12. Februar 2018

Auf Mini-Bikes zum Tool-Studio

Interview geführt von

Gigantische Tintenfische, menschenfressende Orcas in Hollywood und todbringende Laseraugen – das Universum von Legend Of The Seagullmen bietet einen schier unerschöpflichen Vorrat abgefahrener Elemente. Im Zentrum steht trotzdem die Musik. Und die stammt immerhin von einigen der versiertesten Instrumentalisten der modernen Rockmusik. Schon mal von Tool, Mastodon und Dethklok gehört?

Wenn sich Maynard James Keenan in der Tool-Pause mit Puscifer und A Perfect Circle austobt, warum sollte sich nicht auch Drummer Danny Carey ein Nebenprojekt gönnen? So trommelt er inzwischen auch bei Legend Of The Seagullmen – und ist dabei keineswegs das einzige prominente Mitglied. Im Line-Up stehen unter anderem Mastodon-Gitarrist Brent Hinds sowie Dethklok-, Zappa Plays Zappa- und Giraffe Tongue Orchestra-Bassist Pete Griffin. Letzterer fand sich auch zum Skype-Date mit uns in ein Studio in Los Angeles ein, um übers Debütalbum zu sprechen.

Zu Wort kam Griffin allerdings kaum. Denn der Besitzer des Studios und neben Sänger David "Doctor" Dreyer federführende Kreativling der Möwenmänner entpuppte sich als sehr redseliger Geselle: Jimmy Hayward, seines Zeichens Regisseur der Hollywood-Filme "Jonah Hex" und "Free Birds". Als Animator war er unter anderem an "Findet Nemo" beteiligt. Angesichts dieses Hintergrunds verwundert es nicht, dass der visuellen Komponente bei Legends Of The Seagullmen eine wichtige Rolle zukommt. Warum die Band sich trotzdem entschloss, vor Albumrelease keine Musikvideos zu veröffentlichen, erfuhren wir im Interview. Und ja: Auch zum neuen Tool-Album äußerten sich die beiden ...

Jimmy: Yo Dude, zeichnest du Video auch auf?

Nur Audio, keine Sorge.

Jimmy: Ach gut. Denn wir müssen das hier ohne Klamotten machen. Wir sind hier in meinem Studio. Wo steckst du denn gerade?

Zuhause in Berlin. Ist noch recht früh am Morgen hier.

Jimmy: Mir gehört auch ein Studio in Berlin! Ich betreibe es gemeinsam mit Maddog, unserem Synth-Player. Oh hey, guck mal: Ich trage gerade das Studioshirt, haha! Baby Giant!

Der Name kam mir sogar schon unter. Genauer hab' ich mir das allerdings noch nicht angeguckt.

Jimmy: Wir sitzen in Prenzlauer Berg, werden demnächst aber in Flussnähe nach Ostberlin umziehen. Wir arbeiten recht oft in Berlin, ich finds super dort.

Wenn ich also mal ein Album aufnehmen will, rufe ich dich einfach an.

Jimmy: Hahaha, that's the spirit!

Sprechen wir über Legend Of The Seagullmen. Allzu viel Information über euch ist nicht im Umlauf. Wie habt ihr euch eigentlich zusammengefunden?

Jimmy: Ich bin schon recht lange sehr gut mit Danny Carey befreundet. Wir wohnen nur etwa einen Viertelkilometer voneinander entfernt. Er hat ein Aufnahmestudio, ich habe ein Aufnahmestudio und etwa zwei Kilometer die Straße runter gibts einen Jazzclub, wo Danny dauernd spielt und Pete ständig auftaucht. Vor ein paar Jahren nahm ich eine Platte mit Brent Hinds und Mastodon auf – den Soundtrack zum Film "Jonah Hex". Und Brent stellte mich diesem Typen namens 'The Doctor' (David Dreyer, Anm. d. Red.) vor. Der wiederum hatte die Idee zu dieser nautischen Band und pitchte sie mir. Ich fand das ziemlich knorke und begann, mit David und Brent Musik dafür zu machen. Natürlicherweise zog ich irgendwann Danny mit hinein.

Pete: Ich traf Brent zum ersten Mal beim Bonnaroo Festival in Tennessee. Ich trat dort mit Zappa Plays Zappa auf, Mastodon spielten direkt vor uns. Wir freundeten uns sofort an. Über ihn lernte ich Jimmy kennen und kam so ins Projekt.

