laut.de-Kritik

Im Feature-Fieber mit Tom Morello, Poppy und Electric Callboy.

Review von

Mit Babymetal ist es vermutlich selten Liebe auf den ersten Blick. Als ich die Band das erste Mal – nicht ganz freiwillig – live erlebt habe, fand ich es vor allem verstörend. Im Moshpit von Menschen mit Katzenohren verprügelt zu werden, hinterlässt Spuren. Am nächsten Festivaltag traten Electric Callboy auf. Und siehe da: "RATATATA" hat mich so sehr überzeugt, dass ich Babymetal doch noch eine Chance gab. Und das war gut so – Liebe auf den zweiten Blick.

Beim neuen Album ist mal wieder der Name Programm. "Metal Forth" ist das fünfte Studioalbum von Babymetal und macht wieder muntere Ausflüge in unzählige Genre-Schubladen. Dass "RATATATA" das Aushängeschild des Albums ist (zumindest in Deutschland), überrascht nicht. Japanischer Kawaii trifft auf deutschen Metalcore. Die seit über einem Jahr gefeierte Single hat sich längst in die DNA der Szene eingebrannt. "When it goes (ra-ta-ta-ta-ta-ta), my body is a weapon" – eine Hook, die kleben bleibt. Getragen vom herausragenden Drumming, schraubt sich der Song zum ultimativen Hypebeast hoch.

Doch es geht noch besser. Zwei Tracks stellen den Hit sogar in den Schatten: "from me to u" präsentiert Babymetal zunächst in verspielten englischen Vocals, bis plötzlich Poppy um die Ecke biegt – und losbrüllt, als hätte sie Bryan Garris auf "Suffocate" die Stimme geklaut. Brutale Beatdowns, Blastbeats, abrupte Wechsel zwischen Melodie und Wahnsinn – dieser Song ist eine Achterbahnfahrt in Bestform.

"My Queen" ist ein weiterer Höhepunkt. Hier treffen Babymetal auf Courtney LaPlante und Spiritbox. Fast komplett auf Japanisch gesungen, wirkt der Song dennoch wie aus einem Guss – Poppys Spirit boxt sich auch noch auf diesen Track, ohne aber kopiert zu werden. Eine Fusion aus viel zu seltenem Female-Fronted Metal und musikalischer Präzision.

"Song 3" setzt das Konzept der Gegensätze fort: Alex Terrible von Slaughter To Prevail growlt so tief wie möglich, während Suzuka Nakamoto in hoher Tonlage dagegenhält. Der vielleicht brutalste Track des Albums – aber nicht der beste. "Kon! Kon!" fühlt sich an wie eine echte Indian Folk-Japan-Kollaboration: Babymetal klingen, als wären sie schon immer Teil des Bloodywood-Kosmos gewesen. Raoul Kerr bringt mit seinen Rap-Parts die nötige Würze. Eine überraschend runde Sache.

Auch "METALI!!" mit Tom Morello überrascht: Zwischen Volkslied, Stadionhymne und orientalischem Einschlag wird alles in einen Topf geworfen – und es funktioniert. Random, neu, geil. Beide Songs erinnern ein wenig an Sepultura, ohne irgendetwas zu kopieren. Mit "Algorism" zeigen Babymetal endlich, dass sie auch ohne Feature glänzen können. Der Song klingt wie ein Attack On Titan-Abspann, ohne sich dabei in Kitsch zu verlieren. Suzuka Nakamotos Stimme wirkt gereift, stark und souverän.

Doch hier liegt auch das große Problem des Albums: Babymetal liefern einen echten Banger – und viele Gastbeiträge. Zu viele. Man hat zunehmend das Gefühl, dass jeder mal mit Babymetal arbeiten möchte, einfach weil sie als frischer Wind in der Szene gelten. So entsteht ein Album, das zu 70 Prozent aus Feature-Tracks besteht – von denen die meisten glänzen. Doch bei den wenigen Songs ohne Gäste hapert's dann leider im Vergleich.

"KxAxWxAxIxI" kommt zwar komplett ohne Feature aus und bricht bewusst mit allen Genre-Konventionen – irgendwo zwischen Super Mario-Soundtrack und Heavy Metal. Leider zündet der Track nicht ganz, auch weil er mit 2:35 Minuten viel zu kurz ist. Stark begonnen, den Absprung aber nicht geschafft.

"White Flame ー白炎ー" ist der längste Track der Platte, thrashig, mit wilden Gitarrenläufen, fast schon Guitar Hero-Style. Aber das wirkt zu glatt produziert, zu gewollt episch – und verliert dadurch an Wirkung.

