laut.de-Kritik

Die Dinos kommen!

Review von

Bandleader Robin Staps kündigte es bereits im Interview zu "Phanerozoic I: Palaeozoic" an: Die Dinos kommen! Zusammen mit Katatonias Jonas Renkse stampfen sie durch einen monumentalen Dreizehnminüter und einen überraschenden Album-Opener. Ein paar Songs später tritt eine weitere berühmte Spezies auf den Plan und löst ein kurzes, aber prägnantes Black Metal-Inferno aus: der Mensch. Es hat sich Einiges getan im Lauf der zurückliegenden rund 250 Millionen Jahre, die The Ocean auf Teil zwei ihrer musikalischen Aufarbeitung des jüngsten Äons der Erdgeschichte behandeln. Entsprechend facettenreich gestaltet das Berliner Kollektiv das zugehörige Album.
 
Fesselte der Vorgänger noch vor allem wegen seiner überwältigenden Prägnanz und für Bandverhältnisse geradezu schnörkellosen Herangehensweise, wandeln The Ocean nun eklektisch über Stilgrenzen. Den Einstieg "Triassic" dominieren ein zum Arschwackeln einladender Bassgroove und perkussive Tool-Gitarre. Lange wiegt sich die Band in progrockiger Lauerstellung, entlädt die Spannung aber mehrfach in brachialen Post Metal-Walzen. In intensiven achteinhalb Minuten entsteht genug Sogwirkung, um sich mit richtiger Grundstimmung noch tiefer in den Klangozean des Albums sinken zu lassen ...

... hinein in die Finsternis von "Jurassic | Cretaceous". Jura- und Kreidezeit erstrahlen in unheilvollem Bombast, Fanfarenstöße multiplizieren die Kraft der Riffs. Im Herzen des Songs bezirzt Jonas Renkse mit sanften Melodien über einem ruhigen Zwischenspiel, dessen Synthesizer-Atmosphäre auch unabhängig von ihm an Katatonias jüngstes Album erinnert. Weitaus größeren Eindruck als der Gast hinterlässt allerdings Stammsänger Loïc Rossetti, der in der monumentalen, fast viertelstündigen Komposition sogar einen ziemlich eingängigen Choruspart unterbekommt.

Rossetti begeistert mit unglaublicher Variabilität, oft sogar innerhalb nur eines Songs. In "Pleistocene" leistet er einen Parforceritt von warmem, kraftvollem Klargesang über monströses Shouting bis hin zu schwarzmetallischem Kreischen. Auf Albumlänge zeigt er noch weitaus mehr dazwischen liegende Klangfarben. Dabei bewahrt er immer eine eigene Note. Nur wenigen Kollegen seiner Zunft gelingt das in ähnlich distinktiver Art und Weise. Traditionell veröffentlichen The Ocean ihre Alben zwar immer auch in Instrumental-Version. Rossetti ist trotzdem längst nicht mehr aus dem Bandgefüge wegzudenken und macht wie schon beim Vorgänger einen – vielleicht den – entscheidenden Unterschied, der The Ocean von anderen Post Metal-Bands deutlich abhebt. Ein melodischer Höhepunkt wie "Miocene | Pliocene" wäre uns ohne ihn jedenfalls ziemlich sicher durch die Lappen gegangen.

Das soll die Leistung der übrigen Bandmitglieder freilich keineswegs schmälern. Gerade Drummer Paul Seidel verdient mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit, ganz zu schweigen von Mastermind Robin Staps. Der komponiert auf "Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic" ähnlich vielschichtig und verspielt wie auf "Pelagial", wenn auch insgesamt etwas weniger zielgerichtet. Den drei kürzeren Stücken in der Mitte des Albums – "Palaeocene", "Eocene" und "Oligocene" – fehlt umgeben vom urgewaltigen "Mesozoic"-Abschnitt und der Kreativexplosion zum Schluss ("Miocene | Pliocene"/"Pleistocene"/"Holocene") etwas die Durchschlagskraft.

Über solche Mini-Mäkel tröstet dann eben das gewohnt aufwendige Packaging hinweg. Sogar die Standard-Vinyl-Edition von "Phanerozoic II: Mesozoic | Cenozoic" hat mit Hohlprägungen, veränderbarem Cover-Artwork und farbigen Platten mehr zu bieten als manche Sonderausgabe. Der T-Rex unter den Boxsets ist allerdings die mit Fossilien, Laptop-großer Schiefertafel und diversen weiteren Schätzen ausgestattete Sammleredition für beide "Phanerozoic"-Teile. The Ocean bleiben nicht nur die Könige des Sauriermetals, sondern auch die der physischen Tonträger.

Trackliste

  1. 1. Triassic
  2. 2. Jurassic | Cretaceous
  3. 3. Palaeocene
  4. 4. Eocene
  5. 5. Oligocene
  6. 6. Miocene | Pliocene
  7. 7. Pleistocene
  8. 8. Holocene

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