laut.de-Kritik

Der frühere Steineschmeißer wirft jetzt Discokugeln.

Review von

"Ich mag die Haltung von Punk, und den Style vom Jazz / Die Bässe vom Reggae und die Beats vom Rap." Jawoll, meine Damen und Herren: Wer gediegen auf Scheuklappen scheißt, sieht sich in der glücklichen Lage, aus allen Schubladen die Perlen und Rosinen herauspicken zu können. Deswegen lieferte Beginner Eizi Eiz einst eine astreine Reggae-Platte. Deswegen bleibt ein Jan Delay mitnichten in diesem mittlerweile rasant Richtung Erfolg fahrenden Zug sitzen. Deswegen gilt auch diesmal: "Ein neuer Jan, ein neuer Anfang."

Theatralische Fanfaren bereiten Hamburgs Chef-Styler den Boden. Trockene Drums, funkende Gitarren und schillernde Orgelsounds - so hört sich's an, wenn Jan was anfängt, mit einer Funkband? Anerkennendes Nicken macht sich breit und wächst sich zu einem Ganzkörper-Mitwippen aus, während sich "Klar" unverschämt swingend seinen Weg zum Ohrwurm des Monats bahnt. "Beim Tanzen soll man den Kopf aus- und den Arsch einschalten." Na, herzlichen Glückwunsch! Hier werden die richtigen Knöpfe gedrückt.

"Klar", dass ein Jan Eißfeldt eine Inhaltslosigkeit, wie sie die Single zelebriert, nicht auf Albumlänge durchhält. Der Steineschmeißer hat die Munition gewechselt. Er wirft jetzt Discokugeln. Das hindert ihn aber keineswegs daran zu tun, was er vortrefflich beherrscht: Jan Delay seziert mit scharfem Blick und spitzer Zunge die deutsche Befindlichkeit. Die "Kartoffeln" werden gewürzt mit einer ordentlichen Portion Eigenlob vorgesetzt. Nennt ihr es ruhig Arroganz - das ist eben Hip Hop.

Funky Bläser und Gitarren und souliger Backgroundgesang verbinden sich zu Sound-Kulissen, die, mit schönem Gruß vom Tagesgeschehen, beiläufig erzählte Tragödien fluffig umhüllen. In "Ahn' Ich Gar Nicht" unterlegt ein wahrer Mörderbeat Jans Fragenkatalog. Warum bei "Mercedes Dance" alle Welt von einem "Jazzfunk-Album" spricht, erschließt sich mir allerdings nicht. Der Jazz spitzt zwar im instrumentalen, ebenso relaxten wie druckvollen "Gasthaus Zum Lachenden Stalin" gemeinsam mit dem Geist Herbie Hancocks um die Ecke, ansonsten haben wir es aber mit einer mehr als ordentlich durchgefunkten Pop-Platte zu tun.

Produziert mit einem stets auf den Dancefloor gerichteten Auge bietet "Mercedes Dance" alles, was eine Partynacht zu einer solchen macht: Glitzernde Disco-Synthetik funkelt in "Plastik", treibende Rhythmen mit einem Hauch von Madness schüren das "Feuer", und wenn sie zur energischen Bläser-Gitarren-Percussion-Kombination von "Raveheart" nicht tatsächlich auf allen Tanzflächen feiern wie besessen, dann will ich nie wieder eine Platte auflegen. Zeit für die Engtanz-Runde: Wie damals Nenas "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" wird "Für Immer" in ein komplett neues Gewand gesteckt, bleibt aber dennoch eine zum Weinen schöne Schnulze. Ich bin sicher, Rio Reiser sitzt auf seiner Wolke, lächelt leise und hat seine helle Freude.

Zum Abschluss der Nacht ein wenig Selbstreflektion, Schwermut und Melancholie, denn alles ist "Im Arsch". Angesagt trifft abgehalftert: Jan Delay holt Udo Lindenberg aus der Mottenkiste. Oberflächlich betrachtet eine ungewöhnliche Paarung. Aber, was geht? Der alte Lindenberg läuft zu Bestform auf. Das Duo kommt in einer Weise organisch daher, als stünden die beiden seit Jahren gemeinsam in der Gesangskabine. Eigentlich tun sie das ja. "Seid doch mal ehrlich!" Lindenberg-Zitate sind schließlich seit jeher ein Faible Jan Delays. Am Ende befinden wir uns ganz am Anfang. Die Birne ist frei für Neues - und das wird dann mit Sicherheit wieder ganz etwas anderes sein.

Trackliste

  1. 1. Mercedes Dance Intro
  2. 2. Klar
  3. 3. Kartoffeln
  4. 4. Kirchturm- kandidaten
  5. 5. Für Immer Und Dich
  6. 6. Feuer
  7. 7. Gasthaus Zum Lachenden Stalin
  8. 8. Plastik
  9. 9. Ahn' Ich Gar Nich
  10. 10. Raveheart
  11. 11. Im Arsch feat. Udo Lindenberg

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Jan Delay

"Wir sind die Sonne, die scheint, Baby, Baby / Und ihr dreht durch wie die Raver auf der Mayday / Erfrischend wie in der Wüste Punica zu finden / Und …

21 Kommentare

  • Vor 14 Jahren

    yeah... und jetzt endlich auch mal wieder auf tour...

    Sa. 27.06.09 CH- St. Gallen – St. Gallen
    Open Air
    So. 28.06.09 B- Eupen – Musik Marathon
    Fr. 03.07.09 Köln – Summerjam
    Fr. 17.07.09 A- Wiesen – Nuke Festival
    Sa. 18.07.09 Mannheim – Hip Hop Open Minded
    Sa. 01.08.09 München – NRJ in the Park
    Fr. 14.08.09 Übersee – Chiemsee Reggae
    Sa. 22.08.09 Uelzen – Uelzen Open Air
    Fr. 09.10.09 Bielefeld – Ringlokschuppen
    Sa. 10.10.09 Bremen – Pier 2
    Mi. 14.10.09 A-Hohenems – Eventcenter Hohenems
    Mo. 19.10.09 Freiburg – Rothaus Arena
    Mi. 21.10.09 CH- Uetendorf – TUS Sportzentrum
    Do. 22.10.09 Saarbrücken / St. Ingbert – mechanische Werkstatt
    Mo. 26.10.09 Berlin - Columbiahalle
    Di. 27.10.09 Hannover – AWD Hall
    Do. 29.10.09 Chemnitz – Stadthalle
    Fr. 30.10.09 Kassel – Eissporthalle
    Sa. 31.10.09 Rostock – Stadthalle
    So. 01.11.09 Flensburg – Deutsches Haus

    http://www.jandelay.de/