laut.de-Kritik

Den Münchener Indie-Punks gehört die Zukunft.

Review von

Das selbstbetitelte Debüt der Münchener Indie-Punks/Alternative-Rocker von Cadet Carter sorgte Anfang 2018 für Aufsehen in der hiesigen Gitarrenrock-Szene. Für den eigenständigen, stark am Sound der 90er orientierten Mix, der an Jimmy Eat World, frühe Foo Fighters, etwas Weezer und The Get Up Kids erinnerte, fuhren die deutsch-walisischen Musiker deutschlandweit gute Kritiken ein.

Die Folge: ein prall gefüllter Tourkalender im Schlepptau von Itchy, Dave Hause, Blackout Problems oder Touché Amoré. So prall gefüllt sogar, dass Sänger und Gitarrist Nick Sauter ausgebrannt eine monatelange Auszeit benötigte, um wieder zur Musik zurück zu finden. Auf dem zweiten Album "Perceptions" beschäftigen sich Cadet Carter nun mit Erwartungshaltungen und finden zu ihrem eigenen Stil.

Obwohl die Bayern einige neue Songs aus der Zeit vor der Pause fertig hatten, verwarfen sie diese zugunsten frischer Ideen. Das Ziel: ohne Druck und mit neuem Bewusstsein noch einmal komplett von vorne anfangen. "Die eigene Erwartungshaltung, die Ansprüche, die wir an uns selbst hatten, an unser Songwriting und an das, was wir mit dem Album aussagen wollten – das war schon da", kommentiert Sauter die Herangehensweise. Die Songs spielten sie im 8 Ohm-Studio von Drummer Benny Paska unter der Regie von Produzent Fabian Tormin (Biffy Clyro, Beatsteaks, Die Nerven, Kurt Vile) ein.

"A Bad Few Weeks", kompositorischer Ausgangspunkt und gleichzeitig die erste Single, steht musikalisch stellvertretend für die auf "Perceptions" eingeschlagene Richtung: geradliniger, direkt nach vorne gehender Alternative-Rock mit hymnenhaften Refrains und Ohrwurm-Melodien. Im Falle von "A Bad Few Weeks" auch inklusive einer Gitarren-Hook, die überdeutlich an Dinosaur Jrs "Feel The Pain" erinnert. Mehr 90er-Indie geht kaum. Textlich verdeutlicht der Refrain "It's been a bad few weeks and / I'm scratching the walls until / it stops and that feeling is gone" ebenfalls den Neuanfang.

Nach dem für einen Opener und Titeltrack ungewöhnlich klingenden, eher in Art eines Interludes aufgebauten "Perceptions" präsentiert das Quartett einen waschechten Hit: "Speed Of Sound" mit seinem catchy Chorus. Dieser kraftvolle Albumstart macht enorm Laune. Daraufhin drückt das behäbige, sehr stark im College-Rock wildernde "Telescope" fast ein wenig zu arg auf die Bremse. Mit dem flotten, gegen jegliche Art von Gewalt gerichteten "Windshields" spielt die Band ihre Karten bezüglich phantasievollen und eingängigen Songwritings dann zum Glück wieder aus.

Inhaltlich wenden Cadet Carter das Thema Erwartungshaltungen und die daraus resultierenden Handlungsmuster insofern nicht nur auf sich selbst an. Indem sie die oftmals unbemerkt vonstatten gehende Entfremdung zwischen Individuen beleuchtet, geht die Band auch auf die Ebene zwischenmenschlicher Beziehungsgeflechte und deren verschiedenen Wahrnehmungsperspektiven ein. Besonders deutlich wird dies in den balladesken "End / Begin", "Hold Me Down" und "Run For Me".

Gleichgütig, ob in den treibenden "On The Edge" und "Dead Hands", dem hochmelodischen Banger "New Shores" oder dem stellenweise leicht nach Britpop à la Oasis klingenden Finale "Who You Are": Es steht Cadet Carter einfach gut, dass sie nun mehr in Alternative-Rock-Gefilden mit leichtem Emo-Einschlag wandeln und den Punk des Vorgängers eher zurückstellen. Das ermöglicht der Gruppe die Fokussierung auf die eigenen Stärken.

So zimmern die Münchener von ihren Wurzeln ausgehend einen eigenen Sound, der trotz starker 90er-Einflüsse, zeitgemäß und modern klingt. Zwar fehlt es hier und da ein wenig an ausgefeilten Spannungsbögen oder explosiven Momenten. Insgesamt jedoch liefern Cadet Carter mit "Perceptions" ein sehr solides Zweitwerk ab, das Lust auf mehr macht. Mit den Bayern ist in Zukunft definitiv zu rechnen.

Trackliste

  1. 1. Perceptions
  2. 2. Speed Of Sound
  3. 3. Telescope
  4. 4. A Bad Few Weeks
  5. 5. Hold Me Down
  6. 6. Windshields
  7. 7. End / Begin
  8. 8. On The Edge
  9. 9. Run For Me
  10. 10. Dead Hands
  11. 11. New Shores
  12. 12. Who You Are

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