Jimmy: Es dauerte eine lange Weile, bis alles so zustande kam, aber es passierte sehr natürlich. Wir alle sind sehr beschäftigt mit anderem Shit und leben quasi in unseren Studios. Guck mal: Wir sitzen gerade drin, Dannys Studio ist nur ein paar Meter weiter. Unsere Frauen haben uns Mini-Bikes besorgt, damit wir betrunken hin und herfahren können, haha. Wir sind Freunde und Studioratten. Und wenn wir nicht gerade an anderem Shit arbeiten, machen wir Musik. Irgendwann erreichten wir damit einen bestimmten Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Wir konnten nicht mehr 'Nein' dazu sagen. Wir fuhren so drauf ab, dass wir irgendwann entschieden, uns richtig reinzuhängen, Zeit und Energie zu investieren. Wir sind übrigens schon mittendrin, ein neues Album aufzunehmen.

Also ist das nicht länger ein reines Freizeitprojekt, sondern ihr könntet euch vorstellen, Business daraus zu machen?

Jimmy: Naja, mit dir hier ein Interview zu machen, eine Plattenfirma zu haben ... all das ist Teil einer natürlichen Entwicklung. Wir veröffentlichen ein Album weltweit, hauen Singles raus. Das Label wickelt das ab, aber wir möchten eigentlich alles, was wir machen, so groß und reichweitenstark wie möglich umsetzen. Wir betrachten es zwar mehr als Kunst denn als Geschäft. Aber du musst die Businessseite des Ganzen verstehen, um die Kunst an den Mann zu bringen. Sonst wird niemand je davon hören.

Pete: Schau dir mal das Talentlevel an, das wir hier versammelt haben. Wir wollten das nicht verschwenden, sondern richtig machen. Wir warteten den richtigen Zeitpunkt ab, achteten darauf, dass das Album ein gescheites Mastering bekommt. Wir sind total happy damit, wo wir gerade stehen und freuen uns auf das, was kommt.

Jimmy: Was das Mastering angeht: Wir sind gut mit Queens Of The Stone Age befreundet. Sie spielten mir ihr neues Album vor, bevor es erschien. Ich kam auf das Mastering zu sprechen und meinte: "Wenn meine Platte soweit ist, werde ich wieder zu dem Typen gehen, mit dem ich letztes Mal schon gearbeitet habe". Darauf kam zurück: "Nee Dude, du musst mit Bob Ludwig arbeiten!". Bob macht auch Dannys Zeugs, wir lieben ihn. Dann sagte er aber plötzlich: "Ey, hör dir mal Gavin Wilson an". Ich fuhr zu den United Studios, vom Tool-Studio etwa anderthalb Blöcke den Hollywood Boulevard hinauf, und guckte dort bei der Arbeit zu. Es lief alles irgendwie über Freundschaften und Kontakte, aber wir stellten sicher, dass wir damit das bestmögliche Resultat erzielten. Die einzigen Leute, die uns damit wirklich am Herzen liegen, sind die Fans – die Leute, die unsere Platten kaufen werden.

"Die Hörer sollen sich fragen, was der Shit zu bedeuten hat"

Pete, du hast im Lauf deiner Karriere schon mit vielen Leuten zusammengespielt. Ich schätze, du kannst dich inzwischen ganz gut an neue Herausforderungen anpassen. Aber was ist deiner Meinung nach das Wichtigste, damit eine solche Kollaboration wie Legend Of The Seagullmen – mit immerhin sieben Bandmitgliedern – klappt?

Pete: Oh ja, ich fand mich schon in vielen unterschiedlichen Situationen wieder, das stimmt. Das Coole an Legends Of The Seagullmen ist, dass Jimmy gewissermaßen 'Regie führt'. Er kriegt Sachen aus mir heraus, die ich sonst für noch niemanden getan habe. Anfangs ging ich an die Sache ran nach dem Motto: "Okay, ich ziehe meinen 'Ich spiele hier Bass'-Standard durch." Er wollte aber mehr haben.

Jimmy: Das kannst du besser! Häng dich rein!

Pete: Genau so hat er mir beim Recording immer ins Ohr geschrieen, haha. Das Album war ja schon größtenteils fertig, als ich zur Band stieß und mit den Aufnahmen anfing. Und trotzdem spiele ich hier mit sehr viel mehr eigenem Fingerabdruck als bei so ziemlich allem anderen, was ich bisher gemacht habe. Letztlich ging es gar nicht so sehr ums Anpassen, sondern darum, mehr von mir selbst einfließen zu lassen – in künstlerischer Hinsicht.

