laut.de-Kritik

Kopf aus, Musik an.

Review von

"Hol die Police, hol die Police, ich fühl mich so verbrecherisch", erinnert der Opener auf "Schick Schock" noch mal daran, wie es um die Ernsthaftigkeit in Bilderbuch-Songs bestellt ist. Tun wir den Durchstartern aus Österreich den Gefallen und fangen gar nicht erst an, nach der alles erleuchtenden Botschaft in ihren Zeilen zu forschen. Es gibt sie nicht.

Trotzdem oder gerade deshalb treffen sie mit ihrer Idee von Musik den Nerv einer Zeit, die übersättigt ist von Meinungen und intellektuellen Beiträgen. Mal keine politische Revolte, kein Aufruf zur Nächstenliebe und erst Recht kein tadelnder Fingerzeig auf den gesellschaftlichen Zerfall. Das kann zur Abwechslung ziemlich erfrischend sein. Also Kopf aus, Musik an.

Der Dschungel scheint da als Setting wie geschaffen. Heroische Bläser warten zur Begrüßungszeremonie im eingangs zitierten "Willkommen im Dschungel" auf, um zwischenzeitlich von allerhand Indie-Schrammeleien abgelöst zu werden. Seit 2012 dabei, legt Drummer Philipp Scheibl seine Hip Hop-Einflüsse in die Beats.

Unkonventionelle Geräusch- und Elektro-Samples wie etwa in "Feinste Seide" beleben die Songs mit neuen Facetten. Dazu die unberechenbare Phrasierung von Fronter Maurice Ernst, der kurz mal dazwischen wufft oder aus dem Sprechmodus plötzlich in eine kopfstimmenlastige Autotune-Parodie wechselt.

Wer schon immer wissen wollte, wie in etwa sich Michael Jacksons "Beat it" in Slow-Motion anhört, zieht sich "Spliff" rein. Leco Mio Dios Mio, zelebrieren schrille Gitarren hier glatt eine stilechte Falco-Homage. Rockiger geht es in "Schick Schock" zu, das fetzige Solo-Riffs einstreut. Zurück im Zeitlupen-Effekt, erreicht "Softdrink" ein neues Chill-Level, und für Bilderbuch-Verhältnisse fast schon unverschämt eingängig strukturiert, stürmt die Durchbruch-Single "Maschin" den Dancefloor.

In "Plansch" dreht der Vierer aus Wien den Verzerrer dann etwas mehr auf und pirscht sich zielstrebig mit legerem Flow auf rockigeres Terrain vor, das sie im Vergleich zum Vorgänger "Die Pest in Piemont" hier eher selten ansteuern. Auf echte Poser-Soli wie hier zum Ausklang wollen "Bilderbuch" auf der neuen Scheibe aber nur ungern verzichten.

Die Sonnenbrillen aufgesetzt, fährt das basslastig flimmernde "Gigolo" im coolen 80er Jahre Disco-Sound vor, bevor die Pseudo-Ballade "Gibraltar" den Abschluss betrauert. Schnulze steht am Ende, das ist so eines von vielen wandelnden Klischees, die das Pop-Orchester bloßstellt. In Anlehnung an spacige Stimmeffekte aus Daft Punks "One More Time" wird das letzte bisschen Seriosität wie eine melancholische Farce weggewischt. Theatralisch-quiekende Gitarrensoli ebnen den Weg.

Unverkrampft kreativ und mit viel schwarzem Humor entlarven Bilderbuch auf "Schick Schock" den Anspruch auf Tiefgang als Pseudo-Ideal der Pop-Musik. Stattdessen treibt Ernsts freie Schnauze das assoziative Wirrwarr aus Gedankenfetzen und Motiven auf die Spitze. Vielfältig und nicht mehr nachvollziehbar zu sein, so beschreibt der Sänger seinen Anspruch an gute Pop-Musik im Interview. Das verkörpert "Schick Schock" in Perfektion, und genau das macht die ganze Truppe so authentisch. .

Nicht jeder dürfte sich davon angesprochen fühlen. Ein verkopftes Gemüt und die Sehnsucht nach erhellenden Lyrics könnten dem Hörgenuss im Weg stehen. Wer dagegen bereit ist, sich auf den erhöhten Spaßfaktor der Alpen-Gang einzulassen, das Logik-Areal bis auf weiteres runterzufahren und sich von brutal abgedrehten Kompositionen berieseln zu lassen, der kann den Euphorie-Button auf "Schick Schock" gehörig durchdrücken. Gelegentlich sinnfreiere Regionen zu durchwandern, ist im Übrigen nicht immer der schlechteste Weg zur Erkenntnis.

Trackliste

  1. 1. Willkommen im Dschungel
  2. 2. Feinste Seide
  3. 3. OM
  4. 4. Spliff
  5. 5. Schick Schock
  6. 6. Softdrink
  7. 7. Maschin
  8. 8. Barry Manilow
  9. 9. Rosen zum Plafond (Besser Wenn Du Gehst)
  10. 10. Plansch
  11. 11. Gigolo
  12. 12. Gibraltar

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