Auch "Sunset Kiss", die Kollaboration mit Polyphia, enttäuscht. Der Track beginnt wie eine sommerliche Pop-Romanze, driftet dann in Elektro-Metal ab und hätte das Zeug zum Epos – wenn da nicht dieses überladene Gitarrenspiel wäre. Polyphia eben. Geschmackssache.

"Metal Forth" ist ein Album, das fast vollständig auf Features setzt – was einerseits frischen Wind bringt, andererseits aber auch ein Ungleichgewicht erzeugt. Die eigene Identität von Babymetal tritt dabei oft in den Hintergrund. Trotzdem: Wer die erste Enttäuschung über das Fehlen eines echten Signature-Sounds überwindet, findet sehr starke Tracks und ein mutiges Crossover-Konzept. Auch ganz ohne Katzenohren.

Trackliste

  1. 1. from me to u
  2. 2. RATATATA
  3. 3. Song 3
  4. 4. Kon! Kon!
  5. 5. KxAxWxAxIxI
  6. 6. Sunset Kiss
  7. 7. My Queen
  8. 8. Algorism
  9. 9. METALI!!
  10. 10. White Flame ー白炎ー

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8 Kommentare mit 39 Antworten

  • Vor 3 Tagen

    Gibt mir immer Vibes von diesem Street-Art-Stil, wo ein süßes kleines Mädchen mit irgendeiner Pistole, nem Molli, nem Panzer usw. usf. kombiniert wird. War vor 20 Jahren mal sehr angesagt, und taucht immer noch auf. Dieser Clash war für mich mal ganz kurz ein Hingucker, aber nach dem zweiten oder dritten Motiv auch durchgekaut.

    Ähnlich gehts mir mit Babymetal. Hab null Zweifel, dass die live richtig abliefern und fantastische Musikerinnen sind. Gibt mir halt nicht viel, habs verstanden und finds nicht mehr spannend. Vielleicht könnten die Gatekeeper hier das ja ähnlich entspannt sehen, und ansonsten mal den Rand halten.

  • Vor 2 Tagen

    Kanns mir richtig vorstellen, wie langhaarige, ungepflegte Weißbrote mit Kinnbart hier stark ins Schwitzen kommen, weil sie es eigentlich aus Prinzip haten müssen, aber die Mette halt auch af am rotieren ist. :lol:

    • Vor einem Tag

      Generelle Frage: Wieso sind Metaller oft ungepflegt? Es gibt ja auch welche, die durchaus was aus sich machen könnten vom Aussehen her, aber auch die sind meist ungepflegt.

    • Vor einem Tag

      Viel wäre ja schon geholfen, wenn Metaller einfach mal kollektiv zugeben würden, dass sie Hygiene-Probleme haben und diese offen und transparent machen. Es hilft ja nichts, Dinge zu verschweigen, die sich durch andere Sinneseindrücke offenbar machen. Auf der anderen Seite ist es ja auch erfrischend, eine Tendenz zum Naturzustand neu zu erleben.

    • Vor einem Tag

      Mit dem Blick auf die Wackön-Meddler und Electric Callboy-Fans, kann ich den Eindruck nachvollziehen. In meiner Sparte hängen dann aber alle wieder zu lange vor dem Spiegel oder stinken nach Patschuli. Alle riechen nach Eisen und Leder.

    • Vor einem Tag

      "Generelle Frage: Wieso sind Metaller oft ungepflegt? Es gibt ja auch welche, die durchaus was aus sich machen könnten vom Aussehen her, aber auch die sind meist ungepflegt."

      Denke nicht, dass das metaller-spezifisch ist. Einfach im Post mal "Metaller" durch "Männer" ersetzen und dann wird vielleicht langsam ein Schuh draus ;)

    • Vor einem Tag

      ...ich denke, wenn wir Männer endlich dazu stehen, dass es in vielen Aspekten des Sozialverhaltens noch Nachholbedarf gibt, wäre schon ein Riesenschritt in Richtung Geschlechter-Annäherung getan. Im Übrigen ist einfach nett sein absolut Basic-Behavior, gepflegt sein zwar schon auch, aber immer noch ein großes Thema bei einigen Exemplaren. Es ist alles vorhanden: Pflegeprodukte, Barbiers, YT-Knigge-Anleitungen, Mode-Influencer (auch im Metal-Bereich, siehe Sam Carter). Kann sich keiner beschweren, dass es am Ende keine Faulheit sein soll!

