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Degenhardt

"Ich bin keine beschissene Kunstfigur." Darauf legt Degenhardt, Maske hin, Identitätsverschleierungstaktiken her, riesigen Wert.

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Den deutschen Experimental-Hip Hop-Act zu beschreiben statt nur festzustellen, was er nicht ist, fällt schwer. Er liebt Fassade und Maskerade und seine Anonymität. Schädel, Pandamasken und sonstige Kostümierungen tragende Deutschrapper erscheinen im Vergleich zu ihm wie offene Bücher.

Zugleich tritt er in seinen Texten derart nackt, offen, schutzlos auf, dass einem die versammelte Konkurrenz wie ihre eigenen Pappaufsteller vorkommt. "Besser als alle - denn jedes Wort ist wahr."

Platten veröffentlicht dieser Degenhardt bereits seit 2010. Aus dem ersten Rapversuch "Hurensohn" entsteht erst ein Album namens "Harmonie Hurensohn", das sich über die Jahre zu einer ganzen Serie auswächst.

Seine Musik stellt der gebürtige Berliner, der als Kind mit Familie nach Düsseldorf wechselt, dabei lange zum Gratis-Download auf seine Homepage. Für die CD-Variante ruft er im Zuge des LP-Debüts seine Hörer zum Tausch auf: Wer ihm ein selbstgestaltetes Stück Kunst zukommen lässt, erhält ein gepresstes Exemplar des Langspielers.

Fankontakt ist dem Mann mit Bart und Maske wichtig. Sowohl als Teil des Kollektivs Johnny War Ein Tänzer (mit Loock, Fotzibär und Hiro M.A.) als auch solo produziert er Stream-of-Consciousness-artige Songs. Er rappt und erzählt aus der Warte des gesellschaftlichen Außenseiters, des Sonderlings, des Andersartigen, der mit seinen Gefühlen, mit Aggression oder Melancholie kämpft, gegen seinen inneren Schweinehund, gegen Depressionen, die soziale Apokalypse.

Assoziationen sind King. "Super Marios Prinzessin hat 'ne Vagina und ein Arschloch / Ich seh' beides glänzen, rosa Plastik, Disney Sodomie / Ich trau' mich nicht, doch mach' es immer wieder / Ich bin der Alptraum von dem geilsten, feuchten Traum / Doch ich bin nicht so wie sie."

Aus irgendwie düster veranlagten Lyrics wie diesen oder aus Musikvideos, in denen sich nackte Frauen Spielzeugponys in Körperöffnungen einführen, wird die Kritik bestenfalls semischlau. "Aesop Rock auf Deutsch", "kaputte Musik für kaputte Menschen", so die einigermaßen hilflosen Versuche, das Phänomen zu packen zu bekommen. Der Juice ist Degenhardts Lebenswerk lange keine Erwähnung wert. Dort finden sie "keinen Zugang".

Man darf annehmen, dass hinter dem Pseudonym ein ganz schöner Nerd steckt. Die Samples nämlich, die er gemeinsam mit Produzent Hiro M.A. ausgräbt, zeugen von einer beeindruckenden Kollektion an Popkultur-Fragmenten. Degenhardt referiert auf Conny Kramer und Ton Steine Scherben, Animeserien und Untergrundfilme. Zudem sampelt er Neil Young, Jennifer Rostock oder, "um noch schneller zu sterben, Störkraft - einfach alles geht, im merkwürdigen Staate Degenhardt.

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Ende 2015 zeichnet sich tatsächlich eine Art Wandel ab, wenn auch lediglich die Vertriebsstrukturen betreffend. Bei Melting Pot Music bieten sie Degenhardt ein Obdach an, und siehe: Dem Album "Terror 22", das im März des Folgejahres erscheint, muss man zur Abwechslung einmal nicht im Untergrund auflauern. Man kann es kaufen, schon beinahe normal.

Auch "Krahter", über zwei Jahre hinweg zusammen mit den Kamikazes ausgebrütet, ist 2016 nicht nur als Download, sondern ebenfalls ganz handfest und über gängige Verkaufswege zu beziehen.

Für "Das Handbuch Des Giftmischers", das Anfang November 2017 unter dem einigermaßen selbstzerstörerischen Alias Destroy Degenhardt erscheint, hat sein Urheber ein weiteres Mal das Obdach gewechselt: Er wohnt jetzt bei Audiolith. Nicht nur, aber auch, weil sie dort die flehentliche Bitte verstehen: "Schlag' mich tief, verarzte mich, hab' mich lieb, verrate mich, ob es wahr ist oder nicht, wenn ichs nicht weiß, sags mir nicht."

Nach der totalen Selbstzerstörung auf dem "Giftmischer"-Album bleibt Degenhardt allerdings kaum kreatives Potenzial übrig. Wer sein Haus kurz und klein geschlagen hat, kann eben darin nicht mehr wohnen. Also beschließt der Düsseldorfer, sich ein neues zu bauen und macht fortan unter dem Pseudonym Vandalismus Musik. Die Labelheimat bleibt die gleiche, auch die dem Degenhardt eigene brutale Ehrlichkeit kennt man aus den frühen Tagen. Nur geht es bei Vandalismus deutlich weniger selbstzerstörerisch zu.

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