post-Rock finden würde. Abseits von besagter, treibend produzierten "Großstadtwüste" und einem geschmackvollen Bluesgitarren-Spiel auf "Ich Denk Mich Weg" fehlt den Tracks oft stimmiger Groove, um nicht in die Gleichförmigkeit zu verfallen. Und das zwingt Chakuza, die Platte mit seinen Vocals und Texten zu tragen.

Und wäre es ein Single-Release, könnte er das auch. Seine Stimme ist fest und beharrlich, ausdrucksstark und zeigt einen Mann, der schon einiges mitgemacht haben muss. Für einen oder zwei Songs beeindruckt sein stetiger, wenn auch sehr homogener Flow durchaus. Nach besagten zwei Nummern bemerkt man aber langsam, dass dieser Stil Vocals sich über "Aurora MC" nicht mehr variieren wird und eine gewisse Monotonie stellt sich ein, die auch die extrem schmalzigen Hooks nicht retten ("Wir sind wie Helium, Helium" oder "Du und ich wie Bären Brüder", yikes). Schlimmer noch bemerkt man an diesem Punkt dann langsam, dass die Texte gar nicht so tief schürfen, wie der Rest der Aufmachung es für einen Moment glauben lässt.

Und das tut leid zu sagen. Denn so sehr Chakuza auch wie jemand wirkt, der viel zu erzählen hat und selbst auch ohne Frage äußerst überzeugt davon scheint, dass er viel zu erzählen hat, erzählt er auf den acht Titeln überraschend wenig. Denn statt auf Ursachen oder Realitäten seiner Depression einzugehen, seinen Alkoholismus spannend zu beleuchten, werden sie oft zu Symbolen einer harten Welt, die aber mehr als eine hier und da abfallende Erwähnung nicht erfahren.

Die Welt ist hart, will "Aurora MC" mitteilen. Leider bringt Chakuza kaum wirkliche Details hervor, die erklären könnten, was sie denn so hart macht. Stattdessen füllt er Tracks mit Metaphern und großen Worten, die bei näherem Blick nicht wirklich weit führen "Ein Roman der Großstadtwüste / Unsre Füße stecken tief drin im Sand / Und wir heiraten gleich hier am goldenen Hafen / 'Good night!' – denn ich hoffe, dass die Wolken schon schlafen". Klingt auf den ersten Blick vielsagend. Denkt man aber mal eine Sekunde drüber nach, ist es mit Verlässlichkeit auf den Reim geschriebener Blödsinn.

Da wo Substanz versprochen wurde, wirft Chakuza also textlich Blendgranate nach Blendgranate. Musikalisch kommen ein paar interessante Sounds, die zu den immer gleichen Beats gestampft werden und ein Flow, der einmal funktioniert und dann nie wieder gewechselt wird. "Aurora" (die EP) wie auch "Aurora MC" ist das Resultat eines Rappers, der für das Bearbeiten seiner negativen Gefühle einmal eine Komfortzone gefunden hat, und sich von da an weigert, irgendetwas Neues auszuprobieren. Deswegen gab es bisher auch noch keinen effektiven Hybrid aus dem deepen und dem aggressiven Chakuza. Denn für die wirkliche Innovation bräuchte es deutlich mehr Mut, deutlich mehr Umtriebigkeit und mehr Wille, mehr Sein als Schein zu liefern. Denn nicht alles was deep klingt, ist profan und nicht alles was hinkt, ist auch eine Metapher.

Trackliste

  1. 1. Notre Dame MC
  2. 2. Alles Drama (feat. Marc Sloan)
  3. 3. Wilde Welt MC
  4. 4. Großstadtwüste (feat. Marc Sloan)
  5. 5. Ich Denk Mich Weg MC
  6. 6. Unendlichwelt (feat. Marc Sloan)
  7. 7. Verloren MC
  8. 8. Helium (feat. Marc Sloan)

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