laut.de-Kritik

Mit 99 schlechten Reimen lass' ich für dich die Sonne scheinen.

Review von

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Maurice Ernst wechselt für eine Ablösesumme von 1 Goldkettchen zu Wanda. Die Stelle am Bilderbuch-Mikro übernimmt ab sofort Mark Forster. Um sich von den vorherigen Werken abzugrenzen, nennt sich die Band nun I Am Jerry. Was für ein Schick Schock.

Hupps! Da ist uns wohl eine bedauerliche Fehlmeldung unterlaufen. Entschuldigung. Aber im Netz muss man immer ganz vorne dabei sein. Da kann das mal passieren.

Von diesem kleinen Fauxpas abgesehen, klingt "Habicht", das Debüt der Sprockhöveler, genau wie diese imaginäre News. Etwas mehr Rock, etwas mehr Gitarren, etwas mehr Kraftklub und eine ganz große Portion mehr Mainstream. Damit jeder, von den besoffenen Abschlusspartygästen bis zum euphorisierten Fußballfan in seiner Kurve, jede Nummer mitgrölen kann. Fertig sind I Am Jerry.

Mit verschrobenen Bilderbuch-Texten wie "Klemens und Andi haben Stress / Ich sage nichts, ich mache less / Mit Lamborghini und dem richtigen Qi / Quit living on dreams, mein kleines Genie" ("QM") kann man diesem Publikum natürlich nicht kommen. Also Hände in die Höhe und alle zusammen: "Für immer, für immer high / Für immer, für immer high / Alles rauscht an uns vorbei / So, wie es ist, wirds immer sein." ("Für Immer High"). Das "Tage Wie Diese"-Virus durchfrisst die deutsche Musikszene weiter und weiter.

Produktion, Druck und musikalische Umsetzung bauen in guten Momenten wie dem ordentlich brummenden "Alles Muss Neu" sogar Einiges an trügerischer Dynamik auf. Bis dann der Nena-Refrain einsetzt und alles Vielversprechende in Grund und Boden stampft. "Hast du etwas Zeit für mich / Dann baue ich die Welt für dich / Neu!" Mit 99 schlechten Reimen lass' ich für dich die Sonne scheinen: Neu! Es bleibt der muffige Geschmack eines Fertigprodukts. Diesmal halt nicht Spaghetti mit Tomatensoße, sondern Mark Forster all'arrabbiata. Aber keine Angst! Das kleine Päckchen staubiger Trockenkäse bleibt das gleiche.

Das durchgehende Großmackertum und der ewig gleiche Songaufbau zeigen schnell Ermüdungserscheinungen. Ohne den großen, reißerischen Refrain geht auf "Habicht" nichts. Für reizvolle Zwischentöne bleibt kaum Platz. "Die Sonne scheint" ("Habicht") und "Wir Wolln Die Sonne Sehn". Wenn man will, kann man natürlich auch mal wieder alles sein ("Gib Ihm Bös").

Mit dem "Maschin"-Rip Off "Hübsche Polizeifrau", in dem man mit viel Wohlwollen sogar so etwas wie eine Geschichte entdecken kann, und der vernebelten Ballade "Deine Stimme" brechen nur wenige Songs leicht aus dem Muster aus. Der Titeltrack brezelt sich mit dümmlichen Culcha Candela-Synthesizern und Handclaps für den Malle-Partyurlaub auf. "Klippe" mopst sein Grundmotiv munter aus Gorillaz' "Feel Good Inc."

Das Ärgerlichste an I Am Jerrys "Habicht": Man hat durchgehend den Verdacht, dass mit etwas mehr Eigenständigkeit und weitaus besseren Texten deutlich mehr möglich gewesen wäre. Dass dies durchaus geht, zeigt momentan Von Wegen Lisbeths "Grande". Doch scheinbar haben sich fast alle gegen die deutsche Sprache verschworen und beschlossen, dass die Welt aus lapidaren Mäuschenreimen besteht. "Wisch' dir deine Tränen weg / Denn mit der Heulerei hast du verloren / Sei nicht so aufgeschreckt / Wenn du das willst, machen wir das von vorn" ("Alles Muss Neu"). Jesses. Da wünscht man sich fast schon Blumfeld zurück. Fast.

Trackliste

  1. 1. Vollkontakt
  2. 2. Hübsche Polizeifrau
  3. 3. Alles Muss Neu
  4. 4. Für Immer High
  5. 5. Wir Wolln Die Sonne Sehn
  6. 6. Gib Ihm Bös
  7. 7. Klippe
  8. 8. LSD
  9. 9. Deine Stimme
  10. 10. Nachtschicht
  11. 11. Habicht
  12. 12. Yolöm

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1 Kommentar

  • Vor 7 Jahren

    "Man hat durchgehend den Verdacht, dass mit etwas mehr Eigenständigkeit und weitaus besseren Texten deutlich mehr möglich gewesen wäre."

    Da ist ja so richtig was dran. Tolle These und Pikatchu ist nicht Content von Pokemon Go. Glaub es einfach........