Porträt

laut.de-Biographie

Steve Earle

"Was politisch in den letzten Jahren in den USA geschehen ist, hat mir fast das Herz gebrochen. Ich habe mir ernsthaft überlegt, anderswo hinzuziehen. Schließlich habe ich festgestellt, dass es nicht nötig war, das Land zu verlassen. Es hat gereicht, nach New York zu kommen", erklärt Steve Earle 2007. In der Tat fällt es schwer, sich den Musiker in Paris, London oder Berlin vorzustellen, ist er doch sehr an seine Heimat gebunden. Auch wenn er kein Blatt vor den Mund nimmt, um Missstände anzuprangern.

Steve Earle & The Dukes - J.T.
Steve Earle & The Dukes J.T.
Der Songwriter covert Lieder seines verstorbenen Sohnes.
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1955 in Virginia geboren und in Texas aufgewachsen, zieht Earle mit seinen Eltern oft um, da sein Vater als Fluglotse arbeitet. Jung verlässt er die Schule und versucht sich erst in Houston, dann in Nashville als Songwriter und Studiomusiker. Es gelingt ihm, sich irgendwie über Wasser zu halten, obwohl er seinen ersten Top Ten-Hit ("When You Fall in Love", interpretiert von Johnny Lee) erst 1981 schreibt.

1986 kommt sein Debüt "Guitar City" auf den Markt. Gemeint ist die Hauptstadt des Country, dem sich Earle - mit einer Prise Rock - musikalisch verschreibt. Damit erhält er seine erste goldene Platte. Mit "Copperhead Road" erreicht er zwei Jahre später den Höhepunkt seines Erfolgs: Das Album verkauft sich über eine Million Mal und etabliert ihn als Country-Barden, der sich kritisch über den damaligen Präsidenten Ronald Reagan äußert und sich auch mit anderen schwierigen Themen auseinander setzt. Der Titeltrack handelt von einem Vietnam-Veteranen, der im großen Stil Marijuana anbaut.

Drogen spielen auch in Earles Leben eine große Rolle. Zu Beginn der 90er Jahre verliert er die Kontrolle über seine Heroin- und Alkoholsucht und stürzt bodenlos ab. Erst verliert er seinen Plattenvertrag, dann landet er wegen illegalem Waffen- und Drogenbesitzes im Knast. Dort gelingt ihm eine erfolgreiche Entziehungskur, doch als 1994 "sein Urlaub in Ghetto", wie er ihn bezeichnet, zu Ende geht, steht er vor dem Scherbenhaufen seiner Karriere.

Als überzeugter Gegner der Todesstrafe trägt er mit "Ellis Unit One" zum Soundtrack des kritischen Films "Dead Man Walking" bei. Das akustische "Train A Comin'" (1995) bringt ihm eine Nominierung für einen Grammy Award ein. Der kommerzielle Erfolg hält sich, wie auch bei den Folgealben, in Grenzen. 1999 gründet Earle sein eigenes Label E-Squared und veröffentlicht dort als erstes eine Bluegrass-Platte. In den folgenden Jahren schlägt er mal rockigere, mal ruhigere Töne an.

2002 sorgt er mit dem Album "Jerusalem" und vor allem mit dem Song "John Walker's Blues" für Aufsehen. Gewidmet ist er John Walker Lindh, einem US-Amerikaner, der sich auf die Seite der Taliban schlägt, 2001 von der US-Armee in Afghanistan gefangen genommen wird und eine Verurteilung zu 20 Jahren Haft erhält. Der Song handelt Earle den Ruf ein, Terrorismus zu befürworten - was der Musiker entschieden verneint.

2005 stößt er seine Fans wieder vor den Kopf. Diesmal, weil er General Motors erlaubt, seinen Song "The Revolution Starts Now" für eine Pick Up-Werbung zu verwenden. Ein Jahr davor hatte er damit noch den demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry unterstützt. Mit dem gleichnamigen Album heimst er immerhin einen Grammy ein, wie auch zwei Jahre später mit "Washington Square Serenade".

Mit seiner siebten Ehefrau ist Earle zu diesem Zeitpunkt ins Greenwich Village nach New York gezogen. In seiner unmittelbaren Nähe wohnt Bob Dylans ehemalige Freundin Suzie Rotolo. Eine Verbindung, die ihm offenbar gefällt: 2008 produziert er das Album einer anderen Ex, Joan Baez.

Auch unter eigenem Namen veröffentlicht Earle eifrig Platten, darunter"The Low Highway" (2013) und mit seiner Begleitband The Dukes "Terraplane" (2015), "So You Wannabe An Outlaw" (2017), "Guy" (2019) und "Ghosts Of West Virginia" (2020).

"Terraplane" nimmt auf Nashville Bezug, lässt viel Fiddle-Sound aufjaulen und beeindruckt im Song "Better Off Alone" mit einem phänomenalen E-Guitar-Solo. "So You Wannabe An Outlaw" gerät beim Major Warner etwas glatter, umfasst aber auch mehr Bandbreite: mit dem akustischen "News From Colorado", der zarten Ballade "The Girl On The Mountain" und dem knarzig-rockigen "Fixin' To Die". "Guy" greift wieder das Unterwegs-Motiv der Platte "The Low Highway" auf, handelt von Trucker-Parkplätzen mit Whiskey trinkenden Einsamen, von Autobahnen und Zügen.

Mit "Ghosts Of West Virginia" legt Earle ein Konzeptalbum über Bergbauarbeiter im US-Staat West Virginia vor und übt unterschwellig Kritik an der Politik, die in den USA auch 2020 weiter auf Kohleabbau setzt und zudem die Belange des Arbeitermilieus nicht versteht.

Für viele Künstler ist 2020 ein hartes Jahr. Auch für Earle, dessen Tourtätigkeit infolge von Corona weitgehend ausfällt. Ein noch viel härterer Schlag ist der Tod seines Sohnes Justin Townes im August, selbst Singer/Songwriter, der an einer Überdosis stirbt. Den Schmerz verarbeitet Vater Earle mit dem berührenden Album "J.T." (2021), auf dem er Lieder seines Sohnes interpretiert.

Alben

Steve Earle & The Dukes - J.T.: Album-Cover
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  • Redaktionswertung: 5 Punkte

2021 J.T.

Kritik von Giuliano Benassi

Der Songwriter covert Lieder seines verstorbenen Sohnes. (0 Kommentare)

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