laut.de-Kritik

Die Indie-Kids wühlen in Vaters Plattenkiste.

Review von

Seit mittlerweile 13 Jahren stehen die Late Night Tales für stilvoll kompilierte Mixe, die hinter die musikalische Fassade von Künstlern aus elektronischer Musik und Indierock blicken lassen. Anteil an solch seltener Langlebigkeit, die in dieser Riege höchstens die Kultreihe DJ-Kicks von !K7 erreicht, ist neben Vinylqualität (audiophile 180-Gramm-Pressung) und stilvoller Coverfotografie vor allem jener persönliche Ansatz. Da darf es auch mal mit dem Flow hapern, wenn sich dafür das Spektrum von Vaters Plattenkiste bis in den eigenen MP3-Player erstreckt.

Dass es in Sachen Referenzen bei Django Django nur so knallt, haben die Wahl-Londoner bereits mit ihrem Debütalbum klar gemacht. Für ihre Songkollagen schalten sie teilweise binnen Sekunden von Ennio Morricone auf Anne Clark, nur um dann in schrammelndem Surf-Pop zu enden. Für die 36. Ausgabe der Late Night Tales beweisen die Briten, dass ihre eklektischen Songstrukturen nicht von ungefähr kommen.

Das erste Drittel des Mixes ackert sich zunächst an Easy Listening und softem Funk Rock ab. Vor allem die Schmonzballade "Get Close" von Seals & Crofts vermittelt unmissverständliche 70s-Patina – inklusive Papas Flanellhemd vor holzvertäfelten Kellerwänden. Dagegen kann auch James Last mit seinem stets etwas schwiegermütterlich anmutendem Gestus nichts ausrichten.

Wesentlich ausufernder gestaltet sich der zweite Teil der Kompilation, der ambitioniert mit Philipp Glass beginnt. Dessen avantgardistisch angehauchte Minimalkomposition "Floe" betört und hypnotisiert durch das ständige Spiel von Wiederholung und minimaler Variation. Doch als Kunsthochschüler und erfahrene Kompilierer wissen Django Django nur zu gut um die Irritation, die jedem guten Kunstwerk innewohnt und es von Alltags-Blabla unterscheidet. So setzt nach fünf Minuten strenger Minimal Music das genaue Gegenteil ein: 60s Sunshine Pop im Double-Feature.

Freundlich gesinnte Gitarrenmusik aus dem Kalifornien der 1960er, hier von The Millenium und den Beach Boys dargeboten, findet sich also nicht nur in Versatzstücken auf Django Djangos Debüt, sondern auch in diesem persönlich gefärbten Mix wieder. Schließlich geht die Reise in die britische Heimat. Über die Hintertür einer Primal Scream-Version des unveröffentlichten Brian Wilson-Songs "Carry Me Home" findet das Quartett aus London sogar halbwegs eine thematische Verknüpfung. Massive Attacks "Man Next Door" und der brodelnde Dubstep von TNGHT setzen dann aber doch erste inhaltliche Fragezeichen.

Jegliche Kohärenz scheint danach erst einmal über Bord geworfen, bevor sich Django Django im finalen Teil ihrer "Late Night Tales" wieder in den 70ern fangen. Harry Nilssons "Coconut", das seit Quentin Tarantinos "Reservoir Dogs" eigentlich nur noch nervt, sowie das grandiose "Poor Man" von Canned Heat bereiten den Abgang für eingängigen 2Step und die klassische "Late Night Tales"-Coverversion. Django Django erweisen sich hier noch einmal als Fans des Sixties-Pop, indem sie den psychedelisch angehauchten "Porpoise Song" der Monkees neu interpretieren.

Dazu ersetzen sie die Orgel mit den bereits bekannten plätschernden Synthies und scheuen weder abrupte Tempowechsel noch multiples Stimmengewirr, jedoch ohne dabei den sonnig-wirren Kern des Songs aus den Augen zu verlieren. Zwangsläufig bleibt im Angesicht des wuseligen Eklektizismus des Mixes doch ein Gefühl der Ernüchterung. Gerade der überspannte Mittelteil zieht zu sehr an der Schraube der Irritation, wo Understatement wünschenswerter gewesen wäre.

Doch wenn es nicht schon die beruhigende Lesestimme von Benedict Cumberbatch am Ende der Platte vermag, sorgt letztendlich das (Neu-)Entdecken einzelner Klassiker von Canned Heat, Philipp Glass oder Outkast für Versöhnung.

Trackliste

  1. 1. Leo Kottke - The Tennessee Toad
  2. 2. Gulp - Game Love
  3. 3. Bob James - Nautilus
  4. 4. James Last - Inner City Blues
  5. 5. Map Of Africa - Bone
  6. 6. Seals & Crofts - Get Closer
  7. 7. Philipp Glass - Floe
  8. 8. The Millenium - To Claudia On Thursday
  9. 9. The Beach Boys - Surf's Up
  10. 10. Primal Scream - Carry Me Home
  11. 11. Massive Attack - Man Next Door
  12. 12. TNGHT - Bugg'n
  13. 13. Outkast - Slum Beautiful
  14. 14. Timmy Thomas - Why Can't We Live Together
  15. 15. Roy Davis JNR - Gabriel
  16. 16. Harry Nilsson - Coconut
  17. 17. Canned Heat - Poor Moon
  18. 18. Ramadanman - Bass Drums
  19. 19. Rick Miller - Future Directions
  20. 20. Django Django - Porpoise Song (Exclusive Monkees Cover Version)
  21. 21. Benedict Cumberbatch - Flat Of Angles Pt. 4 (Exclusive Spoken Word Piece)

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