Porträt

laut.de-Biographie

Long Distance Calling

Aus unterschiedlichen Winkeln des härteren Musikkosmos kommend, jedoch mit gemeinsamen Vorlieben für postrockistische Big Names wie Mogwai, Red Sparowes und Godspeed You! Black Emperor, treffen die fünf Mitglieder von Long Distance Calling Anfang 2006 aufeinander.

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Ihrer Vision, einen Sound zu schaffen, wie er gerade in der deutschen Alternative-Szene weitgehend ungespielt ist, verleiht die Münster-Dortmund-Mannheim-Connection bald mit dem viel gefeierten Demo "DMNSTRTN" Ausdruck. Rock Hard attestiert "absolute Professionalität", zugleich erklärt die Visions das Vier-Track-Album zum Demo des Monats.

David Jordan (Gitarre), Janosch Rathmer (Drums), Florian Füntmann (Gitarre), Jan Hoffmann (Bass) und Reimut van Bonn (Ambience) sind plötzlich wer. Nichts, das diese Welt schöner macht, dauert nur drei Minuten, sagen sie selbstbewusst. Beinahe schon folgerichtig, dass unter dieser Prämisse epische Instrumental-Hymnen entstehen, gewaltig, gewichtig, Strophen und Refrains niederwalzend.

"Satellite Bay", ihre Premiere im Plattenladen, erscheint beim Klein-Indie Viva Hate Records. Sieben Songs, eine Stunde Spielzeit - und sieben Weltreisen? Das finden jedenfalls nicht nur Long Distance Calling selbst.

Zwei Platten später ("Avoid The Light", 2009 und Platz 36 der Albumcharts, und "The Flood Inside", 2013) hat die deutsche Postrock-Crew Festivalgigs bei Rock am Ring, Summer Breeze, Wave-Gotik-Treffen oder dem Roadburn hinter sich, aber auch ihren Elektroniker Reimut gegen einen Sänger (und ebenfalls Knöpfchendreher) namens Martin Fischer (Pigeon Toe, Ex-Fear My Thoughts) eingetauscht.

"Wir haben während des Schreibens gemerkt, dass eine Stimme diesmal viel Sinn machen würde. Stillstand und Formeln sind nicht unser Ding, deswegen fiel uns dieser Schritt sehr leicht", erklärt die Band den Line-Up-Wechsel vor dem dritten Album. Schließlich hat man durchaus Erfahrung mit Sängern: Sogar mit John Bush standen Long Distance Calling schon im Studio.

Beim Nachfolger "Trips" steuert Martin Fischer allerdings nur noch die elektronischen Elemente bei. Er verlässt nach nur einem Album die Band, offiziell aus privaten Gründen. An seine Stelle tritt der norwegische Sänger Carl Pettersen, mit dem Long Distance Calling bereits 2011 bei einer gemeinsamen Tour mit Anathema Bekanntschaft machten. Hat Pettersen zuvor schon den Song "Welcome Change" gesungen, leiht er nun der gesamten neuen Platte sein Organ. Die Texte schreibt das Quartett aus Münster aber noch immer überwiegend selbst.

Long Distance Calling verstehen sich als vierköpfige Instrumentalband, bei der der Sänger zwar nicht das fünfte Rad am Wagen, aber doch lediglich ein Feature ist. Laut Aussagen der Bandmitglieder ist es deshalb auch gut möglich, dass immer wieder ein anderer am Mikrofon steht.

Oder eben gar keiner. Nach zwei Alben mit erhöhtem Gesangsanteil veröffentlichen Long Distance Calling 2018 mit "Boundless" ein weiteres instrumentales Studioalbum. Ohne Gastauftritte, ohne Sprachsamples. Die pure Musik, eben.

2019 nimmt die Band während der "Seats & Sounds"-Tour das Live-Album "Stummfilm" in der Altonaer Kulturkirche auf. Für Band wie Publikum eine ganz besondere Tour. "Wir wollten einen Schritt weiter gehen und zum ersten Mal die audio-visuellen Qualitäten der Band hervorheben. An diesen Abenden sollte unsere Musik dazu dienen, der Soundtrack des individuellen Films eines jeden Gastes zu sein", kommentieren die Münsteraner den Hintergrund der Tour. Als Gastmusiker wirken der Mainzer Cellist Luca Gilles sowie der Münsteraner Perkussionist und Electronic Beats-Künstler Aaron Schrade mit.

Im November beginnen Long Distance Calling mit den Arbeiten zur siebten, sehr von elektronischen Elementen durchsetzten Studioplatte "How Do We Want To Live?". Das Album thematisiert das Spannungsverhältnis zwischen technischem Fortschritt und dem damit einhergehenden Verlust individueller Freiheiten. Den thematischen Faden unterbreitet die Band mit zahlreichen der Literatur entnommenen Zitaten, die den Hörer in Form von Spoken Word-Parts durch das Album leiten.

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Long Distance Calling "Wie könnte ein Gorilla klingen?"
Long Distance Calling im Interview über ihr neues Album "Eraser".
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Während der Aufnahmen bricht die Corona-Pandemie aus und wirft somit auch indirekt die Frage auf, wie wir als Menschen denn leben wollen. "Wir haben zwar kein Album über einen Virus geschrieben, trotzdem passt es dadurch wie Arsch auf Eimer", äußert sich Drummer Janosch Rathmer dazu. "How Do We Want To Live?" erscheint im Juni 2020. Im August 2022 folgt schließlich "Eraser".

Zusätzlich erhält die Band eine Nominierung zum deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie "Komposition Metal" für ihre "Vision, einen innovativen und audiovisuellen Soundtrack zu schaffen, welcher in der deutschen Musiklandschaft einzigartig ist".

Long Distance Calling liefern mit ihrem evokativen und introspektiven Post Rock Musik mit den Qualitäten eines Soundtracks ab. Damit stehen sie hierzulande in ihrem Refugium einsam an der Spitze. Diesen Platz an der Sonne verteidigen sie mit jedem Album aufs Neue. Keine andere deutsche Band erhebt instrumentale Musik derart gut zur Atmosphäre wie die Münsteraner.

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Alben

Long Distance Calling - Boundless: Album-Cover
  • Leserwertung: 5 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2018 Boundless

Kritik von Alex Klug

Gipfelsturm mit Western-Flair in klanglicher Perfektion. (0 Kommentare)

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