laut.de-Kritik

Der Grammy-Produzent gibt den perfekten Gastgeber.

Review von

Lykke Li, Lana Del Rey, Nate Ruess (Fun.): Die Feature-Liste des Emile Haynie-Debüts liest sich wie ein Auszug aus einer Liste der angesagtesten Künstler der letzten fünf Jahre. Dazu gesellen sich gestandene Namen wie Charlotte Gainsbourg und Rufus Wainwright und als Sahnehäubchen gibts noch die illustre Biographie des Grammy-prämierten Produzenten. Kanye West steht in der Curriculum Vitae von Emile Haynie neben Bruno Mars, Eminem und Michael Jackson-Remixen. Da kann man angesichts eines Debüts schon mal aufgeregt werden.

Namedropping hin oder her, her mit der Musik. Und so rollt "Falling Apart" zunächst als ungefährlich gefälliger Indiepop heran. Der tut nicht weh, aber tut irgendwie auch nicht richtig gut. Da winken Beirut und schwerfällige California-Vibes, aber nicht überzeugend genug, um Freude zu provozieren.

So ähnlich spult die erste Hälfte der Platte runter - wenn nicht die Gäste für Aufregung sorgen. Richtig stark ist Emile zum ersten Mal bei "A Kiss Goodbye". Hier bricht er mittendrin so wunderbar unerwartet mit der behutsamen, bedrohlich flackernden Elektronik und der engelsgleichen Gainsbourg. Sie kontrastiert das Arrangement und leitet die unheimlich schöne zweite Hälfte ein. "Say goodbye before you leave", fordert sie zwar, ihr eigener Abgang kommt aber überraschend. Zurück bleibt eine Stimme, die wie James Blake in einer dunklen Landschaft aus minimalistischer Pianokulisse klingt. Solche Momente - fesselnd, atmosphärisch, irgendwie spirituell – bleiben aber leider spärlich gesät.

So geht nicht nur "Dirty World" zwischen Lana Del Rey und Charlotte Gainsbourg beinahe gänzlich verloren. Ein zweites Hören offenbart einen verspielten und schrägen Track, dem die Platzierung zwischen zwei starken Frauen nicht gerade gut bekommt. "Who To Blame" rumpelt mit ungebremster Folklore und Randy Newmans akzentschwerer, ungehobelter Stimme vorbei. Darauf einen Pint. Und noch eins. Aber irgendwann wird selbst das beste Bier schal.

Immerhin sprudelt zuletzt noch mal "The Other Side", der euphorisierende Tagträume von Sommernächten, Lichterketten und Festivals auslöst. Auch "Nobody Believes You" ist eine niedliche Kreuzung aus Hip Hop-Beats und Hippie-Vibes. Zweifelsohne hat Emile ein hervorragendes Gespür für seine Gäste.

"Little Ballerina" tönt zwar wie etwas zu glatter Folkpop, bettet Wainwrights sanftes Mantra über geplatzte Träume und seine bodenständige Stimme aber perfekt ein. Nate Ruess singt bei Fun., darum klingt auch "Fool Me Too" mit Marching Drums und Ohrwurm-Refrain genau so. Nach dem drückenden "A Kiss Goodbye" klingt die fluffige Pop-Attitüde zwar deplaziert und unecht, aber Ruess und Emile harmonieren perfekt. Kein Wunder, schließlich hatte Emile bei "Some Nights" die Finger im Spiel.

"Wait For Life" ist Lana Del Rey auf den Leib geschneidert - auch bei "Born To Die" war Emile beteiligt. Sie schmollt und seufzt sich durch die schwere, mit Streichern untermalte Theatralik. "Wait For Life" sticht heraus und hinterlässt das Gefühl, dass "Ultraviolence" doch schon viel zu lange her ist. Das liegt aber weniger an Emile, sondern eher an Lana selbst.

So ist dies gleichermaßen die Stärke und die Schwäche Emiles: Die Gäste drohen zuweilen, Emile sein Debüt aus der Hand zu reißen. Ein wenig zu oft lässt er es zu, dass sie die Führung über die Tracks übernehmen. Am besten balanciert noch "Come Find Me", ein schöner Track, der sich melodisch vor Arcade Fire verneigt und mit der sanften Art Lykke Lis erfreut. Das ist aber die Ausnahme. Einerseits radieren die Gäste so seine eigene Handschrift aus, andererseits muss diese musikalische Empathie Emile zu Gute gehalten werden. Möglicherweise liegt darin ja auch die Königsdisziplin eines Produzenten. So oder so ist er zumindest ein perfekter Gastgeber, der seinen bekannten Gästen die Umgebung schenkt, in denen sie sich wohlfühlen.

Trackliste

  1. 1. Falling Apart (feat. Brian Wilson)
  2. 2. Little Ballerina (feat. Rufus Wainwright)
  3. 3. Wait For Life (feat. Lana del Rey)
  4. 4. Dirty World
  5. 5. A Kiss Goodbye (feat. Charlotte Gainsbourg, Devonté Hynes & Sampha)
  6. 6. Fool Me Too (feat. Nate Ruess)
  7. 7. Nobody Believes You (feat. Colin Blunstone)
  8. 8. Come Find Me (feat. Lykke Li)
  9. 9. Who To Blame (feat. Randy Newman)
  10. 10. Ballerina's Reprise (feat. Father John Misty)
  11. 11. The Other Side

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