Porträt

laut.de-Biographie

Gallows

"Bierbecher fliegen durch die Gegend, Körper schleudern umher und der halbnackte Sänger Frank Carter – auf Strümpfen höchstens 1,60m – stellt sich als der furchterregendste Pitbull seit Tim Roths Skinhead in 'Made In Britain' heraus. Ein Arzt diagnostizierte nach einem Gig ein Schleudertrauma: 'Wie schnell fuhren sie beim Aufprall – 70 km/h?'"

Gallows - Desolation Sounds
Gallows Desolation Sounds
Düstere Stimmung, kraftvolle Riffs, zerstörerische Wut.
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So skizziert das britische Metalmagazin Kerrang! den Lichtblick in der Hardcore/Punkszene Großbritanniens. Wer glaubte, die Insel habe außer Röhrenjeans tragenden Indieyuppies nichts mehr zu bieten, hat sich schwer getäuscht.

Gallows heißt der musikalische Inbegriff für Chaos, Wut und Energie. Frontmann Frank Carter, sein Bruder Steph an der Gitarre, Laurent Barnard an der anderen Axt und an den Tasten, Bassist Stuart Gili-Ross und Schlagzeuger Lee Barratt finden sich 2005 zusammen und definieren den Begriff "Bühnenpräsenz" komplett neu.

Carter, vor der Bandkarriere selbst Tattoo-Stecher, lässt sich auf der Bühne tätowieren und springt von allen nur möglichen Plattformen ungeachtet der Höhe ins schweißgetränkte Publikum.

Fans entern die Stage und schlägereiähnliche Szenen spielen sich zwischen dem Frontmann und den Zuhörern ab. Mit den Texten um Gewalt und die Aussichtslosigkeit des Lebens in der englischen Provinz identifizieren sich immer mehr Hörer, auch mit der Band und ihrer authentischen Rauheit.

Inspiration bietet dem Rotschopf seine Vergangenheit. "Ich habe so viel Scheiße abbekommen, als ich ein Kind war. Ich war immer ein leichtes Opfer, aber jetzt ist es ein komplett anderes Spiel." So kommt es dazu, dass Anfang 2006 eine beim Konzert aufkreuzende Gang ehemaliger Peiniger, den herzlich zugreifenden Fans sei Dank, im Krankenhaus landet.

Im gleichen Jahr erscheint in Großbritannien das selbstproduzierte Debüt "Orchestra Of Wolves" auf dem Nottinghamer Label In At The Deep End Records und bringt die Band landesweit ins Gespräch. Auf Dauertour mit einem alten Postlieferwagen erspielen sich die Schreihälse in ganz Großbritannien einen Namen und gelangen so 2007 über ihr eigenes Label Black Envelope an Warner Music.

Dort unterzeichnen sie einen eine Millionen Pfund schweren Vertrag, der vier Alben umfassen soll. Im Oktober des gleichen Jahres ist ihre Platte dann auch in Deutschland erhältlich. In den Staaten sorgt Epitaph Records von Bad Religion-Gitarrist Brett Gurewitz für den Vertrieb der Scheibe.

Nun sind Bühnen in ganz Europa, den USA und später Japan der explosiven Show ausgeliefert. Gallows spielen unter anderem im Vorprogramm von MC5 und auf der Vans Warped Tour mit Pennywise, Bad Religion und Coheed And Cambria.

Entgegen dem Willen der Band werden Gallows immer weiter gehypt. So landet der Vorzeigeaussteiger Carter Ende 2007 an der Spitze von NMEs "Cool List", und Radiosender laden die Band ein, um Gitarren in ihrem Studio auf dem Boden zu zerschmettern.

Anfang 2008 geht es erneut in den USA auf Tour. Danach will die Band, für die Konzerte spielen alles bedeutet, sich tatsächlich auf ein zweites Album konzentrieren, obwohl Sänger Carter in einem Interview mit dem NME schon im September 2007 erklärt, er gebe der Band keine fünf Jahre. Demnach müsste der Spuk 2009 vorbei sein.

Selbstverständlich ist dem nicht so. Im Frühjahr 2009 erscheint das zweite Album, das sich als Lagebericht von der englischen Insel versteht. Plötzlich sind die Gallows politisch und prangern die sozialen Misstände in ihrem Heimatland an.

Mitten in den Arbeiten zur dritten Platte steigt Frank Carter aus. Die elendigen kreativen Differenzen wieder. Das kleine Energiebündel konzentriert sich jetzt auf seine andere Band Pure Love, die eher im melodischen Alternative-Rock angesiedelt ist. Die übrig gebliebenen Musiker suchen händeringend nach einem neuen Mann fürs Gebrüll.

Den finden sie nur wenig später im Sommer 2011 auch tatsächlich: Wade MacNeill, der ehemalige Shouter der vor kurzem aufgelösten Alexisonfire, nimmt das Mic in die Hand und macht kurzen Prozess mit den Fanzweifeln. Im Dezember des Jahres erscheint gleich eine EP, und nur ein Jahr nach dem Sängerwechsel kommt mit "Gallows" das dritte Album auf dem Markt. Wade MacNeill beweist, dass er Frank Carter hervorragend vertritt.

Bis zum vierten Album steigt das nächste Bandmitglied aus. Frank Carters Bruder Stephen packt den Gitarrenkoffer und macht die Fliege. Zurück bleibt ein Quartett, denn Stephen wird nicht ersetzt. Die Band beschließt, ohne ihn weiterzumachen und sich grundlegend zu verändern.

Das Beweis dieses Veränderungsprozesses liefert "Desolation Sounds", dass 2015 erscheint. Gallows geben sich melodischer und wechseln die chaotische Wut gegen eine düstere Stimmung aus.

Für die Bandmitglieder ist das ein äußerst wichtiger Schritt, vor allem, weil er die vier enger zusammenschweißt. Laurent Barnard sagt dazu: "Es fühlt sich an, als seien wir wieder eine Gang: Gallows über alles."

Alben

Gallows - Gallows: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 4 Punkte

2012 Gallows

Kritik von Andreas Dittmann

Wut und Ekstase stecken in der tätowierten Sängerbrust. (0 Kommentare)

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