Jimmy: Darum ging es mir von Anfang an. Wenn ich mit einem Riff ankomme, reiche ich es zum Beispiel weiter an Danny. Dann spielt er ein bisschen damit. Da Pete jetzt auch etwas länger am Start ist, verinnerlichen wir dieses Handling mehr und mehr. Wir wissen alle um die thematische Komponente der Band und arbeiten dann jeder für sich darauf hin: Brent Hinds, Danny Carey, Pete Griffin, Maddog Di Giovanni – ein fantastischer Synth-Player mit einzigartigen, weirden Ideen, Pianist und auch jahrelanger Punkrock-Drummer –, Tim Dawson – er stieß als Letzter zur Band, ist ein Elektronik-Magier und super orchestraler Pianist – und natürlich der Doctor mit all seinen verrückten Geschichten.

Ich schreibe also Riffs, aber schon wenn du Danny an deinen Song ranlässt, verändert das alles. Nimm "The Red Tide": Ich konnte ihm problemlos diese weirde Form anvertrauen, und er baute daraus ein ganz anderes Biest. Er verpasst ihm seinen eigenen Dreh. Dann kommt Pete und findet Eckchen, an denen er ansetzen kann, und schließlich passen Brent und ich die Gitarren an das Neuentstandene an. Es ist zwar am Ende immer noch derselbe Song, inzwischen aber auch ein Biest, das jeden in der Band repräsentiert. Du erkennst so auch, wo die jeweilige echte Freiheit der Leute liegt. Vielleicht wirkt es anfangs zum Beispiel so, als würde Danny einfach sehr viel wilder und losgelassener spielen. Hörst du aber genau hin, lauschst seinen Fills und Turns, merkst du, dass er wirklich gefeilt hat.

Du hast kurz schon des Doctors Storytelling angesprochen. Verbirgt sich hinter dem nautischen Konzept eine tiefere Bedeutung oder soll alles in erster Linie der Unterhaltung dienen?

Jimmy: Klar, gibts die, aber ich werde es dir nicht verraten, haha. Natürlich soll es unterhalten, aber es passt schon auch alles zusammen. Als Kind spielte ich Punkrock. Später arbeitete ich plötzlich dauernd mit Sinfonie-Orchestern zusammen. Wir alle mögen Jazz, wir hören Prog und Metal und tragen uns das auch gegenseitig alles zu. Pete zum Beispiel hat keinen Punk-Hintergrund. Ich schon, also zeigte ich ihm was. Im Gegenzug reibt er mir technisches Zeug, auf das er steht, unter die Nase.

Ein ähnliches Prinzip liegt den Geschichten zugrunde. Der Doctor startete diese Märchen und fuhr dabei Tentakel in alle möglichen Richtungen aus. Wir brachten mehr den Fokus rein. Außerdem kam mit jedem neuen Bandmitglied eine neue Figur hinzu. Danny zum Beispiel ist der 'Fogger'. Mich nennt man schon seit Kindheitstagen 'Admiral'. So entwickelte sich das ursprüngliche Konzept immer weiter. Manchmal komme auch ich mit Sachen dafür an – in etwa zehn Prozent der Fälle bleiben die. Meistens allerdings schaltet sich der Doctor ein und ist der Meinung, er kann das aus anderem Winkel besser beleuchten. Das beeinflusst letztlich auch das Songwriting, weil wir teilweise die Stücke um die Texte herumbiegen. Alles beeinflusst sich gegenseitig.

Als Acht- oder Neunjähriger hörte ich "Number Of The Beast" und meine Mama sah nur Sex, Sex, Sex und das Bild des Teufels – Eddie –, das ich die ganze Zeit anstarrte. Mein Hirn drehte sich wie verrückt, bei all den coolen Dingen, die es dort zu entdecken gab. Ich hoffe, so reagiert das Publikum bei uns auch – sie sollen sich fragen, was dieser ganze Shit, den wir da erzählen, zu bedeuten hat.

Ich schätze dem Konzept entspringen auch all die Kostüme, die ihr auf den Promofotos zur Schau tragt oder?

