laut.de-Kritik

Indie-Glam-Supergroup singt über "Hello Kitty"-Uzis und Diktatorensöhne.

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Früher habe ich mir bei einem Besuch einer westlichen Metropole immer vorgestellt, wie ich zufällig einen meiner Stars auf der Straße treffe. In San Francisco war dann aber nirgends Mike Patton, in Seattle kein Eddie Vedder, ja nicht mal Martin Gore kam vorbei, als ich vor der größten Shopping Mall im verschnarchten Rentnerort Santa Barbara auf ihn wartete. Ganz anders Kollege Hutzel, der lässig auf der Londoner Oxford Street flanierte und plötzlich vor Serge Pizzorno im dicken Pelzmantel und dessen Model-Begleitung stand.

Auch den Heroes selbst passiert sowas gelegentlich. Letztes Jahr gingen Foto-Tweets um die Welt, die ein zufälliges Zusammentreffen von Nick Cave und Jonny Greenwood auf offener Straße in New York dokumentierten. Und 2013 ging Franz Ferdinand-Sänger Alex Kapranos in San Francisco spazieren und stieß mit seinen erklärten Helden Russell und Ron Mael von den Sparks zusammen.

Auch wenn es in diesem Fall kein Flaneur für nötig erachtete, der Nachwelt ein Foto davon zu präsentieren, die Begegnung hat für uns alle ertragreiche Folgen: Ein gemeinsames Album beider Bands. Das allerdings eine Vorgeschichte hat: "Wir trafen uns zum ersten Mal 2004 und sprachen über eine Zusammenarbeit. Danach schickten Russell und Ron uns 'Piss Off', aber mit Franz Ferdinand ging es damals grade derart ab, dass wir die Idee nicht mehr verfolgen konnten", so Ober-Franz Kapranos. Den Drang, über Jean-Paul Sartre, Frank Lloyd Wright, Amphetamingenuss und "Hello Kitty"-Uzis zu singen, verspürte da noch keiner.

Das Überraschendste vorweg: Keyboarder Ron Mael trägt statt Zweifinger- nun Clark Gable-Strichbart. Aus musikalischer Sicht war aufgrund der Beteiligten zwar relativ klar, dass hier kein Extremflop herausspringen würde. Die nonchalante Lässigkeit, mit der FFS hier ihre Tracks runterspulen, beeindruckt dann aber doch. Nur wen?

Nach Aussage beider Bands wäre es das schönste Geschenk, würde jemand einen FFS-Song im Radio hören und sich mit Erstaunen fragen: "Welche coole Band ist das denn?" Leider reines Wunschdenken. Falls 16-Jährige heute Radio hören, dann wohl eher nicht jene Handvoll MOR-Sender, die die aktuelle FFS-Single "Johnny Delusional" spielen. Alle Eingeweihten dürften kaum Probleme haben, Soundparallelen zu einer der beiden Bands heraus zu hören.

Was überhaupt nicht schlimm ist: Selbst wenn man zuletzt das Gefühl hatte, dass sowohl die Glam-Spinner der Sparks als auch die straighten Indierocker Franz Ferdinand den Großtaten von einst eher ratlos gegenüber standen. Schon bei den ersten hallgetränkten Piano-Anschlägen von "Johnny Delusional" fragt man sich, wieso man so lange keine Sparks-Platte aus den 70ern mehr gehört hat. Die beiderseitige Vorliebe für Sturm-und-Drang-Refrains führt in Gemeinschaftsarbeit zu neuen Höhen.

"Call Girl" erinnert mit seinem hüpfenden Elektrobass an das tanzbare "Tonight: Franz Ferdinand"-Album, bevor "Dictator's Son" endgültig den Blick auf die Lyrics lenkt: "We order drinks and wait / Small talk, it's getting late / One thing you ought to know / Before we up and go / Hope it don't spoil the fun / But I'm a dictator's son."

Selbstverständlich trumpft der Diktatorensohn vor seiner Angebeteten auch mit seinen Interessen auf ("I'm into 60s Soul / Nat King Cole / Harris Tweed / Bundesliga (...) I'm into Hugo Boss / Dental floss / Party cruise / Jordan shoes") und schließlich verspricht er ihr noch, den eigenen Vater zu stürzen und Geschichte zu schreiben, "but I cannot tell you exactly when". Zynische Zeilen, für die man vor allem die Sparks seit über vier Jahrzehnten liebt.

"Little Guy From The Suburbs" nimmt als Ballade erstmals die Luft raus. Kapranos hat hier zu Maracas und Akustikgitarre seinen großen Moment und schiebt dem Sparks-Irrsinn einen Riegel vor. Dieser flimmert gleich zu Beginn von "Police Encounters" im Flippersound wieder los, während sich Kapranos und Russell gesanglich im Zickzack duellieren. Hier klingen FFS endgültig wie die Sparks, die einen Franz Ferdinand-Track covern.

"Save Me From Myself" fällt qualitativ etwas ab, "So Desu Ne" ist ein lupenreiner Sparks-Synthietrack, der unter Verwendung des Wortes "Kimono" auf deren 1974er Meilenstein "Kimono My House" anspielt. Wer noch nie einen alten Sparks-Song gehört hat, bekommt im repetitiven Schunkler "The Power Couple" Nachhilfeunterricht, bevor im herrlich selbstironischen "Collaborations Don't Work" der Höhepunkt gegenseitiger Bewunderung umgesetzt wird: "They don't work, they don't work / I'm gonna do it all by myself." Dagegen kommt nicht einmal der Rausschmeißer "Piss Off" an.

So ist das Projekt FFS ungeachtet der Erfolge der beteiligten Bands nichts weniger als das, was der Brite "a marriage in heaven" nennt. Zu schade, dass sich FF und S nach einer gemeinsamen Mini-Tour wohl wieder scheiden lassen werden.

Trackliste

  1. 1. Johnny Delusional
  2. 2. Call Girl
  3. 3. Dictator's Son
  4. 4. Little Guy From The Suburbs
  5. 5. Police Encounters
  6. 6. Save Me From Myself
  7. 7. So Desu Ne
  8. 8. The Man Without A Tan
  9. 9. Things I Won’t Get
  10. 10. The Power Couple
  11. 11. Collaborations Don't Work
  12. 12. Piss Off

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