Porträt

laut.de-Biographie

Klaus Nomi

Klaus Nomi hat seinen Namen in die Geschichtsbücher der Musik gemeißelt. Als erster Künstler hat er in relevanter Hinsicht Oper und Popmusik miteinander vermischt. Auch Jahrzehnte nach seinem Tod genießt er weltweite Anerkennung als Crossover-Vokalist und Revolutionär der modernen Musik.

Die Karriere Nomis ist zu Lebzeiten nur schleppend vorangegangen. Sie ist geprägt von zahlreichen Rückschlägen. In Bayern geboren als Klaus Sperber, interessiert er sich von frühester Jugend an gleichermaßen für Opern- und Popmusik. Es gibt für ihn nur ein Ziel, er möchte Opernsänger werden. Zunächst misslingt jeder Versuch, dies zu realisieren. Um nicht auf der Straße zu stehen und überall auf der Welt Fuß fassen zu können, erlernt er den Beruf des Konditors.

Gleichzeitig gelingen ihm erste Schritte in Richtung Showbiz. Als Statist bekommt er gelegentliche Engagements an Theatern in Essen. Etwas später zieht er nach Berlin, lässt seine einmalige Stimme zum Opern-Countertenor ausbilden und jobbt an der Deutschen Oper als Platzanweiser. Ein echtes und dauerhaftes Engagement findet er dennoch nicht. Um überhaupt in der Öffentlichkeit singen zu können, tritt Sperber im Berliner Nachtclub Kleist Casino auf.

1973 entflieht der Allgäuer dem für ihn perspektivlosen Deutschland, um niemals wiederzukehren. Er geht nach New York und lässt sich in der liberalen Bohème des Künstlerviertels East Village nieder. Zunächst ist er noch immer gezwungen, sich als Zuckerbäcker zu verdingen. Countertenöre sind nicht sonderlich gefragt. Doch inmitten dieses kreativ brodelnden Hexenkessels findet der Bayer endlich seine künstlerische Identität. Er ist mittlerweile ein gleichermaßen glühender Verehrer der minimalistischen New Wave Musik wie auch der Genres Science Fiction und Cyber Ficton.

Beides möchte er mit seiner geliebten Klassik verschmelzen. Also kämmt er sich die Haare mephistophelisch zurück, schminkt sein Gesicht in der Art eines Kabuki-Darstellers und trägt eine eigenwillige Garderobe in futuristischen Fantasiedesigns. Bei soviel Extravaganz ist ihm der provinziell klingende Name Sperber zunehmend ein Dorn im Auge. So nennt er sich fortan Nomi. Das Wort ist ein Anagramm des lateinischen omni (jeder, alles). Es verkörpert die Sehnsucht nach Anerkennung und Verbreitung seiner Kunst; auch im Englischen (Will they ever know me? - Will they Nomi?).

Als völlig einzigartige und androgyne Kreatur zieht er durch die verruchten Bars und kleinen Hinterhofbühnen des East Village. Nomis Countertenorstimme - dargeboten zu klinischem New Wave-Sound - erzeugt eine eigenwillige, vollkommen neuartige Musik. Die unfassbar hohe Stimmlage macht es den Zuschauern unmöglich, zu enträtseln, ob es sich beim Künstler um einen Mann oder eine Frau handelt.

Schon innerhalb eines Jahres entwickelt sich der privat eher scheue Nomi zur schrillen Underground-Attraktion des offenen New Yorker Publikums. Soviel außerirdisches Flair bleibt Ober-Alien David Bowie nicht verborgen. Er schleust den Deutschen 1979 als Backgroundsänger in die Late Show Saturday Night Live ein. Die Resonanz ist beträchtlich und verhilft Nomi zu einem Schallplattenvertrag. Als singender Konditor lädt man ihn zu diversen Shows ein, wo er zu donnernder Wave Musik seine Arien schmettert und seine berühmten Pasteten und Torten präsentiert. Bowies Einfluss ist zu dieser Zeit derart gewichtig, dass Nomi in den RCA Studios sein Debüt ohne jede künstlerische Einschränkung aufnehmen kann. 1980 und 1981 begibt er sich auf Welttournee, wird besonders in Europa gefeiert, dreht Videos und kehrt Anfang 1982 nach New York zurück, um sein zweites Album, "Simple Man" aufzunehmen.

Um diese Zeit herum bricht das HIV-Virus bei Nomi aus. Krankheiten, totale Auszehrung und sogar Krebs folgen. Tragischerweise gibt es mangels einer brauchbaren Diagnose kaum relevante medizinische Linderung für den Sänger. AIDS ist zu diesem Zeitpunkt noch kaum bekannt. Der Countertenor weiß, dass seine kurze Kariere bald beendet ist. Er bewahrt sich trotzdem seinen Humor und begreift sie als Schicksals laune von fabelhaft komischer Absurdität.

Schwer gezeichnet rafft sich Nomi gegen Ende des Jahres noch einmal auf, um sein wohl ergreifendstes Lied "The Cold Song" im deutschen Fernsehen bei Thomas Gottschalk zu präsentieren. Der körperliche Verfall ist auf schockierende Weise sichtbar. Dennoch lehnt Nomi jedes Gesangs-Playback ab. Ein letztes Mal legt er sämtliche eigentlich nicht mehr vorhandene Kraft voller Inbrunst und Leidenschaft in seine Arie. Das Lied endet mit den Worten "Let me freeze again to death". Am 6. August 1983 stirbt Klaus Nomi in New York; lange bevor er den Zenit seiner Karriere erreicht. Postmortem wird ihm die Anerkennung zuteil, die die Fachwelt Nomi zu Lebzeiten verweigert. Seine unnachahmliche Melange aus ehrwürdigem Retro und futuristischem Anstrich bleibt unerreicht.

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