Jimmy: Wovon sprichst du? Welche Kostüme? Wir laufen doch immer so herum! (lacht)

Pete: Bei unserer Liveshows haben wir sie übrigens wirklich an. Dem visuellen Aspekt der Band kommt es enorm zugute, einen genialen Filmregisseur an Bord zu haben, haha. Bevor er mir überhaupt eine Note vorgespielt hatte, erklärte mir Jimmy, als ich noch nicht Teil der Band war, das visuelle Konzept. Das interessierte mich total, weshalb ich sofort zusagte. Als ich dann die Musik hörte, war ich erst recht heiß drauf – und erleichtert, dass ich mich nicht in etwas Dummes reingeredet hatte, haha.

Abgesehen vom Foto haltet ihr damit allerdings noch hinterm Berg. Musikvideos zu den Singles blieben bislang zum Beispiel komplett aus. Gerade vor dem Hintergrund, dass ihr mit Jimmy einen verdienten Film-Animator in der Band habt, ist das doch eher ungewöhnlich. War euch wichtig, dass die Leute sich zunächst auf die Musk konzentrieren?

Jimmy: Dass wir das so handhaben, hat mehrere Gründe. Zum einen dauert es verdammt lang, sowas zu produzieren. Es war etwas unglücklich, dass der Rolling Stone bereits vor zwei Jahren eine Story über uns leakte. Ich drehte damals drüben bei Justin Chancellor (Tool) gemeinsam mit Jack Black ein Video für Keith Morris von Off!, ehemals Black Flag. Ein Rolling Stone-Reporter war vor Ort, kriegte Wind von der Sache und veröffentlichte später ohne unser Wissen eine Story über Legend Of The Seagullmen.

Aber wir wollten daraus nicht sofort Kapital schlagen, sondern nahmen uns Zeit. Als wir zwei Jahre später aus der Versenkung kamen, wussten so immerhin ein paar Leute, die aufgepasst hatten, schon worum es geht. Aber mir ist sehr wichtig, dass alles, was wir nach draußen geben, so cool wie möglich ist. Und wir machen alles selbst. All die Pins, Shirts und Skateboards, die du in unserem frisch eröffneten Merch-Store findest, haben wir selbst designt. Es gibt keinen Art Director oder jemanden vom Label oder Management, der uns Vorschläge macht à la: "Hey Dudes, ich hab hier eine Idee: Wie wärs mit einem Jetski-fahrenden Teufel mit Goldkettchen?". Doctor ist Grafiker, sein Bruder Frank hilft ebenfalls kräftig mit und ich natürlich. Es macht höllisch Spaß, sich so auszudrücken.

Warte mal, bis du das Gatefold zum Album siehst. Es ist eine gigantische Malerei. Ein 100 Fuß großer Tiefseetaucher stiefelt über die Hollywood Hills. Ein riesiger Orca frisst fliehende Strandbesucher. Nicht zu vergessen: der tausend Fuß hohe Tintenfisch! Wir wollen nichts Halbgares rausgeben, es muss einfach der Musik gerecht werden. Deshalb tun wir lieber langsam, liefern dafür aber gut ab. Wir drehen in Kürze auch das erste Video. Es gab eine kleine Verzögerung, aber bald sind die Live-Action-Parts an der Reihe. Die Visual Effects dafür werden wir übrigens in Deutschland gestalten. Ich verspreche dir: Es wird auf demselben Level exzellenten Wahnsinns stattfinden wie die bisher bekannten Bilder.

Ich weiß, dass du derzeit an ein paar Virtual-Reality-Sachen schraubst. Wäre das nicht auch mal ein cooles Treatment für Musikvideos?

Jimmy: Oh ja, Dude. Nach dem Musikvideo werden wir aller Voraussicht nach eine VR-Komponente veröffentlichen. Mit allem drum und dran: CGI, Visual Effects und Orca-Action. Wir werden uns da richtig reinhängen. Ich möchte es allerdings nicht ruinieren, deshalb verrate ich lieber noch nicht zu viel. Wir sind jedenfalls dran. Den Song dazu haben wir zwar bereits releast, aber weißt du: Ich will kein Musikvideo drehen, um Platten zu verkaufen, sondern möchte damit den Fans der Band eine Freude machen und sie bei der Stange halten. Wir betreiben das hier als Kunst und die soll geil sein. Also überstürzen wir lieber nichts.