    • Vor einem Tag

      Ich vermute da tatsächlich schon eine gewisse Korrelation. Männlichkeitsbild, vorherrschende Einstellung zu Mainstream-Mode (und damit zu Beauty- und Care-Produkten) und die Neigung zu langen Haaren, Bärten und Lederkleidung sind mMn Prädikatoren für vergleichsweise geringere Aufwände zur Körperpflege als z.b. bei Shindy und Shirin-hörenden Gören. Und abgesehen davon sehen lange Haare, Bart, Bandshirt und Nietenjeans selbst bei gepflegten Metallern a priori schon weniger gepflegt aus als der Durchschnitt.

    • Vor einem Tag

      Naja, a priori würde ich jetzt nicht sagen. Wenn das Mittelalter wieder ausbricht, könnte das durchaus erneut ein Indiz für eine hohe Durchsetzungskraft sein und erneut eine (fragwürdige) Attraktivität hervorrufen, so rum zu laufen ;)...

    • Vor einem Tag

      "Männlichkeitsbild, vorherrschende Einstellung zu Mainstream-Mode (und damit zu Beauty- und Care-Produkten) und die Neigung zu langen Haaren, Bärten und Lederkleidung sind mMn Prädikatoren für vergleichsweise geringere Aufwände zur Körperpflege als z.b. bei Shindy und Shirin-hörenden Gören."

      YES! Auf so einen (oder einen ähnlichen) Take hatte ich gehofft! :kiss:

      Un.
      Halt.
      Bar!

      Zumindest in weiten Teilen :)

      Männlichkeitsbild ist in anderen Sparten, insbesondere Rap, meiner Ansicht nach viel präsenter.

      Einstellung zu Beauty- und Care-Produkten mit Einstellung zu Mainstream-Mode gleichzusetzen oder als Teil davon anzusehen ist zumindest in dieser Thematik nicht zutreffend (siehe nächste Punkte).

      Neigung zu langen Haaren ist mMn sogar eher ein Prädiktor für vergleichsweise HÖHEREN Aufwand zur Körperpflege. Für lange Haare gibt es eine Unzahl von Pflegeprodukten, die gut gekauft und genutzt werden :)

      Neigung zu langen Bärten dito. Das mag mal anders gewesen sein, aber alle Menschen mit (langem) Bart, die ich kenne, nutzen da viel an Shampoo, Öl und was weiß ich.

      Lederkleidung - Ja, keine Ahnung... Glaube, das ist am ehesten irrelevant für die Frage, ob wer jetzt viel Aufwand oder wenig betreibt, um den eigenen Körper zu pflegen.

      "Und abgesehen davon sehen lange Haare, Bart, Bandshirt und Nietenjeans selbst bei gepflegten Metallern a priori schon weniger gepflegt aus als der Durchschnitt."

      Hier nähern wir uns dann, glaube ich, doch wieder einem relevanten Punkt: Es geht ggf. eher darum, was ein Mensch so denkt, wie ein anderer Mensch, der gepflegt ist (oder eben nicht) eben so aussehen müsse. Was voneinander abhängig sein kann, aber nicht muss. :)

    • Vor einem Tag

      Dass das Männer im Allgemeinen betrifft, glaube ich nicht. Anekdotische Evidenz: Ich kenne mehr Männer, die gepflegt rumlaufen, als Männer, die Ferkel sind.

      @ Promortal: Welches Subgenre ist das? Finde ich ehrlich recht interessant, dass man offensichtlich nicht sooo verallgemeinern kann, bin da aber offen für neuen Input.

      Shindy und Shirin mag ich zwar nicht, aber dass sie sehr gepflegt auftreten, kann man ihnen nicht in Abrede stellen. Ihre Fanzielgruppe wird es damit bestimmt auch ein Stück übertreiben. Unterm Strich bleibt die alltagstaugliche Frage, was schlimmer ist: der Muff von jemandem, der sich allenfalls unregelmäßig wäscht, oder der beißende Geruch von billigem und/oder süßlich stinkendem Parfüm? Letzteres finde ich zwar auch eklig, aber ein Mü besser als mangelnde Hygiene.

      "Wenn das Mittelalter wieder ausbricht, könnte das durchaus erneut ein Indiz für eine hohe Durchsetzungskraft sein und erneut eine (fragwürdige) Attraktivität hervorrufen, so rum zu laufen ;)…“
      – Scherzkeks! Woher soll denn bei denen die Durchsetzungskraft kommen? a) Die wenigsten (Disclaimer: anekdotische Evidenz) Metaller sind in ihren Bandshirts, Nieten und Militärstiefeln Adoniskörper. Stattdessen oft lauchige Körper in Gruseloutfit samt schlechter Haltung. b) Auf wen soll das attraktiv wirken (selbst wenn die Zivilisation zusammenbräche)?

