laut.de-Kritik
Indiana Jones auf seinem letzten Kreuzzug.
Review von Dominik LippeEs ist zu lieb. Kolja Goldstein steigt mit einem Wandtattoo in sein fünftes Projekt ein. "Wir denken selten an das, was wir haben. Immer an das, was uns fehlt", sinniert er altersweise. "Kouwe Ouwe" soll sein letztes Album sein. Danach gedenkt er, seine Rap-Zelte aus privaten Gründen abzubrechen und wie Indiana Jones nach seinem letzten Kreuzzug in den Sonnenuntergang zu reiten. "Mir scheint die Sonne ins Gesicht", heißt es dann auch selbstzufrieden in "Kotor/Evian (Intro)", selbst wenn das düster-schwerfällige Instrumental von Dosh und SOTT Zweifel an der Wahrhaftigkeit aufkommen lassen.
Doch bevor er zumindest aus dem künstlerischen Teil seines Erwerbslebens ausscheidet, geht es noch einmal um die ganze Welt. "Sind im Winter in Aspen, im Sommer in Cannes", beschreibt er zwischen zwei Gängen im "Hakkasan" seine Freizeitgestaltung. Der globale Drogenhandel treibt ihn zu weitaus entlegeneren Orten. Von Istanbul ("Galatabridge", "Emaar Square") geht es über Montenegro ("Kotor/Evian (Intro)"), Sizilien ("Cinq") und die spanische Küstenstadt Cádiz ("HHHK/Linesky") nach Marokko ("Lafayette", "Haarlem (Freestyle)") und schließlich über den Atlantik nach Caracas "Vertu K7 (Outro)".
Ein typischer Goldstein-Song springt zwischen Orten, Marken, Sprachen und Delikten. Er gibt Rätsel auf, zu denen es höchstwahrscheinlich keine Lösungen gibt. Repräsentativ lässt sich "Sabr" heranziehen, das zwischen Reflexionen über seinen Glauben und der Crux am Dealer-Dasein eine Berichterstattung über das Kennedy-Attentat und Joe Bidens Kritik am Sturm der Trump-Anhänger auf das Kapitol in Washington, D.C. verwebt. Er geht dabei vor wie ein Verschwörungserzähler, der scheinbar wahllos Akteure und historische Ereignisse an eine Pinnwand heftet und mit roten Punkten verbindet.
"Sabr" dient auch als Beispiel für seine ausgesprochen inkonsistenten Ausführungen. "Bro, ich hasse meinen Job", lässt er sein Publikum wissen. "Führ' ein einsames Leben. Ich hab' keinen zum Reden." Er rappt das derart frustriert, dass es schon therapiebedürftig klingt: "Keine Treue, keine Reue, weil das Leben scheiße ist." Im selben Song vollzieht er aber mehrere Kehrtwenden. "Meine Frau gab mir Zuhause, meine Kinder 'ne Fam'. Das ist alles, was ich brauche - keine Villa und Benz", mimt er auf einmal den glücklichen Familienvater. "Heute sind wir alle steinreich und zufrieden." Es bleibt mysteriös.
Zumindest die Instrumentals von BM, SOTT, Aziq, Kavo, Chryziz und Semi Beatz bestätigen die depressive Seite Kolja Goldsteins. Chaotische Songs wie "Kouwe Ouwe (First Day Out)" bleiben die Ausnahme. Die meisten Produktionen laufen geistesabwesend neben dem Exzentriker her. Mal tragen sie Trauer ("Züricherstr (Interlude)"), mal verströmen sie einen angenehmen althergebrachten Vibe ("Haarlem (Freestyle)"). Als Highlight tröpfelt "Galatabridge" feinfühlig vor sich hin, während er elektrisiert darüber schreit. Näher wird er dem Gefühl der Wahrhaftigkeit nicht kommen.
Trotzdem zieht er sich jetzt erstmal aufs Altenteil zurück. Es sei denn, sie verknacken ihn vorher. "Ich bin heute 32 Jahre, muss für immer im Knast sitzen bei dem Lifestyle, den ich fahre." OK, falls Kolja Goldstein wegen guter Führung früher entlassen wird, kann er sich überlegen, ob er im Greisenalter ein Comeback in Angriff nimmt, um noch mal am Rad des Schicksals zu drehen. Oder er genießt zurückgelehnt, dass es auch ohne musikalische Ablenkung gut läuft, wie die letzten Worte von "Vertu K7 (Outro)" suggerieren. "Base kommt aus Boli und Peru, sitz' im Wraith in der Sonne am Vertu."
3 Kommentare mit einer Antwort
0/5 ungehört, doch weil "letztes Album" 5/5 wenn es dabei bleibt
Ich fand den eigentlich immer ganz süß. So wie die logische nächste Stufe nach Bushido halt. Muss allerdings auch zugeben, dass ich wirklich überhaupt keine Ahnung habe, wie die Musik klingt.
R-R-RICHARD, R-RICHARD
r-r-richard, r-richard....
FACTORY BESETZT
Inhaltlich für mich unbrauchbar. Demon time 24/7