laut.de-Kritik

Zweimal Peitsche, zweimal Zuckerbrot.

Review von

Wer schon immer mal wissen wollte, wie es klingt, wenn JR-Frontfrau Jennifer Weist mal so singt, wie sie aussieht, der sollte sich schnell noch Tickets für die kommende Tour der Band besorgen. Dort – und erst mal nur dort – kann man nämlich die neue EP der fünf Wahl-Berliner käuflich erwerben. Die heißt "Kaleidoskop", benannt nach dem vor kurzem gegründeten bandeigenen Label, und schießt zumindest während der ersten sechseinhalb Minuten mehr Dreck und Rotz durch die heimischen Boxen als der komplette bisherige Backkatalog der Band zusammen.

Im Stile einer fleischgewordenen ganzkörpertätowierten Symbiose aus Annette Humpe, Nena und der Flyleaf-Kreischkönigin Kristin May lässt es die Sängerin gleich zu Beginn richtig krachen. Die Band folgt ihrer Herrin natürlich bedingungslos und stellt der Hauptprotagonistin an vorderster Front fast schon an Frau Potz und Konsorten erinnernden Schrammel-Punk zur Seite ("Kaleidoskop").

Mit dem anschließenden "Schlag Alarm" holt die Band sogar noch ein paar Knüppel mehr aus dem Sack. Wer letztlich warum und bei wem Alarm schlagen soll, weiß ich allerdings auch nach dem dritten Durchlauf noch nicht so genau. Bis auf den durchaus eingängigen Clean-Refrain schreit sich Madame Weist nämlich durchgehend die Kehle aus dem Leib. Es scheint aber wichtig zu sein, so viel ist klar.

Genauso unverständlich wie der Text von "Schlag Alarm" ist der plötzliche musikalische Bruch, den die Band mit dem folgenden "Kein Sommer" einläutet. Statt das kleine, gerade mal aus vier Songs bestehende EP-Paket mit weiteren Tollwut-Attacken in eine in sich stimmige Form zu pressen, drehen die Verantwortlichen auf einmal die Amp-Regler nach links.

Vor austauschbaren NDW-Erinnerungen niederkniend, präsentiert sich das Kollektiv wie das Kaninchen vor der Schlange. Bloß nicht weiter aufmucken, Haltung bewahren und auch all denen etwas servieren, die schließlich in der Mehrzahl sind – Teens und Twens, die Jennifer Rostock vor allem wegen ihres Pop orientierten Tralala-Punk-Fundaments seit Jahren überall hin folgen.

Und weil dem so ist, gibt's zum Schluss auch noch ein zuckersüßes musikalisches Sahne-Dessert oben drauf; wenngleich hierzulande sicherlich schlimmere Liebes-Balladen in den Schlafzimmern trauriger Mädchen auf Rotation laufen als das lediglich mit Piano-Klängen untermalte "Schlaflos Pt.2". Das ändert aber leider nichts an der Schräglage des Gesamtbildes dieser EP, die zwar will, aber irgendwie nicht so richtig kann, oder soll. Schade eigentlich.

Trackliste

  1. 1. Kaleidoskop
  2. 2. Schlag Alarm
  3. 3. Kein Sommer
  4. 4. Schlaflos Pt.2

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13 Kommentare mit 16 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    "Wer schon immer mal wissen wollte, wie es klingt, wenn JR-Frontfrau Jennifer Weist mal so singt, wie sie aussieht"

    Ziemlich blechern?

    *vor JR-Fanmeute versteck*

  • Vor 9 Jahren

    Mh, ich solle mal wieder Flyleaf hören.

  • Vor 9 Jahren

    sie probieren es immer wieder, die leute von laut.
    dahinter zu kommen, wie jr sich aufgestellt haben.
    diesmal kai butterweck. immerhin hat er die üblichen plattitüden von laut weggelassen und eine durchaus ansprechende analyse abgegeben.
    sein resümee zeigt leider, dass er andere musikströmungen
    bevorzugt und deshalb die qualitäten der band jennifer rostock herabwürdigt.

    • Vor 9 Jahren

      Es zeigt vielmehr, dass die Band einfach scheiße ist.

    • Vor 9 Jahren

      Nee nee, das sind halt deutsche Musiker, da sind 3/5 nun mal Maximum.

    • Vor 9 Jahren

      Deutsche Musiker werden es in Deutschland nie leicht haben. Aber immerhin versuchen sie es immer wieder. Irgendwann wird es dem Deutschen Volke schon mal komplett schmecken. Man müsste die Leute irgendwie gefügig machen. Zum Beispiel durch eine Steuererhöhung bei zu häufigem Nichtgefallen deutscher Musik.

    • Vor 9 Jahren

      Liegt auch daran, dass wir wenige gute Bands haben, die auf deutsch singen? Wollt ihr mir jetzt Tocotronic aufzählen oder die Fehlfarben? Folgende deutsche Musiker/Bands(die auch deutsch singen) mag ich: Element of Crime, Hannes Wader, Konstantin Wecker und einige Sachen von Reinhard Mey. Das wars.
      Außerdem finde ich deutsch als Gesangssprache furchtbar grässlich. Und Patriotismus ist dämlich. Hatte ich aber anderweitig schon mal erläutert.

    • Vor 9 Jahren

      Ich finde auch Deutsch als Gesangs- oder Rap-Sprache super, musst halt gekonnt vorgetragen werden.

    • Vor 9 Jahren

      kannst reinhard may ja mal einen blasen, du otto.

  • Vor 8 Jahren

    Wer ist J.Rostock??
    Ich kenne nur Rostoch in Meck-Pomm.
    Ach ist das nicht diese Ziege die gegen Onkelzshirts geifert??
    Mfg Onkel H.
    Up the Irons

  • Vor 7 Jahren

    @Der-Wal: das Gefühl hab ich allerdings auch, dass die Rezensenten hier alle krasse Underground-Szenepolizisten sind. Wer Alben rezensiert, sollte meiner Meinung nach mehr Offenheit und im Idealfall auch ein Quäntchen musikalisches Verständnis sowie ne Portion Humor mitbringen. Naja, leider ist laut.de die einzige mir bekannte deutsche Seite, die ein großes Spektrum abdeckt.
    Ich find jedenfalls, dass man Jennifer Rostock das eigene Label deutlich anhört. Fett aufs Gaspedal, Madame screamt ordentlich los, ich glaub, die müssen sich wohl echt wie im Käfig gefühlt haben die Jahre vor 2014. Tut ihnen gut jetzt :)