laut.de-Kritik

Solider Trapsound auf Filler-Mission.

Review von

Es ist gerade im Hip Hop eine verbreitete Krankheit, Alben mit belanglosen Filler-Songs künstlich aufzublähen. Zuletzt ist diese Unsitte auf Future und Metro Boomins "We Still Don't Trust You" (nicht zu verwechseln mit dem starken We Don't Trust You) so heftig entartet, dass das gesamte Album zum Filler verkommen ist. "Siki Jackson" ist zum Glück nicht ganz so extrem, trotzdem ächzt es unter seinen 21 Songs ungemein. Das ist ganz besonders schade, da sich in dem Heuhaufen aus dahinplätschernden Einschlaf-Tracks durchaus einige Banger verbergen.

Summer Cems Texte sind wieder einmal schnell abgefrühstückt. Ihre Charakterisierung funktioniert am effizientesten auf die Weise, wie Monsieur Poulain in "Die fabelhafte Welt der Amelie" vorgestellt wird: Was Cem mag? Mit fünf "Ollen" im eigenen Minivan chillen. Außerdem: Schmuck für viel Geld kaufen, denn Cem hat natürlich viel Geld. Was Cem nicht mag? Menschen mit gefälschten Uhren. Außerdem: "Broke Boys" und den Wechselkurs. Damit wären die inhaltliche Tiefe seiner Lyrics abgedeckt, entsprechend bewegen sie sich auf dem Deutschrap-Mittelmaß. Zum Glück kommt auch hin und wieder eine erfrischende Prise Humor zum Vorschein, das tiefgründigere "Primetime" von "Nur Noch Nice" war aber vermutlich eine seltene Ausnahme.

Man sollte die Aufmerksamkeit ohnehin auf die Soundkulisse richten. Seit Endstufe führt Summer einen soliden Trap-Film auf, der sich gegenüber Genre-Veteranen kaum zu verstecken braucht. Unter den deutschen Ü40-Rapper ist er zusammen mit Fler (mit dem er sich auch sein Frauenbild teilt) nach wie vor einer der wenigen, der verstanden hat, dass der eingestaubte 95-BPM-Sound auf Dauer nur noch mäßig funktioniert. Der Opener "Wo Bist Duuu" kommt direkt mit einer herrlich unterkühlten, drückenden Atmosphäre daher, auch wenn er nicht ganz an "200 Düsen" und "Ghost" heran reicht. Das liegt einerseits an den nervtötenden "DUUU"s in der Mitte des Tracks, anderseits an der sehr knapp bemessenen Laufzeit, in der definitiv Potential verloren geht. Zwar liefert der zweite Beat im hinteren Drittel eine wunderbar aggressive Steigerung, man fragt sich aber, ob ein Beatchange für 40 Sekunden wirklich so viel Sinn ergibt.

Die stärksten Tracks der Platte bleiben allesamt im Trap-Kosmos. Der Kopfnicker-Flow von "Yachtclub" geht genauso ab wie "Stop & Go" mit Billa Joe, "Lowlife", "LA Freestyle" oder die In-Your-Face Plug-Arpeggios auf "Godzilla". Die Platte bietet locker zehn Tracks, die mit zu dem besten zählen, das Summer Cem bisher abgeliefert hat.

Leider hat er aber wie immer den Drang, seine musikalische Vielseitigkeit unter anderem mit ultrawackem Clubsound zu demonstrieren. Während "Tamam Tamam" zumindest noch ganz witzig war, sorgen Tracks wie "Siki Jizzle" und "Mind On My $$$" nur noch für Fremdscham. Auf "Mike Tyson" rotzt RAF Camora seinen Part auf einen RAF-Beat aus dem Kopierer hin, mit dabei Lines wie: "Polygam-Napolitaner / In Belgrad date' ich Jelena / Werd' immer fresher mit den Jahr'n / Nicht wie Kim Kardashian". Natürlich wird er überhaupt nicht fresher, seine Prime von 2016 hat er schon seit Jahren überschritten. In Kontrast mit den Trapbeats merkt man erst richtig, wie verstaubt die Dancehall-House-Karambolage wirklich ist.

Aber auch einige Trapproduktionen klingen vollkommen belanglos, "Better Days" mit Reezy wirkt ähnlich uninspiriert wie "Gesegnet", die Features mit NLE Choppa und AJ Tracey kommen zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus. Warum Ami-Rapper auf das Album holen, wenn die Tracks letztendlich zu absoluten Fillern verkommen?

Gegen Ende der Platte präsentiert Cem dann noch mal eine volle Palette an Bullshit. Das EDM-Gekloppe auf "Flex So Hard RMX" klingt scheußlich, "Spaceship" mit Nimo ist maximal generisch, und der Closer "Lights Out" bitet so offensichtlich den Jersey-Club-Banger "I Just Wanna Rock" von Lil Uzi Vert, dass es wehtut.

Das Alles ist unfassbar schade. Auf zehn bis zwölf Tracks herunter gekürzt wäre "Siki Jackson" das bis dato stärkste Summer Cem-Album gewesen, so verwässert, wie es jetzt ist, reiht es irgendwo zwischen "Nur Noch Nice" und "Maximum III" ein. Ich habe die ungute Vorahnung, dass man es sich auch nicht nehmen lassen wird, eine Deluxe mit fünf weiteren Fillern hinterher zu werfen. Es fehlt Cem wohl schlichtweg an kuratorischen Fähigkeiten, die eigenen Projekte auf das Wesentliche zu reduzieren, um ein kohärent-qualitatives Endprodukt zu erzeugen.

Trackliste

  1. 1. Wo Bist Duuu
  2. 2. Kein Muss
  3. 3. Mind On My $$$
  4. 4. Better Dayz
  5. 5. Stop & Go
  6. 6. Mike Tyson
  7. 7. Yachtclub
  8. 8. Gesegnet
  9. 9. Bielefeld
  10. 10. Siki Jizzle
  11. 11. LA Freestyle
  12. 12. Kontak
  13. 13. Lowlife
  14. 14. Küss Hand
  15. 15. Only God
  16. 16. Pray For Me
  17. 17. Godzilla
  18. 18. Full Clip
  19. 19. Flex So Hard RMX
  20. 20. Spaceship
  21. 21. Lights Down

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