"Der Fogger brennt mit seinem Laserauge Shark-Finner zu Asche"

Im Titeltrack des Albums taucht ein Kerl namens 'Seagull God King' auf. Klingt nach einem mächtigen Dude. Könnt ihr mir ein bisschen von ihm erzählen?

Jimmy: Hahaha, ja. Wir bauen ihn recht oft ein. Er ist irgendwie in alles involviert.

Pete: Er ist eine konstante Bedrohung.

Jimmy: Aber, mein Freund: Es liegt allein bei dir, sein Geheimnis zu entschlüsseln.

Welche sind denn eure Lieblingscharaktere?

Jimmy: Der Admiral! Nee, Spaß. Das bin ja ich. Alle sind cool. Und cool ist auch, dass sie sich weiterentwickeln. Die Figuren des Doctors, von Brent – sein 'Redbeard' ist ein 400.000 Jahre alter Pirat – und mir existieren ja inzwischen schon eine ganze Weile. Petes Figur ist noch recht frisch, er nennt sich The Navigator. Und weißt du was? Sein Vater war Pilot im Vietnamkrieg ...

Pete: ... ein Navigator.

Jimmy: Wir weben Dinge von uns selbst in die Figuren ein. Danny ist der 'Fogger', ein Leuchtturmwärter – er beschützt. Warum? Er lebt in Malibu an einer berühmten Stelle, wo du das Meer gut überblicken kannst. In unserer Story wird das Haus zu einem Leuchtturm. Wenn jemand den Meerestieren Leid zufügt, wird er wütend und plustert sich zu einem 75 Fuß hohen Monster auf. Auf seiner Stirn öffnet sich ein drittes Auge – ein Laserauge. Damit brennt er Shark-Finner und schlechte Fischer zu Asche, zertrümmert ihre Boote und stiehlt ihre Seelen. Er atmet Nebel, um sie zu verwirren. Und wenn er seine Pflicht getan hat, schrumpft er wieder zu dem Kerl zusammen, der in seinem Leuchtturm wahrscheinlich ein bisschen zu laut Yes-Platten hört.

Pete: Und gleichzeitig leuchtet uns sein Drumming gewissermaßen den Weg.

Jimmy: Genau, sein Drumming ist der Leuchtturm. Im Song "The Fogger" gibts dieses Drumsolo: Da reißt er gerade Gesichter von Köpfen – sowohl von bösen Fischern als auch die der Hörer, haha.

Da du durch Brents Figur ohnehin schon Piraten erwähnt hast, muss ich es kurz ansprechen: Stimmt es, dass ihr die Orchesterparts in Hans Zimmers Studio aufgenommen habt?

Jimmy: Jawohl.

Die Coda von "Ballad Of The Deep Sea Diver" klingt ja schon sehr nach "Fluch der Karibik", wenn ich das mal so sagen darf ...

Jimmy: Untersteh dich, Junge! Schmarren, ich verarsch dich nur. Ich arbeitete viel mit einem Filmkomponisten namens John Powell (u.a. verantwortlich für den Soundtrack zur "Jason Bourne"-Reihe, Anm. d. Red.) zusammen. Drei Streifen habe ich mit ihm zusammen gemacht. John und Hans Zimmer waren Partner, so habe ich Hans kennengelernt.

Außerdem hat John mich mit einem jungen Komponisten namens Dom Lewis ("The Man In The High Castle") zusammengebracht, der dann die Musik für einen meiner Filme ("Free Birds") verfasste. Währenddessen wurde er auf Legend Of The Seagullmen aufmerksam. Ich hatte schon länger überlegt, orchestrale Musik einzuweben, um den filmischen Effekt zu verstärken. Schließlich trugen wir also unser Zeug zu ihm, als er gerade in Hans Zimmers Remote Control Studios arbeitete. Dort schrieb er dann auch das Ende von "Ballad Of The Deep Sea Diver". Übrigens griff HBO den Song für eine Kampagne zu "Westworld" auf. Darin sind neben den orchestralen Parts auch Danny und ich zu hören. Du bist der erste, dem ich davon erzähle.

Ich fühle mich geehrt. Was mich noch interessieren würde: Plant ihr eigentlich, auf Tour zu gehen? An Silvester habt ihr eine Show mit Primus gespielt, abgesehen davon gabs aber nicht viel. Ist wahrscheinlich auch schwierig, mit den ganzen Terminkalendern, oder?

Jimmy: Ja, Pete und Brent touren ständig, ich bin ebenfalls dauernd wegen irgendwelcher Arbeit unterwegs, das neue Tool-Album befindet sich in der Mache. Aber wenn wir nicht mit all dem anderen Zeug beschäftigt sind, arbeiten wir an Legend Of The Seagullmen und haben wahnsinnig viel Spaß daran. Die Show mit Primus war der Hammer. Wir werden uns wohl vorerst auf kleinere Touren konzentrieren und wollen außerdem ein paar Festivals spielen – auch in Europa. So erreichen wir viele Leute und sehen gleichzeitig unsere Fans.

Gilt der Plan schon für dieses Jahr?

Jimmy: Vielleicht. Wir sind dran, was zu organisieren. Ideales Booking läuft halt sechs bis acht Monate im Voraus. Momentan kommen zwar ein paar Dinge in unserem Leben erschwerend hinzu, aber wir werden es irgendwie hinbekommen.

In der Öffentlichkeit seid ihr momentan noch "Die Band mit den Mitgliedern von Mastodon, Tool, Dethklok und dem Typen von 'Jonah Hex'". Wie sollte eurer Meinung nach das Image von Legend Of The Seagullmen sein, sobald ihr den Supergroup-Stempel los seid?

Jimmy: Ich glaube, es ist etwas total Eigenes. Es ergibt in keinem Genre Sinn. Und was das Supergroup-Ding angeht: Wir lachten darüber mit Queens Of The Stone Ages Troy van Leeuwen, der mit Troy Sanders von Mastodon ja Gone Is Gone betreibt, wie lächerlich es doch ist, 'Supergroup' genannt zu werden. Als es dann für uns soweit war, mit der Presse zu kommunizieren, dachte ich mir: Lass doch volle Pulle draufgehen und uns einfach selbst so bezeichnen. Das nimmt dem Begriff alle Kraft aus den Segeln. Erst gestern sprachen wir mit einem Typen, der dann allerdings folgendermaßen ankam: "Hey, warum nennt ihr euch selbst Supergroup?" (lacht) Sollte irgendjemand da draußen wirklich glauben, wir würden uns ernsthaft selbst als Supergroup sehen, dann ist das erst recht witzig.

Wir würden ohnehin so bezeichnet werden, aber wenn wir uns selbst so nennen, ist das so bescheuert, dass hoffentlich andere damit aufhören. Letztendlich haben wir aber andere Probleme als uns darüber aufzuregen, als Supergroup bezeichnet zu werden. Wir fühlen uns geehrt und sind dankbar, dass man sich für uns interessiert. Von mir aus nennt uns eben Supergroup. Im besten Fall erledigt sich das irgendwann von selbst. Mit dem zweiten Album zum Beispiel.

Die Reaktionen bisher sind super, ich denke die Leute erkennen, dass wir nicht einfach zwei Wochen nach den Grammys ein bisschen Gras und Heroin zusammen gepumpt und dabei ein paar Songs geschissen haben. Hier steckt eine Menge Arbeit drin, das Konzept geht tief. Danny sagt immer: "Wir haben das gemacht, weil wir es lieben. Hoffentlich lieben es alle anderen auch. Wenn nicht, können sie sich auch was anderes anhören, während wir die nächste Platte in Angriff nehmen." Wir sind nicht so bedürftig nach jedermanns Liebe. Wir haben so viel anderes Zeug um die Ohren. Das ist einfach, was uns Spaß macht.

Zum Abschluss muss ich noch fragen: Habt ihr das neue Tool-Album schon gehört?

Pete: Ein "Album" existiert noch nicht.

Jimmy: Hör zu, sie haben eine Platte, und sie wird super. Die Jungs halten das sorgsam unter Verschluss. Die Tool-Fans müssen wissen: Sie sind tatsächlich jeden Tag im Studio und arbeiten sich die Ärsche ab. Sie sind super engagiert und einfach tolle Kerle. Das neue Album wird fantastisch, da bin ich mir sicher. Dass ich es gehört habe, kann ich allerdings nicht sagen. Pete, wie siehts mit dir aus?

Pete: Nein.

Jimmy: Wir haben es noch nicht gehört.

Jedenfalls können wir mit Sicherheit sagen, dass in Kürze "Legend Of The Seagullmen" erscheint.

Jimmy: Ganz genau. Darauf wird es ja jede Menge von Danny zu hören geben.

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