      Zur Fairness sei gesagt, dass ich auch Metaller mit langen Haaren kenne, die unter der Woche ganz unauffällig durch die Welt gehen (keine Bandshirts, Haare zum Zopf oder Man-Bun zusammengefriemelt, normales Schuhwerk etc.) und allerhöchstens bei Konzertbesuchen ihre Kluft herauskramen.
      (Wobei ich einen guten Kumpel habe, der echt müffelt. Aber: Wie sagt man dem das, ohne seine Gefühle zu verletzen? Mit den Frauen klappt es nämlich auch nicht wie gewünscht. Er hat immer noch welche aus seiner Szene am Start, hätte aber lieber eine Normie-Frau.)

    • Vor einem Tag

      Danke für deinen ausführlichen sowie äußerst unterhaltsamen Beitrag, secret_rap_agent!

    • Vor einem Tag

      "Männlichkeitsbild ist in anderen Sparten, insbesondere Rap, meiner Ansicht nach viel präsenter."

      Ich rede ja von der Art des Männlichkeitsbildes, und ein Bild von Männlichkeit hat jeder, deswegen verstehe ich das mit präsenter hier nicht so recht.

      Und sicherlich gibt es auch Metalllanghaarträger die ordentlich pflegen und hegen, aber die andere Seite gibt es definitiv auch lal

    • Vor einem Tag

      Ok, sehe ich ein, auch wenn Du oben nirgends "Art des" geschrieben oder diese spezielle Art ausgeführt hast, die deiner Ansicht nach zu weniger Körperpflege führt. Magst Du es jetzt mal tun? Bin wirklich dran interessiert ;)

      Mit "präsenter" meinte ich, dass es in anderen Sparten mindestens als genau so, zT eher noch "wichtiger" angesehen wird, das Männer eben besonders "mannlich

    • Vor einem Tag

      ... "männlich" zu sein haben. Sorry, Wurstfinger auf Handy.

    • Vor 2 Stunden

      Es ist vollkommen in Ordnung, wenn ihr auf Männer steht...
      ...die sich die Augenbrauen zupfen usw. und dazu vielleicht noch nen orientalischen Einschlag haben so wie Shindy oder so...
      Bloß dann steht doch auch dazu!
      u can break free!
      Bloß müsst ihr dann nicht gleichzeitig alle hetero Männer, die nicht eurem kleingeistigen, Pseudo-ästhetischen, werbungsbesoffenen Erscheiningsbild entsprechen als ungepflegt abstempeln.

    • Vor 30 Minuten

      Also ich bin hetero, und gebe das auch offen zu, sage das sogar Leuten, die es nicht hören wollen.
      Spaß beiseite - hier geht es um Hygiene und nicht ums Augenbrauenzupfen. Soweit bin ich auch noch nicht, obwohl ich immer ein Haar habe, welches deutlich länger als der Rest ist. Meine Friseurin säbelt das aber immer ab.

      Zurück zur Hygiene: Wohlgeformte Körper, die gut riechen (oder zumindest im Geruch neutral sind, sodass sie meiner Nase nicht zur Last fallen) sind eine Errungenschaft. Wenn jemand stinkt, belastet mich das als Mitmensch.

      Zudem finde ich das ein bisschen komisch bei Metallern (sorry, Verallgemeinerung), wenn die böse Shirts tragen, die auf hart machen, dann aber voll die netten Leute sind. Aber jetzt stell dir aber mal vor, jemand will dich testen, weil dein Outfit signalisiert, dass du voll der Harte bist.

    • Vor 16 Minuten

      "Zudem finde ich das ein bisschen komisch bei Metallern (sorry, Verallgemeinerung), wenn die böse Shirts tragen, die auf hart machen, dann aber voll die netten Leute sind."

      Naja, das liegt an der Ästhetik der Widersprüchlichkeit des Seins. Bei Hip Hoppern ist es ja genau umgekehrt, die sehen aus wie Kinder und sind total die... gut, ist jetzt nicht immer und überall gänzlich widersprüchlich, aber von der Idee mein ich halt. Metaller wollen halt schocken. Das ist dann halt der 180-Grad-doppel-Schocker.

  • Vor 2 Tagen

    Mucke natürlich ABSURDER Kernschrott für Leute wie Wingo. :lol: