28. Juni 2004

Der Dino im Anzug

Interview geführt von

Selbst wenn "Veni Vidi Vicious", das zweite Album der großmäuligen Schweden, schon ein Hitalbum nach Alternativ-Maßstäben war, geht es für die Hives erst jetzt so richtig los. Der Wechsel von Epitaph zu Universal bringt eine ganze Menge mehr Beachtung mit sich. MTV spielt die neue Single im Nachmittagsprogramm, und für die Promo-Exemplare der neuen Scheibe gilt erhöhte Sicherheitsstufe. Keine Frage, die Hives erfreuen sich, ohne dass sie etwas dafür könnten, im Moment einer großen Beliebtheit. Das Mehr an Promoarbeit lassen sie unter diesen Umständen gerne über sich ergehen, auch wenn sie beim Interview dann zeitweise freundlich desinteressiert wirken.

Eure neuen Songs wirken nach dem ersten Höreindruck nicht mehr so punkig wie früher, sondern mehr wie straighte Rock-Nummern.

Pelle: Nein, das finde ich gar nicht. In mancher Hinsicht sind sie sogar mehr Punk als früher.

Chris: Ja, wir sind immer noch eine Punkband. Auch wenn wir nicht immer so klingen.

Aber es sind ja schon einige fast elektronische Spielereien zu finden auf dem neuen Album.

Chris: Wir wollten einen Maschinensound entwickeln. Die Drums zum Beispiel sollten so monoton wie mögliche gespielt werden, dass sie fast wie ein Drumcomputer klingen. Wir haben da viel rumprobiert. Es sollte so einen Eighties-Sound bekommen, aber dann wurden daraus aber eher so Rock'n'Roll-Songs. Das hat sich für uns besser angefühlt.

Würdet ihr also sagen, dass "Tyrannosaurus Hives" die Weiterführung einer logischen Entwicklung von "Barely Legal" über "Veni Vidi Vicious" ist?

Pelle: Ich habe keine Ahnung, ob das logisch ist.

Chris: Es ist einfach genau so geworden, wie wir es haben wollten. Mich kümmert es nicht, ob eine Logik dahinter steckt. Wenn es gut ist, ist es gut. Das Resultat ist das, was wir machen wollten. Wir sind sehr zufrieden damit.

Pelle: Es gibt so viele Dinge, die wir als Band tun könnten. Aber das ist das, was wir tun wollten. Es scheint so, als hätten wir so viel zu tun im Moment, dass unser Plan, drei Alben zu machen, echt in Gefahr ist. Es war so schwer mit diesem Album anzufangen. Wir waren ja drei Jahre auf Tournee.

Ihr habt euch aber auch wirklich viel Zeit gelassen!

Pelle: Nicht wirklich. Denn wir schreiben keine Songs on the road. Viele der Bands, die das machen, klingen am Ende wieder nur wie auf der letzten Platte. Das wollten wir auf keinen Fall. Wir waren also drei Jahre unterwegs, und als wir dann mit der Platte begannen, dachten viele Leute wohl, es wäre schon zu spät, um ein neues Album aufzunehmen. Aber jetzt wo wir fertig sind, fühlen wir uns, als könnten wir gleich noch eins machen.

Mit dem Material, das von den Studio-Sessions übrig geblieben ist.

Pelle: Nein. Wir machen nie mehr, als auf das Album kommt. Also, wir haben schon mehr auf Lager, aber wir haben nichts, was fertig gestellt wäre. Wir machen nur das fertig, was auch auf die Platte kommt. Wir sind nicht eine von diesen Bands, die fünfzig Songs aufnehmen und sich dann die zwölf Besten heraussuchen. Es gibt einen Punkt, wo du einfach wissen musst, dass die Hälfte dieser Songs Scheiße ist.

Giles Smith redet in seinem Buch "Lost In Music" von den drei ersten Alben einer Musikerkarriere. Demnach ist das erste dazu da, um die Band interessant zu machen, das zweite, um die Leute an die Band zu binden und mit dem dritten geht es dann richtig los. Seht ihr diese Entwicklung bei euch auch? Dass "Tyrannosaurus Hives" das Album ist, mit dem ihr den ganz großen Durchbruch schafft?

Pelle: Ich denke, dass wir den zweiten Schritt einfach übersprungen haben und mit "Veni Vidi Vicious" direkt vom ersten zum dritten gegangen sind.

Fühlt ihr denn jetzt, da ihr bei einem Majorlabel seid, mehr Erfolgsdruck? Ihr arbeitet ja immerhin noch mit denselben Leuten wie bei den ersten beiden Alben!

Pelle: Nein, es hat sich für uns im Grunde nicht viel geändert. Wir haben früher immer schon das gesamte Artwork und die ganzen Aufnahmen gemacht. Wir haben eigentlich immer ein fertiges Produkt abgeliefert. Mit Videos und allem Drum und Dran. Jetzt haben wir sogar noch mehr Kontrolle, weil wir unsere Unabhängigkeit vertraglich festgehalten haben. Der einzige Unterschied bei dem Major-Label ist, dass wir so viele neue Leute kennenlernen. Man kann die gar nicht alle kennen lernen und sich mit ihnen über Musik unterhalten. Oder es interessiert sie einfach nicht.

Ihr erhaltet auch eine ganze Menge mehr Beachtung als früher! Hier in Deutschland seid ihr bei MTV sehr präsent. Sie kreieren einen Hype um euch!

Pelle: Klar wollen sie das. Major-Labels existieren eigentlich nur - im Guten wie im Schlechten - um Platten zu verkaufen. Aber das weißt du auch, wenn du den Vertrag mit ihnen unterschreibst. Dass sie mit deiner Platte Geld verdienen wollen. Das fällt bei Independent-Labels einfach nicht so auf. Sie funktionieren genauso, aber sie benehmen sich nicht so. Aber wir haben jetzt verstanden, wie der Hase läuft. Diese übermäßige Öffentlichkeit ... Wir sind stolz auf das, was wir vollbracht haben, also scheuen wir die Öffentlichkeit nicht. Wir müssen uns für nichts schämen.

Aber es ist doch interessant, dass der Hype um euer neues Album in Deutschland losgeht. An dem Ort, wo ihr eure ersten Erfolgserlebnisse hattet.

Pelle: Das stimmt. Wir haben schon viel in Deutschland gespielt. Wir haben 2001 ja auch schon mal hier auf dem Southside gespielt.

Habt ihr denn keine Angst, dass die Fans euch sell-out vorwerfen?

Pelle: Nein, denn sie wissen nicht, warum wir diesen Vertrag unterschrieben haben. Wir sind ja praktisch von unserem Independent-Label verkauft worden ...

... das an sich ja auch schon ziemlich groß ist ...

Pelle: ... ja, Epitaph ist schon ein großer Indie-Laden. Also, Burning Heart haben uns an Epitaph verkauft, und die haben uns an Warner verkauft. Wir dachten uns, wenn wir schon bei einem Major-Label sein müssen, dann zu unseren eigenen Konditionen.

Chris: Der einzige Weg, um die totale Kontrolle über die Band zu behalten, war, einen dicken Vertrag aufzusetzen. Mit einem großen Label. Denn das ist uns immer das Wichtigste gewesen, die Kontrolle über unser Schaffen zu behalten. Wenn andere jetzt denken wir wären sell-outs, dann ...

Pelle: ... Fuck 'em!

Chris: Yeah!

Pelle: Ich kümmere mich nicht wirklich um solche Vorwürfe. Wir kennen das ja schon länger. Aber so viele unserer Lieblingsplatten sind auf Majors rausgekommen. Das zeigt doch am besten, wie egal das ist: The Ramones, The Clash, die Sex Pistols.

Könnt ihr euch erklären, warum ihr im Moment das Aushängeschild des Scandinavian Rock seid, und nicht Vorreiter wie Gluecifer und die Hellacopters?

Pelle: (überlegt lange) Ich denke, wir waren die ersten, die in Großbritannien und in den USA erfolgreich waren, also da, wo die ganzen großen Musikzeitschriften beheimatet sind, den der Rest der Welt dann liest.

Was ist mit eigentlich an dieser Randy Fitzsimmons-Geschichte dran? Dass dieser mysteriöse Typ die Band zusammengebracht und ihr die Musik gegeben hat? Randy Fitzsimmons gibt es doch nicht wirklich, oder?

Chris: Natürlich gibt es den!

Pelle: Er hatte die Idee mit der Band und hat uns zueinander geführt.

Chris: Und er gehört immer noch zur Band.

Ihr musstet ihn nicht mit dem Major-Deal über Bord werfen?

Chris: (lacht) Nein! Er kommt mit dem Band-Paket. Er möchte auf keinen Fotos erscheinen und er gibt auch keine Interviews. Er bleibt im Hintergrund. Normalerweise kommt er auch nicht mit auf Tour. Manchmal kommt er zu einer Show, aber normalerweise bleibt er zu Hause.

Ist er aus euerer Gegend?

Pelle: Das dürfen wir leider nicht verraten.

Aber er kommt aus Schweden!

Pelle: Das könnte sein. Wir verraten nichts.

Wisst ihr, dass Larry Hagman, der Stinkstiefel aus der Achtziger-Serie "Dallas", ein großer Fan von euch ist?

Pelle: Ja, das ist uns bekannt. Er ist schwer krank und wird wohl nicht mehr lange unter uns weilen. Das ist sehr schade. Er hat einen schweren Leberschaden vom vielen Alkohol. Seine Leber hat er schon ersetzt bekommen, aber die Neue hat er mittlerweile auch durch. Als sie ihm die dritte Leber geben wollten, sagte er, sie sollten sie lieber jemand anderem geben, weil er sie sowieso nur zerstören würde. Wir haben ihn mal bei der Conan O'Brien Show getroffen.

Er war auf seine Art ja immer sehr stylish, so wie ihr es auf eure Art seid.

Pelle: Ja, mit seinem Cowboy-Hut. In "Dallas" konnte man ja auch immer sehen, dass er zu viel trank. Da gab es immer Whisky. Wenn er in den Raum kam, hat er sich immer erstmal einen eingeschenkt.

Chris: Vielleicht war das ja nur Tee ...

Pelle: Vielleicht aber auch Whisky!

Heute spielt ihr ja als Vorletzte auf der Hauptbühne, direkt vor The Cure. Macht euch das was aus? Ist es ein großer Unterschied, mittags zu spielen oder abends?

Chris: Es ist viel besser, später zu spielen. Je später du spielst, desto besser. Die Sonne scheint dann nicht so stark.

Pelle: Wir wollen, dass es so dunkel wie möglich ist. Heute sind wir sogar noch ein bisschen früh dran. Gestern auf dem Hurricane sind wir erst so um Zehn auf die Bühne, da wurde es schon dunkel. Was die Leute angeht: Es macht keinen Unterschied für uns, und wenn wir vor neun Leuten spielen. Wir spielen einfach.

Ok. Dann lade ich neun Kumpels zu mir ein, und ihr kommt dann vorbei und spielt in meinem Wohnzimmer!

Pelle: Das machen wir!

Mehr Bilder von den Hives auf dem Southside-Festival 2004 gibts hier!

Das Interview führten Mathias Möller und Martina Schmid

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